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KFZ-Meister Lothar Kehl mit seinem Rallye-Fahrzeug. - Fotos (14): Florian Dietz

24.04.11 - REGION

Im Krankenwagen durch den Sand: "Wüste Sanitäter" bei Jordanien-Rallye

Seien wir doch mal ehrlich: Richtige Abenteuer gibt es fast nicht mehr. Und die wenigen, die zwischen weichgespülten Tourismus-Angeboten ein Schattendasein fristen, muss man schon mit der Lupe suchen. Sieben Männer und eine Frau haben gesucht - und gefunden. Sie nennen sich die "wüsten Sanitäter" - obwohl sie gar keine Mediziner sind - und starten am 30. April zur "Allgäu-Orient-Rallye". 6.500 Kilometer lang ist die Route, die vom schwäbischen Oberstaufen zur jordanischen Hauptstadt Amman führt. Das Zeitlimit: Knapp zwei Wochen. Keine allzu schwere Aufgabe, ist man im Porsche Cayenne oder im VW Touareg unterwegs. Allerdings muss das bunt zusammengewürfelte "Sanitäter-Team" auf moderne Technik weitgehend verzichten: Ihre drei Rallye-Mobile hören auf den schönen Namen "Ford Transit", sind über 30 Jahre alt und haben früher ihren Dienst als Krankentransportwagen beim Katastrophenschutz verrichtet. 73 PS und 100 Stundenkilometer Spitzengeschwindigkeit müssen eben reichen - für das große Abenteuer.

Die Allgäu-Orient-Rallye gibt es dieses Jahr schon zum sechsten Mal. Sie dient neben Spaß und Abenteuer auch einem guten Zweck: Alle Fahrzeuge, die heil in Amman ankommen, werden an Einheimische versteigert. Der Erlös geht an humanitäre Projekte in Jordanien. Nur drei der insgesamt 321 Autos und Motorräder, die dieses Jahr mitfahren, werden nicht versteigert: die Krankenwagen der "wüsten Sanitäter" gehen nach dem Zieleinlauf direkt an das Team der jordanischen "Paralympics". Sie sollen fortan als behindertengerechte Mannschaftstransporter dienen.

Drei der "Sanitäter" kommen aus Osthessen: Michael Schürmann aus Großenlüder ist einer der Initiatoren des gemeinsamen Abenteuers, Lothar Kehl aus Oberweisenborn kümmert sich daheim und während der Rallye um die Technik der Krankenwagen, und Elena Bozhkova aus Eiterfeld springt als Fahrerin ein. Insgesamt fahren sechs der acht "Sand-Ärzte" bei der Rallye mit; Michael Schürmann kann wegen einer Wirbelsäulenverletzung nicht mitfahren, reist aber zur Unterstützung per Flugzeug nach Amman. Zum Team gehören auch Teamchef Heiko Eckel aus Stuttgart, Werner Chillian aus Heldburg, Ingo Geil aus Erfurt und Team-Pressesprecher Hans Peter Chillian aus Füssen, der die Motivation seiner Mannschaft zusammenfasst: "Gewinnen ist uns nicht so wichtig, wir sind mit unseren Fahrzeugen sowieso im Nachteil. Wir suchen das Abenteuer, die Herausforderung - und wir freuen uns, dass die Rallye einem humanitären Zweck dient".

Organisieren und Reparieren - Viel Arbeit fürs Team

Schon im Vorfeld der Rallye gab es für das ganze Team viel Arbeit: Die Autos mussten gefunden, gekauft und technisch überholt werden, es galt, Sponsoren zu gewinnen und eine Menge zu organisieren. Der Veranstalter der außergewöhnlichen Rallye hat viele Spielregeln für das gemeinsame Abenteuer festgesetzt: Alle teilnehmenden Fahrzeuge müssen mindestens 20 Jahre alt sein - sind sie jüngeren Baujahrs, darf der Wert nicht mehr als 1.111,11 Euro betragen. Teams müssen aus genau sechs Personen bestehen, es sind schon vorab viele Kosten zu begleichen. Während der Rallye müssen die Teams zwischen 555 und 666 Kilometer am Tag zurücklegen, als "Übernachtungsbudget" dürfen die Teilnehmer nur elf Euro pro Nacht veranschlagen. Noch dazu warten "Sonderprüfungen" auf Lenker und Beifahrer. Die Gewinner der Rallye erhalten als ersten Preis übrigens ein echtes Kamel, auf dem sie aber - dann "autolos" - nicht in ihr Heimatland zurückreiten können. Das Huftier bleibt in Jordanien und wird ebenfalls gespendet.

Nicht zu unterschätzen ist die jordanische Gesetzgebung: Eigentlich wird bei der Einreise mit einem wie auch immer gearteten Kfz direkt an der Grenze eine "Einfuhrsteuer" fällig, die bei 120 Prozent des Fahrzeugneuwertes liegt. Eine Ausnahmeregelung verhindert aber, dass die abenteuerlustigen Rallye-Teams völlig pleite zurück nach Deutschland kommen - die Teilnehmer dürfen die Fahrzeuge kostenfrei ins Land bringen. Ein "Bakschisch", also eine Mischung aus Trink- und Schmiergeld, für den einen oder anderen Grenzpolizisten müssen die Abenteurer aber wohl trotzdem einplanen.

Die Krankenwagen sind top in Schuss - Vor-Ort-Besuch in Oberweisenborn

Bei einem Vor-Ort-Besuch bei Kfz-Meister Lothar Kehl in Oberweisenborn hatte osthessen-news-Redakteur Florian Dietz Gelegenheit, einen der Krankenwagen genauer unter die Lupe zu nehmen. "Die Fahrzeuge sind ja quasi noch niegelnagelneu, die sind doch bisher kaum gelaufen", erzählt Kehl, sichtlich begeistert von der Wahl der fahrbaren Untersätze. Recht hat er - der Ford Transit steht gut da. Kein sichtbarer Rost, keine Beulen, der Auspuff ist dicht. Es fährt so manches zwanzig Jahre jüngere Auto auf Deutschlands Straßen, dem dieser alte Krankenwagen locker das Wasser, Öl und Benzin reichen könnte. Auch der Innenraum sieht sauber und gepflegt aus, und an der Scheibe "klebt" ein Navi. "Das müssen wir aber vorher noch rausmachen, das darf man während der Rallye nicht benutzen", sagt der Kfz-Meister. Ganz verzichten muss er auf elektronische Helfer aber nicht: Eine 220-Volt-Steckdose versorgt einen Laptop und eine Kühltruhe mit Strom.

Fahrer- und Beifahrersitz sehen recht gemütlich aus - bei über 550 Kilometern Fahrtstrecke am Tag über fast zwei Wochen ist das auch nötig. "Vorher waren da so alte Drahtsitze drin, da kocht dir ja sofort der Arsch", erzählt Lothar Kehl, der die alte Bestuhlung gegen Polstersitze aus einem Mazda ausgetauscht hat. Im "Behandlungsabteil" der Krankenwagen befinden sich übrigens Matratzen, die "wüsten Sanitäter" können also in ihren Fahrzeugen nächtigen. Auch im Motorraum musste Kfz-Meister Kehl Hand anlegen, denn Schläuche und Dichtungen müssen nach 30 Jahren dringend erneuert werden. Noch dazu hat er dem Krankenwagen eine stärkere Lichtmaschine spendiert, damit die Kühlbox nicht zum vorzeitigen Exitus der Bordelektronik führt. Jetzt hat er keine Bedenken mehr. "Wir haben gerade eine Probefahrt von 500 Kilometern hinter uns, das Fahrzeug lief prima. Die Rallye werden wir locker schaffen". Und sollte doch etwas an einem der drei Rettungswagen kaputtgehen, hat Kehl ein paar Ersatzteile mit an Bord.

Am 30. April gehen die "wüsten Sanitäter" auf große Fahrt, und osthessen-news ist - zumindest im Geiste - dabei. Die Redaktion wird in unregelmäßigen Abständen in einem Tagebuch vom Schicksal der sechs Abenteurer berichten. Wann immer das Rallye-Team Zugang zu einem Telefon oder zum Internet hat, wird es Neuigkeiten nach Osthessen schicken. osthessen-news-Leser sind hautnah dabei. Weitere Infos zum Team gibt es unter http://www.wuestensanitaeter.de . (Florian Dietz) +++


Die Rettungswagen waren früher...

...für den Katastrophenschutz unterwegs.


Private Unterstützer haben sich mit Aufklebern verewigt.

Blick in den Innenraum.


Alles sehr aufgeräumt...

...mit Kühlbox zwischen den Sitzen...


...und Plüschkamel auf dem Bett.

Die eiserne Reserve.


Das "Motörchen".


Neue Batterie.

Diese Reifen sollen das Team über 6.500 Kilometer sicher ans Ziel bringen.


Das Team ist bereit. - Foto: Die wüsten Sanitäter

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