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Die von Hans Hantke (rechts) gelesenen Szenen haben Maya Utermöhlen, Tobias Utermöhlen, Herbert Janßen, Pfarrer Holger Grewe, Christoph Rode mit Räuberstimme und Hanne Kleckel wunderbar umgesetzt - Fotos: Gudrun Schmidl

BAD HERSFELD Literaturgottesdienste für Groß und Klein

"Du hast ja auch deinen Wert" - Räuber Hotzenplotz muss nicht böse sein

07.03.16 - Alle kennen ihn, den Räuber Hotzenplotz - Auch die Schenklengsfelder Pfarrerin Imke Leipold und Pfarrer Holger Grewe von der Hersfelder Stadt- und Johanneskirchengemeinde schwärmen für das wunderbare Werk aus der Feder von dem Kinderbuchautor Otfried Preußler. Weil es in diesem Buch zudem vieles zu entdecken gibt, was auch Christenmenschen bedenken sollten, haben die beiden Seelsorger am Sonntag zu zwei Literaturgottesdiensten eingeladen.

Pfarrer Holger Grewe kam am Vormittag nicht im Talar – er hatte sich passend zur szenischen Lesung mit kurzer Hose, rotem Pullover und einer lustigen Kasperlmütze verkleidet. Natürlich waren auch alle anderen Charaktere da, die zu dieser Kasperlgeschichte gehören – angefangen vom Räuber Hotzenplotz (Christoph Rode), natürlich Seppel (Torsten Utermöhlen) bis hin zum gefährlichen Zauberer Petrosilius Zwackelmann und dem Wachtmeister Alois Dimpfelmoser. „Der Hotzenplotz nimmt alles mit, was ihm gefällt“, stimmt Imke Leipold die großen und kleinen Gottesdienstbesucher in der voll besetzten evangelischen Kirche auf dem Johannesberg ein, verzichtet aber auf eine lange Einführung, weil man die Geschichte kennt.

Die beginnt damit, dass der gerissene Räuber Hotzenplotz der Großmutter (Hanne Kleckel) ihre Kaffeemühle raubt, die für sie einen besonderen Wert darstellt, da Kasper und sein Freund Seppel ihr diese zum Geburtstag geschenkt haben und die Kaffeemühle das Lieblingslied der Großmutter spielen kann. Hans Hantke las die einzelnen Szenen, die von den Protagonisten zauberhaft umgesetzt wurden. Die Großmutter - zitternd vor Angst - fällt mehrmals in eine gnädige Ohnmacht, Herbert Janßen pocht in seiner Rolle als Wachtmeister Dimpflmoser auf Recht und Gesetz. Als Zauberer Zwackelzahn, wie ihn Kasperl bewusst dumm anspricht, beweist Herbert Janßen, dass er den Räuber Hotzenplotz in einen Gimbel verwandeln kann.

Einfach nur fantastisch, wie die Laienschauspieler ihre Rollen voller Spielfreude, Talent, mit Sprachgewandtheit, herrlicher Gestik und Mimik umsetzen. Die größten Bewunderer saßen in den ersten Reihen. Es waren die Kinder der Evangelischen Kindertagesstätte Johannesberg, die mit ihren Erzieherinnen den nicht ganz alltäglichen Gottesdienst musikalisch gestalteten. Zwischen ihren viel beklatschten Auftritten verfolgten sie das Geschehen konzentriert und mitfühlend. Selbst der Räuber Hotzenplotz konnte sich auf die Kleinen verlassen, denn die waren es, die ihm zuriefen, dass er seine Pistole verloren hat.

Das Vertauschen des Seppelhutes und der Kasperlmütze, falsche Fährten legen, Kartoffeln schälen und die Rettung einer Unke im Unkenpfuhl durch Feenkraut sorgte für Spaß und Spannung. Für Imke Leipold ist die Rettung der Unke die schönste Szene im Buch, denn der Kasperl lässt sich vom Schluchzen aus dem Keller anrühren und folgt, alle Verbotsschilder ignorierend, seinen eigenen, hilfsbereiten Gedanken. Die Fee Amaryllis (Maya Utermöhlen) dankt Kasperl mit einem Ring, mit dem er drei Wünsche frei hat. Zunächst wünscht er die geraubte Kaffeemühle herbei und danach für sich eine neue Kasperlmütze. Mit dem wertvollen dritten Wunsch verwandelt er den Gimpel in Dimpfelmosers Büro wieder in den Räuber Hotzenplotz zurück und erklärt es dem erstaunten Räuber so: „Du hast ja auch deinen Wert." 

Also Ende gut, alles gut? Ein eindeutiges „Nein“ formuliert Imke Leipold in ihren Gedanken zu dem Stück. „Jeder Mensch hat die Freiheit umzuschwenken, seinen bösen Willen in einen guten Willen zu verwandeln“. Das Buch passt wunderbar zu dem heutigen Wahlsonntag, merkt sie an, denn es gibt Parteien, die an den Grenzen Verbotsschilder aufstellen wollen mit der Aufschrift: „Eintritt strengstens verboten“. Viele Menschen handeln oft unmenschlich und unchristlich, anstatt Nächstenliebe und Mitmenschlichkeit zu leben. Das ist auch die Botschaft von Otfried Preußler, der in der Nazi-Zeit, in Gefangenschaft und nach seiner Freilassung „Schuld, Umkehr und Verzeihung“ erleben musste. In seinen zahlreichen, weltbekannten Kinderbüchern hat er immer die Kleinen auserkoren, diese Botschaft zu leben, denn: „Die Erwachsenen können ganz viel von Kindern lernen." Otfried Preußler ist auch der Autor des Jugendbuches „Krabat“, das die Grundlage bildet für das diesjährige Jugendstück bei den Bad Hersfelder Festspielen.

Für diesen außergewöhnlichen Literaturgottesdienst dankten die Gottesdienstbesucher mit frenetischem Applaus und Jubelrufen. Eine wunderbare, nachahmenswerte Idee, Menschen auf diese Weise generationenübergreifend mit der christlichen Botschaft zu erreichen und gleichzeitig zu begeistern. Der zweite Gottesdienst findet am späten Nachmittag im evangelischen Gemeindehaus in Wippershain statt. (Gudrun Schmidl) +++

Pfarrerin Imke Leipold ist mit Literaturgottesdiensten bestens vertraut


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