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Das ist es: das Strolch-Denkmal, um das in den vergangenen Tagen in Lauterbach teilweise erbittert gestritten wurde. - Alle Fotos: Martin Angelstein

30.04.05 - Lauterbach

ENTHÜLLT: Seit 09:09 Uhr steht das "Strolch"-Denkmal mitten im Fluss

Heute Morgen um exakt 09:09 Uhr wurde in Lauterbach einem 100 Jahre alten Original ein bronzenes Denkmal mitten in der Lauter gesetzt. Der „Botschafter und Sympathieträger der Vogelsberger Kreisstadt“, der „Lauterbacher Strolch“ verdankt seinen Ursprung dem Lauterbacher Maler Julius Siemsen, der 1904 dem Lied vom Jungen, der hier seinen Strumpf verloren hat, Gestalt verlieh. Um seinen hohen Bekanntheitsgrad als Herkunfts- und Heimatsymbol zu würdigen, stiftete der Lauterbacher Verpackungsunternehmer Gustav Stabernack das mit 120 Zentimeter fast lebensgroße Denkmal auf einem Sandsteinsockel an den berühmten "Schrittsteinen" im Flüsschen Lauter. Und dazu eine Tafel mit dem nicht minder berühmten Liedvers: "In Lauterbach hab ich meinen Strumpf verloren und ohne den geh ich nicht heim ...". Ähnlich den Vorbildern von Bremen und Hameln mit ihren Sympathieträgern, den Stadtmusikanten und dem Rattenfänger, solle auch Lauterbach mit seinem Sympathieträger, dem Lauterbacher Strolch, ein "Popularitätsschub" geschehen. So die Überlegungen von Verkehrsdirektor Kurt Habicht.

Dabei stand fest, dass es für das Denkmal kein Geld aus der Stadtkasse gab. Privates Sponsoring war also die einzige Lösung, immerhin soll das Strolch-Denkmal - so hört man hinter vorgehaltener Hand - "über 60.000 Euro mit allen Nebenarbeiten" gekostet haben. Zunächst wurde mit dem Steinmetzbetrieb Schmalz die Möglichkeiten der Ausführung des Denkmals durchgesprochen worden. Eine Herstellung in Sandstein beinhaltete jedoch bei einer vollplastischen Ausführung einige Gefahren.Schließlich sei von einem Sandstein-Denkmal Abstand genommen worden, erklärte Habicht. Die Ausführung in Bronze sei diskutiert, Kosten seien ermittelt worden. "Jetzt wurde die Sache ernst, denn es kamen erhebliche Kosten zusammen. Trotz alledem wurde die Umsetzung mit Optimismus und Mut angegangen."

Als nächster Schritt wurden in Frage kommende Sponsoren angeschrieben. "Wir stießen dabei auf viel Sympathie und Zustimmung. Allerdings bis zur Vollfinanzierung des Denkmals in Bronze-Ausfertigung war noch ein weiter Weg" so Habicht. Bei dem letzten Gespräch mit dem Lauterbacher Unternehmer Gustav Stabernack, bei dem auch Ehrenbürgermeister Willi Fiedler zugegen war, gab es ein äußerst überraschendes und erfreuliches Ergebnis, das mit einem Schlag die Situation veränderte. Dieser mit Lauterbach verbundene Unternehmer entschloss sich, das Denkmal voll und ganz der Bürgerschaft zu stiften. "Jetzt war das Eis gebrochen".

Die Firmen "Schmalz-Steinmetzbetrieb GmbH" und "Metzendorf Bau GmbH" hätten sich bereit erklärt, mit Fundament und Steinmetzarbeiten den Aufbau des Denkmals zu unterstützen. In enger Zusammenarbeit mit dem Stifter und den beiden genannten Firmen sei das Vorhaben vorangetrieben worden. "Dem Stifter des Denkmals, dem Unternehmer Gustav Stabernack, lag es von Anfang an am Herzen, dass der Strolch im Original, also in seinem Urbild, gestaltet wird und von hoher künstlerischer Ausdruckskraft sein sollte. Dass dazu die beste Bronze-Kunstguss-Ausführung gehört, war selbstverständlich. Mit hohem persönlichem Engagement begleitete er den Fortschritt des Vorhabens", stellte Habicht fest.

"Ich fühle mich der Stadt Lauterbach und dem Strolch sehr verbunden. Der Strolch symbolisiert für mich und meine Familie einen Neuanfang nach dem Krieg in Lauterbach. Deshalb stand ich einem Denkmal sehr positiv gegenüber und erklärte mich, als mich der Verkehrsverein um Unterstützung für das Vorhaben bat, bereit, es komplett zu bezahlen", sagte der 67-jährige Unternehmer.

Stabernack bedauerte, dass es durch einige wenige Bürger eine unangenehme Debatte um das Für und Wider des Denkmals gegeben habe. Die Kritiker des Strolch-Denkmals - Klaus Scheuer, Kathrin Jacob und Lutz Habekost - erklärten, sie seien nicht grundsätzlich gegen das Strolch-Denkmal. Allerdings störe der Standort, weil er das historische Ensemble im Bereich der Schrittsteine zerstöre. Ebenso kritisierten sie die Geheimhaltungstaktik des Verkehrsvereins und die Art und Weise, wie die Bauarbeiten für das Fundament in der Lauter von statten gegangen seien. "Warum hat Lauterbach das Käsemännchen nötig, die Stadt hat doch soviel mehr", fragte Jacob provokant. Und Scheuer, der selber ein Haus im Ensembleschutz am See bewohnt, thematisierte Denkmalschutz und Baugenehmigung und sah das Fachwerkensemble durch das Denkmal empfindlich gestört.

Doch vom Ärger der vergangenen Tage war bei der heutigen Enthüllung kaum noch etwas zu spüren. Der Lauterbacher Bürgermeister zeigte sich bezüglich der Akzeptanz des Denkmals optimistisch und meinte, man werde es "massenweise" erleben, dass sich Lauterbacher Touristen auf den Schrittsteinen mit dem Strolch-Denkmal fotografieren liessen. Und Stabernack meinte heute, dass dieses Denkmal eine zusätzliche Belebung in die Innenstadt bringe: "Die Stadt leidet am Verlust von Geschäften. Fachwerk allein reicht nicht, um die Menschen anzulocken, mit dem überregional bekannten Strolch schaffen wir hier zusätzlich etwas zum Anschauen und Verweilen."

Stabernacks Firma hat u.a. Millionen Camembert-Verpackungen mit dem Original-Strolchbild gedruckt und dafür gesorgt, dass der "Strumpfsucher" mit der Vogelsbergsstadt untrennbar verbunden wird. Außer auf der Käsepackung ist der Strolch auch in Liedern, Gedichten, Bildern, Porzellan- und Keramikfiguren und im Stadtwappen von Lauterbach verewigt. Im Lauterbacher Rathaussaal ist seit heute eine in dieser Form einzigartige Ausstellung mit über 250 verschiedenen Exponate "rund um den Strolch" zu bewundern.

Und auch heute "arbeitet" die Stadt mit der Strolch-Figur. Alle Briefe der Stadtverwaltung verlassen seit einigen Tagen das Rathaus mit dem neuen Lauterbacher Signet: dem Strolch und den angedeuteten Schrittsteinen. Von einer "einheitlichen Werbelinie" ist sogar die Rede. "Lauterbach kann auf sich stolz sein - und dies zeigen wir mit unserem Signet auch ganz deutlich: Selbstbewusst und werbewirksam", so Vollmöller. Damit sei Lauterbach einem Ziel, das Erscheinungsbild zu vereinheitlichen und "die Inhalte einer modernen Stadt" zu kommunizieren, ein Stück näher gekommen.

Der Strolch: seit 100 Jahren "im Dienst der Kreisstadt"

Der "Lauterbacher Strolch" ist seit 100 Jahren im Dienste der Kreisstadt. Der Lauterbacher Maler Julius Siemsen schuf dessen Urbild. Professor W. Schultz brachte dem Strolch noch die letzten Korrekturen bei, so existiert der Strolch seit 1904 so, wie ihn alle heute noch kennen: als freundlicher, strahlender Junge, voller Lebensfreude und Kraft, einfach als sympathischer Lauterbacher Strolch.

Viele bekannte Maler wie zum Beispiel Karl Sinkwitz, Gebauer, Prof. Dr. Otto Ubbelohde, Lindegreen, Geilfus, Bender, Prof. Dill, Dr. Quante und Hummel sowie Gräfin Luise von Geldern-Egmond haben sich des Strumpfliedes und des Jungen angenommen und Kunstwerke geschaffen. Der Lauterbacher Historiker Karl Maurer fragte in einem 1943 veröffentlichten Zeitungsbericht: "Sind wir Lauterbacher uns klar darüber, in wie starkem Maße durch diese hervorragende Reihe für unser Städtchen geworben wird!" Prof. Dr. Ferdinand Werner bescheinigt dem Lauterbacher Strolch die höchste Bekanntheit als Herkunfts- und Heimatsymbol verbunden mit der Stadt und dem Lied des Strumpfsuchers.

Als die Ansichtspostkarten aufkamen, übernahm der Kunstverlag Gustav Mandt in Lauterbach dieses Medium. Das Volkslied "In Lauterbach hab´ ich mein´ Strumpf verlor´n" hatte für Mandt den besonderen Reiz, eine heimatbezogene Ansichtskarte zu kreieren. So kam ihm die Idee eines Lauterbacher Jungen mit dem verlorenen Strumpf. Der Maler Julius Siemsen und später Prof. W. Schultz setzten diese in die Praxis um.

Die Lauterbacher Molkerei hatte schnell entdeckt, dass dieses Motiv ein guter Werbeträger war. Sie bemühte sich um die Rechte und bekam sie von dem Mandt-Verlag. Es war in Lauterbach, wo Deutschlands "Erster Camembert-Käse" von der Molkerei seit 1887 hergestellt wurde und als "Lauterbacher Strolch" millionenfach bis heute "als Marke" in das Bewusstsein der Verbraucher und kulinarisch "in die Mägen" eingegangen ist.

Von Anfang an gestattete Gustav Mandt der Stadt, dieses werbeträchtige Symbol als ihr Maskottchen, als ihr Symbol zu verwenden. 100 Jahre sind es, dass der Strolch im "Dienste" der Stadt Lauterbach steht. Selbst für Fremdenverkehrschef Kurt Habicht ist nicht mehr nachzuvollziehen, in wie vielen Werbeträgern und Publikationen, Festen und Fernsehsendungen in den 100 Jahren der Lauterbacher Strolch vertreten und für Lauterbach "im Einsatz" war.

Und die Vogelsberger Kreisstadt feierte heute ihren Strolch mit gebührendem Aufwand. Nachdem frühmorgens "in kleinem Kreis" die Enthüllung ablief, kamen dann am späten Vormittag einige Hundert vor das Rathaus, um ihrer "Kultfigur" entsprechende Anerkennung zu zollen. Viele Honoratioren kamen, darunter die amtierende Bierkönigin Eva, zahlreiche "Lauterbacher Ehrenstrolche" wie Kurt Habicht, die früheren Bürgermeister und jetzigen Ehrenbürgermeister Willi Fiedler und Otto Falk sowie der ganz bekannte hr-Fernsehunterhalter und Filmeproduzent Karlheinz Stier. Dazu die Lauterbacher Strumpfmusikanten, die Lauterbacher Strumpfgilde tanzte, es gab kleine Theateraufführungen, Lieder und verschiedene Reden.

Es war der Stadtverordnetenvorsteher Fesch, der seinen Bürgern eindringlich ins Gewissen redete und die Bedeutung des Strolch-Denkmals hochstilisierte. "Wir haben kaum Chancen auf neue Industrie, da ist der Tourismus unsere einzige Chance" sagte er. Die Altstadt alleine gebe es woanders auch und deshalb brauche Lauterbach den "Strolch" als "einzigartigen Sympathieträger", den andere nicht hätten. Und nachdem der Strolch - die Molkerei gibt es ja nicht mehr - jetzt auch von der Lauterbacher Brauerei "eingesetzt" würde, sei das Denkmal "mehr als nur Gefühlsduselei, sondern eine ernste Sache mit wirtschaftlichem Hintergrund". +++


Der Moment der Enthüllung...

...und erste Gruppenbilder der Prominenten...


Erste Reaktionen: den meisten Leuten gefällt es - und ...

.... ein Bild mit dem Strolch wird wohl für die meisten Touristen ein "MUSS" sein....


Der Lauterbacher Filmclub hält alles auf Video fest...

Beispiele in der Ausstellung für die Strolch-Nutzung....


Die Lauterbacher Strumpfmusikanten....

Viele der "Lauterbacher Ehrenstrolche" (die mit Schärpen) kamen....


.... und darunter auch Landrat Marx und die Brauerei-Marketingchefin Klesper (3.v.r.)

Gestaltete das Programm mit: die Lauterbacher Trachtengilde....

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