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Am ungewöhnlichen Gottesdienst-Ort, der ehemaligen Panzerhalle, begrüßte Bischof Heinz Josef Algermissen die Gläubigen... - Fotos: Hendrik Urbin

04.10.09 - RASDORF..

Gottesdienst, Weg der Hoffnung und Familientag mit WANKE auf Point Alpha

Aus einer sehr feierlichen Eucharistiefeier trotz ungewohntem Gottesdienstraum, einem fröhlichen Begegnungstreffen der Kolpingmitglieder aus Thüringen und Hessen sowie der wiederum besinnlichen Einweihung der 7. Station des Künstler-Kreuzweges "Weg der Hoffnung" durch die beiden Diözesanbischöfe Joachim Wanke (Erfurt) und Heinz Josef Algermissen (Fulda) bestand der "zweite Teil" der großen, bundesländerübergreifenden Kolping-Veranstaltung gestern auf dem Gelände der Mahn- und Gedenkstätte "Point Alpha" zwischen Rasdorf und Geisa.

Auf die "Besonderheit des Ortes" wies der Erfurter Oberhirte gleich zu Beginn seiner Predigt hin. "Das ist wahrlich ein besonderer Ort für eine Eucharistiefeier: Eine ehemalige Panzerhalle wird zum Ort des Gotteslobes. Ein Platz, der einstmals der Absicherung einer höchst brisanten Grenze diente, versammelt nun Menschen grenzüberschreitend als eine betende Gemeinde. Hier, wo man über Panzerangriffe und Atomwaffeneinsatz ernsthaft nachdachte – hier werden auf einmal die Seligpreisungen der Bergpredigt verkündigt," sagte Bischof Joachim Wanke. Er sprach seine Freude über die friedliche Revolution in Deutschland und die folgende Grenzöffnung aus ("..auch 20 Jahre danach ist das für mich immer noch ein Wunder") und dankte Gott dafür, "auch wenn wir wissen, welchen Anteil an diesem Geschehen damals glückliche politische Umstände und tapfere Menschen hatten".

Doch Bischof Wanke wollte in der überfüllten Ex-Panzerhalle "nicht allein den Blick zurücklenken", sondern mit Hilfe von Worten Adolph Kolpings auf "veränderte Hier und Heute" schauen und auch auf "neue Herausforderungen" hinweisen, die bewältigt werden müssten. Zu den Veränderungen zähle, dass vor allem jüngere Menschen oft keine Vorstellung mehr von früher hätten. Manche könnten sich gar nicht mehr vorstellen, dass hier eine Grenze gewesen war, an der auf Flüchtende geschossen wurde.

"Alles ist jetzt so schrecklich normal geworden", sagte Wanke und fuhr wörtlich fort: "Wir im Osten brauchen keine Angst vor der Partei und der Stasi haben, wir können frei unseren Glauben bekennen, können reisen, wohin wir wollen. Und ihr im Westen könnt ohne Probleme die Menschen im Geisaer Land besuchen, selbst jene im ehemaligen 5-km-Sperrgebiet. - So ist das eben mit der Freiheit: Wenn man sie nicht hat, erscheint sie als höchstes Hoffnungsgut. Hat man sie aber, wird sie selbstverständlich und macht viele Leute träge."

Diese Erfahrung auf die Christen und das religiöse Leben in den Pfarrgemeinden übertragen, mache die große Bedeutung des Glaubens klar. Von Kolping stamme das Wort: „Die Religion ist die höchste Gabe des Himmels. Durch sie ist der Mensch das, was er ist.“ Dies hätten die Gläubigen in Thüringen selbst erfahren: Wer sich an Gott und die Kirche gehalten hatte, sei gegenüber der alten Ideologie widerstandsfähiger gewesen; war nicht so schnell bereit, alles mitzumachen oder gar seine Gewissensüberzeugungen zu verraten: "Sicher, das war nicht einfach. Das kostete Mut. Aber der Glaube gab Kraft, dort, wo es Not tat, auch einmal Nein zu sagen."

Und wie sei das heute, fragte der Erfurter Oberhirte. Seien die Kirchen am Sonntag morgens zur heiligen Messe gefüllt? Kämen noch die Kinder, die Jugendlichen? Blieben die Katholiken treu im Empfang der heiligen Sakramente? Wüssten sie noch um die Heiligkeit der Ehe? Werde Gott auch im Alltag durch Gebet und Werke der Nächstenliebe die Ehre gegeben?

Der Mensch sei nicht groß durch Besitz oder Leistung, sondern weil er Gottes Geschöpf sei, von Gott gewollt, von ihm geliebt und bestimmt für seinen Himmel, den Gott allein zu geben vermöge. Wörtlich mahnte Bischof Wanke: "Ihr merkt doch, wohin uns der Zeitgeist drängen will: Unterhaltung, Zerstreuung, Konsumieren und das Böse in uns und um uns verleugnen, als ob es dies nicht gäbe. Jetzt kommt noch hinzu ein neuer aggressiver Atheismus, beinahe wie damals in der DDR, der Religion als falsches Denken deklariert, für rückschrittlich, ja für gefährlich hält. Hat uns Gott die Freiheit gegeben, damit wir jetzt in der Freiheit den Glauben unserer Väter und Mütter aufgeben? Erreichen die SED-Ideologen von damals mit ihrem Kampf gegen die Kirche nun doch noch ihr Ziel?"

Der Oberhirte rief die Gläubigen auf, auch in der offenen, freien Gesellschaft zu zeigen, was Treue im Glauben, im Christsein heiße. Natürlich erhofften sich auch Christen von der sozialen Marktwirtschaft, dass sie sozial bleibe und allen ein gedeihliches Auskommen ermögliche. "Aber wir glauben nicht an den Euro, sondern wir glauben an das, was Gott zu schenken vermag: sein Reich, sein Leben, seine Liebe, die allein unsere tiefste Sehnsucht stillen kann. Helft mit, dass hier in der Rhön, hier in Thüringen und Hessen über allen Menschen der Himmel offen bleibt."

Dafür solle man etwas tun, was auch Adolph Kolping empfohlen habe: „Du musst prägen, sonst prägen andere!“ Die Kirche gehe Zeiten entgegen, in denen die Getauften und Gefirmten ein neues Selbstbewusstsein gewinnen müssten - das allerdings um die Gnade Gottes wisse. Wie es mit der Kirche in Geisa und Rasdorf, in Zella oder Gersfeld weitergehen werde, hänge weithin von den Gläubigen ab, die in ihren Gemeinden den Kern bildeten – zusammen mit den Priestern und denen, die sich in der Seelsorge abmühten. "Vieles wird sich ändern und hat sich schon geändert. Die Messzeiten sind nicht mehr so bequem wie früher und der nächste Pfarrer wohnt weiter weg, als euch lieb ist. Aber heißt das, dass damit das Kirchenjahr abgeschafft ist? Bedeutet das, dass wir das gemeinsame Beten einstellen und die Prozessionsfahnen einrollen können?" fragte Wanke. „Du kannst prägen!“ rufe Kolping auch den Menschen heute zu. Er habe die Kirche seiner Zeit geprägt, nicht nur durch den Gesellenverein, sondern auch durch seine selbstverständliche Frömmigkeit und sein gesundes katholisches Selbstbewusstsein.

"Diese Aufgabe sehe ich heute für uns Christen: Wir müssen das Herz auftun und durch Wort und Tat zeigen, was wir glauben und bekennen. Das fängt in der Familie an, geht am Arbeitsplatz weiter, setzt sich im Vereinsleben und in der Kirchgemeinde fort. Setzt Zeichen des Glaubens in diesem Land, haltet fest an der Gottesdienstpraxis am Sonntag, der Feier der kirchlichen Feste, dem katholischen Brauchtum, dem Gebet in der Familie – denn wenn ihr nicht prägt, prägen dieses Land andere. Das ist es, was wir Christen brauchen, seien wir evangelisch oder katholisch: demütiges Selbstbewusstsein, sanfte Entschiedenheit und ein Engagement, das – bei aller Gelassenheit und Lockerheit – sich nicht einschüchtern lässt. Es braucht Glaubenszuversicht, dass Gott nicht nur in der Vergangenheit Wunder getan hat, sondern dass er solche auch heute tun kann – wenn wir ihm vertrauen."

Und mit einem dritten Wort von Kolping wollte Bischof Wanke seine Zuhörer fordern: „Wer Mut zeigt, macht Mut!“ Heute sei sicher von den Christen noch eine andere Art von Mut gefragt als in der alten DDR-Zeit oder gar damals in der NS-Zeit. Der Gottesglaube als Ganzer stehe neu auf dem Prüfstand. Es gehe nicht nur um eine intellektuelle Herausforderung, den Glauben vor dem eigenen kritischen Denken zu verantworten. Es gehe noch mehr - angesichts des Pluralismus und der Vergleichgültigung von Überzeugungen und Traditionen - um eine vertiefte Begründung des Gottesglaubens im eigenen Herzen. Dazu zitierte der Bischof Sprüche: "Das ist heute alles ganz anders!“ - „Beichten ist altmodisch geworden!“ - „Der liebe Gott wird bei mir schon mal eine Ausnahme machen!“

Er selbst gebe zu: Den Gottesglauben habe man nie ohne Anfechtungen. Auch ihn beschlichen manchmal Zweifel, besonders wenn er das Leid so vieler Menschen sehe, das Leid Unschuldiger, erklärte Wanke. "Dann kann ich nur auf das Kreuz unseres Herrn schauen und bitten: „Herr, gib mir Mut, an Deiner Barmherzigkeit nicht zu zweifeln. Gib mir Kraft, auch das eigene Leid als einen Weg zu Dir, in Deinen heiligen Willen hinein zu begreifen.“

Die allgemeine menschliche Erfahrung zähle auch im religiösen Leben: Wer Mut zeigt, macht Mut. Und da könne auch ein mit Tapferkeit getragenes und ausgehaltenes Lebenskreuz anderen Mut machen: "Dir kauft man vielleicht sogar ein Glaubenszeugnis eher ab als einem Pfarrer oder einem Bischof, bei dem so manche denken: Der muss ja so reden". Das Bekenntnis gestandener Männer und Frauen sowie ihr Hinweis auf die eigenen stärkenden Lebensquellen werde nicht ohne Wirkung bleiben.

Es gebe ein echtes Interesse der Menschen an solch einem glaubwürdigen Zeugnis für Gott und seine Verheißungen; es gebe für den christlichen Glauben nicht nur Gegenwind, sondern auch Seitenwind, ja sogar Rückenwind. "Am Wachsen" seien etwa ein Gespür für die Kostbarkeit der Schöpfung; die Verantwortung, die wir füreinander, als Völkergemeinschaft insgesamt hätten. Selbst in manchen liberalen Parteien merke man, dass man den Menschen in seiner Würde und Einmaligkeit stärker als bisher schützen muss, auch am Lebensanfang. Die Begegnung mit fremden Religionen lasse mehr und tiefer begreifen, welchen Reichtum wir auch kulturell und gesellschaftlich im christlichen Glauben besitzen. "Darum: Zeigt Mut, dann werden auch andere Mut fassen," rief der Bischof den Gottesdienstbesuchern zu.

Dieser Tag der deutschen Einheit solle stets daran erinnern: "So wie wir die Einheit zwischen Ost und West nicht mehr aufgeben wollen, so auch nicht die Verbundenheit von Gott und uns Menschen. Gott hat uns in unserer Lebenszeit das Geschenk der politischen Einheit gemacht. Vergessen wir nicht, dass er uns noch viel mehr zu geben vermag, wenn wir uns von ihm nicht trennen lassen. Das lässt uns auch hoffnungsvoll wieder in unseren Lebensalltag zurückkehren. Und dabei nehmt dies als letztes Wort von Vater Kolping mit: „Tue jeder in seinen Kreisen das Beste, so wird es bald in der Welt auch besser werden!“

Im Anschluss an das Pontifikalamt gaben der frühere Fuldaer Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Hamberder, der den Grenzfall in seiner Amtszeit miterlebt hatte, sowie die Direktorin der Point-Alpha-Stiftung, Uta Thofern Informationen über die Gedenkstätte. Danach fand auf dem Gelände des ehemaligen US-Camps der "Familientag", die Begenung von "Ost und West"-Kolpinggruppen statt, wurden Erinnerungen ausgetauscht, über Kirchliches oder Politisches diskutiert, sich gemeinsam beim Imbiss gestärkt, Informationsangebote an Ständen genutzt, neue Kontakte geknüpft. Am Nachmittag nahmen die beiden Bischöfe die Einweihung der 7. Station des Künstler-Kreuzweges vor, die von dem Schlitzer Künstler und Bildhauer Ulrich Barnickel geschaffen wurde und die "Trost" benannt ist. Der "Weg der Hoffnung" auf dem Gelände der Mahn- und Gedenkstätte soll insgesamt 14 Stationen erhalten. +++


...und den Erfurter Bischof Joachim Wanke, der die Predigt hielt





Die Halle war komplett überfüllt...


....und viele Menschen standen draußen und lauschten aufmerksam

Bischof Wanke nannte in seiner Predigt auch Worte..


... von Adolph Kolping, die auf heutige Herausforderungen und Entwicklungen passen


Filmteams, etwa vom Mitteldeutschen Rundfunk, waren auch da






Der frühere Fuldaer Oberbürgemeister Dr. Wolfgang Hamberger (rechts) war auch gekommen






Die Bischöfe, Kolpingvertreter und für Point Alpha engagierte Menschen nahmen an der ... - Fotos (4): S. Sorek

...Einweihung der 7. Station des Künstler-Kreuzweges mit dem Namen...


..."Weg der Hoffnung" teil

Die Skulpturen wurden von dem Schlitzer Bildhauer Ulrich Barnickel geschaffen

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