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1965 - also drei Jahre vor dem Mauerbau - kann man von Philippsthal-Weidenhain aus noch einen neugierigen Blick auf die Werrabrücke und Vacha werfen - Fotos: Privat

HÜNFELD 25 Jahre Mauerfall (12)

Der Weg vom Blick nach „drüben“ zum vereinten Freudentaumel

25.11.14 - Die denkwürdigen Szenen, die sich am 9. November 1989 an der Berliner Mauer und wenige Wochen zuvor – insbesondere am Abend des 30. Septembers - auf dem Gelände der Prager Botschaft abgespielt haben, berühren Rainer Neuhann noch heute. Immer, wenn der Polizeihauptkommissar, der bei der Bundespolizeiabteilung Hünfeld als Sachbearbeiter für Lage- und Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, diese Bilder im Fernsehen sieht, bekommt er eine Gänsehaut. Seine ersten Grenzerfahrungen sammelte der heute 58-Jährige, als er Mitte 1976 zur Stabshundertschaft des Hünfelder Bundesgrenzschutzes kam, nachdem er am 2. Januar 1974 seinen Dienst beim BGS in Fuldatal angetreten hatte.

Ab 1968 versperrt die Mauer die Sicht auf das benachbarte Vacha

„Unser Grenzabschnitt erstreckte sich vom Point Alpha bei Rasdorf bis Wildeck-Hönebach“, erklärt Rainer Neuhann. „Ich habe in jener Zeit häufig über die Grenze in Richtung Osten geschaut und konnte mir nicht vorstellen, dass ich jemals in meinem Leben nach Buttlar, Geisa oder Vacha gelangen würde.“ Ein bedrückendes Gefühl für den Grenzschützer, der die Thüringer auf der anderen Seite zwar wahrnahm, aber fest davon überzeugt war, sie niemals näher kennenlernen zu dürfen. „Sicherlich trafen wir häufig auf DDR-Grenzaufklärer“, erzählt er. „Allerdings haben sie – trotz kürzester Distanz – nicht mit uns geredet.“ Einem dieser Grenzaufklärer begegnete der BGSler am 12. November 1989 nahe der Hoßfeldschen Druckerei in Philippsthal-Weidenhain, nachdem sich dort die Grenze geöffnet hatte. „Wir standen uns direkt auf der Höhe des ‚Hauses auf der Grenze‘ gegenüber – das war eine komische Situation. Das war das erste Mal, dass mir ein Grenzaufklärer auf meinen Tagesgruß antwortete.“

Eine Mauer steht zwischen Philippsthal und Vacha: 1983 ist an eine Öffnung der Grenzen ...

Bereits tags zuvor verrichtete Rainer Neuhann seinen Dienst an der Grenze zwischen Philippsthal und Vacha. „An der Grenze hatten sich in den Abend- und Nachtstunden Scharen von Menschen versammelt“, erinnert er sich. „Während wir damit beschäftigt waren, per Trennschleifer das Geländer zu durchtrennen, das den direkten Kontakt zur Mauer verhinderte, versuchten die Grenztruppen, die Platten mit einem Bagger abzumontieren. "Plötzlich: Ein kräftiger Schlag mit dem Meißel durchbricht die Mauer von Ost nach West. "Die anwesenden Leute schrien vor Freude", resümiert der gebürtige Nordrhein-Westfale. "Aber auch auf thüringischem Areal hatten sich die Vachaer, die den Beginn der Karnevalszeit gefeiert hatten - es war schließlich der 11.11. - an der Grenze eingefunden."

Philippsthal-Weidenhain: Bis 1976 verläuft die Grenze mitten durch die Hoßfeldsche ...

Als die Betonelemente und Absperrungen, die jahrelang ein Volk voneinander trennten, weggeräumt waren, strömten die Vachaer in den Morgenstunden des 12. Septembers auf die Werrabrücke. Die Verbrüderungsszenen zwischen Ost und West haben sich tief in das Gedächtnis des Polizeihauptkommissars eingegraben. Glühwein, Bier, Sekt und Zigaretten wurden untereinander ausgetauscht. Wildfremde Menschen - eigentlich Nachbarn - lagen sich in den Armen. Als besonders beeindruckend empfand Rainer Neuhann den Moment, als sich West- und Ost-Kommandeur in die Augen blickten und begrüßten. „Das waren Emotionen pur.“

Endlich: In der Nacht vom 11. auf den 12. November wird die Mauer, die Philippsthal und ...

Wochen vor der Grenzöffnung verkörperte der BGS-Standort in Hünfeld einen Schauplatz für deutsch-deutsche Geschichte. Am 11. September 1989 öffnete Ungarn die Schlagbäume an der Grenze zu Österreich und setzte die Bestimmungen des Reiseabkommens mit der DDR außer Kraft. In Hünfeld trafen die ersten DDR-Flüchtlinge ein. „Unsere Kaserne fungierte kurzerhand als Zwischenaufnahmestelle“, berichtet Rainer Neuhann. „Die DDR-Bürger wurden von einer Welle der Hilfsbereitschaft überrollt. Auf unkomplizierte und unbürokratische Weise wurden Wohnungen und Arbeitsstellen vermittelt, während wir und unsere Angehörigen den Neuankömmlingen Kleidung sowie sonstige Dinge des alltäglichen Lebens zur Verfügung stellten und ein regelrechtes Netzwerk aufbauten - der BGS verfügte damals bereits über Computer, das stellte eine echte Seltenheit dar.“ Das Engagement seitens der Osthessen sei unvorstellbar gewesen. „Es war toll, dies miterleben zu dürfen.“ Im Nachgang trudelten in den BGS-Standort sogar Dankesschreiben von den neuen „West-Bürgern“ ein.

Schaut Rainer Neuhann auf diese Fülle von bedeutungsvollen Begebenheiten zurück, kann er mit Nachdruck behaupten, dass die Zeit des Mauerfalls und der Wiedervereinigung „das Tollste, Entscheidendste und Emotionalste“ darstellt, was er in seiner beruflichen Laufbahn erlebt hat. Dann führt er sich abermals die Szene vor Augen, als kurz nach dem Fall der Mauer eine osthessische Baufirma mit ihrem schweren Gerät unter den ungläubigen Blicken der DDR-Grenzer den Zaun zwischen Rasdorf-Grüsselbach und Buttlar durchbrach und den Weg teerte. Und niemand danach fragte: „Wer soll das bezahlen?“… (Stefanie Harth) +++

Inzwischen sind die BGS-Beamten damit beschäftigt, mit der Hilfe eines Trennschleifers das ...

Bald darf zusammenwachsen, was zusammen gehört: Von DDR-Seite aus wird Stein für Stein abmontiert ...

Verbindungen werden geschaffen: Kurz nach der Grenzöffnung sind die Bautätigkeiten entlang ...


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