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Corinna POHLMANN und Janina STOPPER: "Täter sind auch Menschen"
27.07.16 - Corinna Pohlmann hebt das Glas, lacht herzlich und laut. Dieses Lachen hört man überall und das war es auch, woran ihre Kollegin Janina Stopper sie schon in der Schauspielschule stets erkannte. "Ich hab dich immer lachen gehört", sagt die 27-Jährige heute zu ihrer gleichtaltrigen Kollegin und die sieht sie ungläubig an, bevor es dann wieder kommt, das herzliche Prusten und Kichern. Zwar waren die beiden jungen Schauspielerinnen auf der Schule in unterschiedlichen Jahrgängen, doch Kontakt hatten sie während ihrer Zeit auf der Filmuniversität in Babelsberg bereits. Als sie beide Rollen bei den Bad Hersfelder Festspielen bekamen griff Janina Stopper zum Telefon und rief ihre Kollegin an und nun freuen sich die beiden jeden Tag über die tolle Zusammenarbeit, nicht nur miteinander, sondern auch mit dem Rest des stimmigen Ensembles von "Hexenjagd".
Wir haben alle ein hohes Interesse aneinander", sagt Corinna Pohlmann. Daher verbringt das Ensemble in Bad Hersfeld auch abseits der Bühne viel Zeit miteinander. Und wer nun glaubt, dass es dann immer nur um die Arbeit geht, irrt. "Wir reden gar nicht so viel über Schauspiel und das ist angenehm, weil es oft so ist, dass du denkst 'Wir haben ja auch noch ein Leben daneben'." Und auch Janina Stopper schätzt die Stimmung in Bad Hersfeld sehr. Kürzlich reiste sie sogar mit einigen Kollegen nach Paris. "Wenn man Leute hat, bei denen man man selbst sein kann, ohne das Schauspiel, dann ist das etwas ganz Besonderes", sagt sie. Mit ihren Fingern untermalt sie auf dem Tisch vor sich ihre Worte, hat ein leichtes Lächeln auf den Lippen.
Beide Frauen sind begeistert von ihrer bisherigen Zeit in Bad Hersfeld. Es sei toll, auf so engem Raum mit allen zusammen zu sein. Immer wieder grüßen sie während des Interviews vorbeilaufende Kollegen, freuen sich erkennbar, sie zu sehen. Bei vielen Engagements gebe es das nicht. Wenn man zum Beispiel dort Dreharbeiten habe, wo man wohnt, dann seien nach dem Dreh alle schnell verschwunden. Doch sei man gemeinsam in einer anderen Stadt, bringe das zusammen. "Hier kommen wir miteinander klar. Es ist so, als ob man alle schon seit Ewigkeiten kennt. Oft spürt man Konkurrenz, aber hier vermischt sich alles", erzählt Stopper. "Wir sind darauf angewiesen miteinander auszukommen und das ist schön, weil man ein bisschen zur Menschlichkeit gezwungen wird", ergänzt ihre Kollegin.
Täterinnen
Menschlichkeit ist auch eine Eigenschaft mit der "Hexenjagd" die beiden Schauspielerinnen auf besondere Weise konfrontiert. Das Stück zeigt laut Corinna Pohlmann ganz archaische Themen: Rache, Liebe, Schuld, Versuchung. Und im Wirrwarr der dieser Gefühle geht die Menschlichkeit manchmal verloren, weil Einzelne nicht mehr zurück können. Janina Stopper empfindet ihre Rolle der Mary Warren, Dienstmädchen bei Familie Proctor und Teil der Mädchengruppe, als eine Figur in eben diesem Zwiespalt. "Mary ist beides zugleich. Einerseits eine der "Täterinnen", die Unschuldige anklagt, andererseits wird sie dann auch zum Opfer, nachdem sie alles verrät. Sie wird sich im Laufe des Stückes bewusst, was sie und die anderen Mädchen angerichtet haben und ist in dem moralischen Zwiespalt sich einerseits selbst zu schützen und andererseits das Morden Unschuldiger durch die Wahrheit zu verhindern." Rädelsführerin Abigail stellt Darstellerin Corinna Pohlmann vor große Herausforderungen. "Was ich versuche, ist zu zeigen, dass sie ein Mensch ist, der in Abhängigkeiten geraten ist und der eigentlich keinen anderen Weg gehen kann als diesen", sagt sie.
Beide mögen es, Täterfiguren zu spielen, denn sie haben den Ehrgeiz zu zeigen, dass es um mehr geht, als um Schuld. Für Corinna Pohlmann bringt die Beschäftigung mit jeder dieser Figuren das Gefühl, die Welt ein bisschen besser zu verstehen. Janina Stopper beschäftigen die Täterfiguren besonders, da sie sicher ist, dass jeder Täter auch einmal ein Opfer war und sie die Menschlichkeit hinter den Figuren zeigen möchte. In ihre Rolle zu schlüpfen ist keine leichte Aufgabe und dennoch eine, für die sie sehr dankbar ist. Sie merke, dass sie das auch abseits der Bühne beeinflusse. Ganz gelöst ist sie während ihres Engagements selten, dafür gehen ihr Mary und die Geschichte zu nahe. "Ich habe das Gefühl ich muss mich da immer wieder reinschmeißen." Nachdenklich blickt Janina Stopper Corinna Pohlmann an, die das sichtbar nachvollziehen kann.
Der Kampf um das Loslassen
Am Ende eines Engagements - egal ob beim Film oder im Theater - müssen die beiden wieder aus ihren Rollen herauskommen. Während man beim Film genau auf den Punkt arbeiten müsse, könne man beim Theater wunderbar einen Bogen spannen, findet Pohlmann. Zudem bieten die immer wieder neuen Aufführungen die Möglichkeit, jeden Abend aufs Neue zu überzeugen und zu probieren. Reizvoll finden die beiden jungen Frauen dennoch beide Genres. Ist ein Engagement vorüber, wie auch in wenigen Tagen die "Hexenjagd" in Bad Hersfeld, haben die Schauspielerinnen ihren jeweils eigenen Weg, weiter zu ziehen. Janina Stopper sortiert ihre Zeit jedes Mal neu. „Bei Theater- und Filmproduktionen hat man zeitliche Strukturen, die ganz klar von anderen vorgegeben werden und das fällt plötzlich weg“, erklärt sie. Dann müsse man sich immer wieder selbst finden, schauen, wie der Alltag vorher war. Ein bisschen, so beschreibt sie es, ist das wie eine Trennung von einem Partner mit dem man viel Zeit verbracht hat. Materiell schließt sie Projekte ab, indem sie sich zum Beispiel bei Filmen von den Büchern trennt. Sie sind abgeschlossene Projekte im Gegensatz zu Theaterbüchern. Letztere bleiben, denn möglicherweise werden sie wiederaufgenommen oder sie spielt die Rolle erneut.
Corinna Pohlmann muss sich, besonders nach sehr tiefgehenden Rollen, oftmals wieder definieren. "Mir ist es schon passiert, dass ich nicht loslassen konnte und ich mich wirklich neu sortieren musste. Als hätte man sich selbst verloren über dieser Arbeit und muss die Reststücke der eigenen Identität zusammenklauben und wieder neu zusammensetzen." Für Janina Stopper und Corinna Pohlmann sind ihre Geschichten ihre Theater-Realität. "Jede Geschichte, die wir als Team erzählen ist Wahrheit und wenn ich nicht mehr in der Lage bin, das als Wahrheit anzunehmen, dann brauche ich auch nicht mehr ins Theater zu gehen", sagt Pohlmann. Mit ihren 27 Jahren haben die beiden schon viele Schicksale erzählt. Kein Wunder also, dass sie sie auch irgendwie wieder abschütteln müssen - all diese Geschichten bei sich zu behalten, das geht wohl auch nicht.
"Hexenjagd" läuft noch bis zum 31. Juli jeden Abend. Für alle vier Aufführungen sind noch Karten erhältlich. (Sabrina Ilona Teufel) +++