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FULDA "Schwer erträgliche Details"

Drei Jahre und 9 Monate Haft für "falschen Polizisten" wegen sexuellem Missbrauch

06.03.15 - Drei Jahre und neun Monate Jugendstrafe lautet das Urteil, das das Landgericht Fulda am heutigen Freitag gegen einen 24-jährigen Studenten aus einer Rhöngemeinde verhängt hat. Dem jungen Mann hatte die Anklage insgesamt 25 Taten im Verlauf von 10 Jahren zur Last gelegt, bei denen Mädchen im Alter von zehn bis 17 Jahren von ihm sexuell missbraucht worden waren – in den meisten Fällen hatte er sich dafür als Polizist, Detektiv, Drogenfahnder und einmal als Schwimmbadmitarbeiter ausgegeben, um seine Opfer unter dem Vorwand, sie durchsuchen zu müssen, sexuell zu missbrauchen. Die Tatorte waren in Hofbieber, Fulda, Petersberg, Wetzlar und Kassel.

Die 2. Strafkammer sah es als erwiesen an, dass der 24-Jährige sich sowohl des versuchten als auch des vollzogenen sexuellen Missbrauchs von Kindern, meist in Tateinheit mit Amtsanmaßung, der sexuellen Nötigung, der Körperverletzung und in einem Fall der Vergewaltigung schuldig gemacht hat. Zehn der angeklagten Fälle, die der Angeklagte bestreitet, konnten ihm nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden, zwei weitere Fälle werden in getrennten Verfahren noch verhandelt werden.

Trittbrettfahrer ?

Es ist nicht ausgeschlossen, so das Gericht, dass die Fahndung per Flugblättern sowie die Berichterstattung der Medien – auch die von OSTHESSEN|NEWS – weitere Täter dazu animiert hat, sich die beschriebene Vorgehensweise zu eigen zu machen und selbst weitere Taten nach dieser „Vorlage“ zu begehen.

Wohl behütet und unauffällig

In der ausführlichen Urteilsbegründung ging Richter Joachim Becker auch auf die familiäre Herkunft und das Umfeld des 24-Jährigen ein. Wohlbehütet und ohne jede Auffälligkeit sei er aufgewachsen, habe nach dem Schulabschluss seinen Zivildienst in Wetzlar absolviert und sein Studium in Kassel aufgenommen, sei sportlich als Tennis- später als Fußballspieler und Trainer einer Jugendmannschaft sowie aktiv bei Kirmes und Karneval allseits bekannt und beliebt gewesen.

Das Gericht wertete das Aussageverhalten des Angeklagten positiv, der die meisten Taten zugegeben habe. „Ja, das war ich“, habe er sogar in den Fällen gestanden, in denen der Tatnachweis nicht habe geführt werden können. Ohne sein Geständnis wäre eine Überführung sehr schwer gewesen. „In weiten Teilen wirkte er sehr offen, hat quasi sein Inneres nach außen gekehrt“, sagte Richter Becker. Die Frage nach einer verminderten Schuld- oder beeinträchtigter Steuerungsfähigkeit wegen eines psychischen Defekts habe der Gutachter eindeutig verneint. Es seien hier „die dunklen Seiten nach vorne getreten, die jeder ins sich trägt“, formulierte der Richter.

Schwer erträgliche Detailschilderungen

Das gesamte Verfahren hatte unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden, weil der Angeklagte nach Jugendstrafrecht beurteilt wurde. Bei der Urteilsbegründung waren die Medien nun erstmals zugelassen und erfuhren in der Urteilsbegründung nur schwer erträgliche Details der einzelnen sexuellen Missbräuche. Das reichte von weniger schwerwiegenden Berührungen der bekleideten Extremitäten bis zum Eindringen mit dem Finger in den Genitalbereich, was gesetzlich als beischlafähnliche Handlung und als Vergewaltigung geahndet wird. Mehreren Opfern kam die Tatsache, dass der Täter vor zufällig vorbeikommenden Passanten flüchtete, zu Hilfe. Andere Mädchen setzten sich auch aktiv zu Wehr, schrien um Hilfe und flüchteten, doch die Auswirkungen waren wohl in allen Fällen gravierend. So war eine zur Tatzeit 9-Jährige anschließend schwer verängstigt und kann nach eigener Aussage vor Gericht auch heute - zehn Jahre nach der Tat - die körperliche Nähe von Männern kaum ertragen.

Schlimme Spätfolgen der Opfer

Die weitaus schlimmsten Folgen hat die damals 17-Jährige zu tragen, die von dem 24-Jährigen letztes Jahr in der oben beschriebenen Art vergewaltigt worden war. Sie war gerade in der Ausbildung zur Physiotherapeutin, was ihr Traumberuf gewesen sei, erklärte der Richter, „doch dieser Traum ist ausgeträumt!“ Denn körperliche Berührungen, unerlässlich für diesen Beruf, seien der jungen Frau seit der Tat nicht mehr möglich, sie befinde sich unter anderem wegen Panikattacken in dauernder psychotherapeutischer Behandlung und kleide sich betont männlich. Auch eine Zweitausbildung zur Verkäuferin musste sie abbrechen. Als der Täter im letzten Sommer festgenommen worden sei, habe die Berichterstattung wieder alles in der 17-Jährigen aufgewühlt und die Beziehung zu ihrem Freund sei daran zerbrochen. „Zwar liegen die meisten der Taten im unteren Bereich, sind aber beileibe keine Bagatelldelikte, sondern im Gegenteil ganz erheblich", führte Richter Becker aus.

Die Folgen für seine Opfer kann der 24-Jährige nie mehr rückgängig machen, auch wenn er alle „ernsthaft um Verzeihung gebeten“ hat. Den Schwerpunkt der Taten habe er im jugendliche Alter begangen, wurde die Anwendung des Jugendstrafrechts begründet. Die Haftstrafe wird (wenn sie rechtskräftig wird) der heute Verurteilte aber in einer Justizvollzugsanstalt für Erwachsene absitzen müssen, weil er inzwischen kein Jugendlicher mehr ist. Das Gericht sprach zusätzlich auch eine Empfehlung für eine Therapie während der Haft aus. Gefahr für einen Rückfall sah der Gutachter eher im unteren Bereich. Die Notwendigkeit der Therapie sehe der 24-Jährige ein, sagte Richter Becker, er habe schon in der Untersuchungshaft damit begonnen. „Bei mir stimmt etwas nicht“, habe das der 24-Jährige begründet.+++ Carla Ihle-Becker

Fotos: Klaus Dehnhard


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