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Engagiert, auch im Gespräch: Hans Heinrich März blickt zurück auf ganz viel Leben in und mit der Schule, ihren Menschen, ihren Chancen und ihren Tücken. - Fotos: Privat

ALSFELD „Ich wollte hier nie weg!“

Hans Heinrich März verlässt nach 40 Jahren die Schulbühne – ein Portrait

11.08.17 - „Ach, den hatte ich auch!“ Fast kein Vater oder keine Mutter, die ihre Schulzeit an der Albert-Schweitzer-Schule verbracht hat und deren Kinder inzwischen auch wieder dort sind, kommt um diese Feststellung herum. Die Rede ist von Hans Heinrich März, seines Zeichens Lehrer für Mathematik und Physik an der Albert-Schweitzer-Schule, vierzig Jahre lang im Amt. Nun geht diese Ära zu Ende: Zum Schuljahresende ging März in den Ruhestand – das neue Schuljahr startet ohne ihn. In einem Gespräch blickt er nicht nur auf ein umtriebiges Lehrerleben zurück, sondern auch auf wechselhafte schulpolitische Zeiten, technische Entwicklungen und eine ganz andere Schülerschaft. Konstant war über die vier Jahrzehnte im Schuldienst eigentlich nur er selbst: Engagiert als Lehrer, als Gewerkschafter, als Erneuerer und Initiator, war er bis zum Ende seiner Schulzeit ein Fels in der Brandung, geschätzt für seinen Einsatz, mitunter auch gefürchtet, weil er auch unangenehmen Diskussionen nicht aus dem Weg ging.

Gewerkschaftsarbeit als ein Schwerpunkt

In Asbach (Kreis Hersfeld) geboren, in Marburg studiert, führte ihn sein Weg direkt nach dem Studium an die Albert-Schweitzer-Schule. Liebe auf den ersten Blick irgendwie: „Es passte einfach – die Schule, das Kollegium. Als Anfänger wurde ich hier gleich für ‚vollgenommen‘.“ Die Begegnung auf Augenhöhe innerhalb des Kollegiums ist für März ein Pfund geblieben, mit dem die Schule bis heute wuchern kann: „Ich wollte hier nie weg.“ Dabei stieß er als Gewerkschafter in einem Schulapparat der späten 70er- und frühen 80er-Jahre nicht nur auf Entgegenkommen. Und hat dennoch dieses Engagement sehr früh in den Schulbetrieb eingebracht – zum Nutzen der Kolleginnen und Kollegen. „Mir ging es dabei nie um Polarisierung oder gar um Klassenkampf“, führt März aus, „was mir wichtig war, war das Wohl der Schule.“ Und so war es ihm stets ein Anliegen, bei allen Belangen einen gemeinsamen Nenner mit der Schulleitung zu finden – was im Lauf der Jahre auch meist gelang. „Bei allen Diskussionen, auch den strittigsten, hat mir geholfen, dass ich Persönliches und Dienstliches gut voneinander trennen kann“, resümiert März. Schon früh war er im Personalrat – auf fast dreißig Mitgliedsjahre brachte er es, zuletzt zwölf Jahre als Vorsitzender. Bei den vielfältigen Ergebnissen aus dieser Zeit ist ihm besonders wichtig, das BEM-Verfahren, das Lehrerinnen und Lehrern im längeren Krankheitsfall besondere Möglichkeiten zur individuellen Wiedereingliederung in den Arbeitsalltag einräumt, zusammen mit der Schulleitung als inzwischen normales Instrument der Personalführung eingeführt zu haben. Seinen Posten im Personalrat gab er im vergangenen Jahr mit Blick auf den bevorstehenden Ruhestand auf und bedauert, dass die gewerkschaftliche Arbeit heute nicht mehr den Stellenwert hat, den sie mal hatte. Lehrer wie Schüler seien im Lauf der Jahre viel unpolitischer geworden, so seine Wahrnehmung. Auch die Schülervertretung schöpfe ihre Möglichkeiten längst nicht so aus, wie sie es könnte, und habe auch viel weniger Interesse an politischen Themen als noch vor Jahren oder gar zu Anfang seiner Lehrtätigkeit.

Zeuge von vierzig Jahren Schulpolitik und Begleiter von vier Direktoren

März hat viele Entwicklungen kommen und gehen sehen. Schulpolitisch von großer Bedeutung war die Zeit der Förderstufe: Diese Schulform war in den 80er-Jahren flächendeckend im Vogelsberg eingeführt, und März war wie viele seiner Kolleginnen und Kollegen an die Förderstufen der umliegenden Schulen abgeordnet. Die Erfahrungen aus dieser Zeit konnte er später, als die flächendeckende Förderstufe wieder abgeschafft wurde, sehr zugunsten der Schule einsetzen, als er ein neues Eingangsstufenkonzept mitentwickelte. Die Bildung von Klassenleitungsteams, Eltern-Info-Veranstaltungen und Elterneinbindung, Koordinationstreffen, Jahrgangskonferenzen – viele Neuerungen stieß der rührige Pädagoge an. Weiterentwickelt wurde dieses Konzept später um die Einrichtung der Erlebniswanderwoche unter präventiven und sozialen Aspekten sowie der Waldtage der 5. Klassen, die sich dort als neugegründete Gruppen unter waldpädagogischer Anleitung von Christof Croonenbrock vom Forstamt Romrod zusammenfinden.

Natürlich bedarf dieses Engagement einer engen Abstimmung mit der Schulleitung. Die letzte Hälfte seiner Laufbahn teilte März mit der amtierenden Schulleiterin Elisabeth Hillebrand, in den zwanzig Jahren zuvor lernte er drei weitere Schulleiter kennen: „Als ich anfing, war Jürgen Flechtner noch Schulleiter, Konrad Rüssel sein Stellvertreter. Unter Rüssel als späterem Schulleiter startete unter anderem das Eingangsstufenkonzept. Jürgen Udo Pfeiffer lernte ich eineinhalb Jahre lang als Interimsschulleiter kennen, bevor 1998 Elisabeth Hillebrand Schulleiterin wurde.“ Mit ihr hielten viele Veränderungen Einzug an der Albert-Schweitzer-Schule - Schule veränderte und verändert sich in diesen Zeiten rasend schnell: Der Weg zur ganztägig arbeitenden Schule mit einer ausgeklügelten Mittagsbetreuung wurde beschritten, zwischenzeitlich musste der Wechsel zu G8 und wieder zurück zu G9 gemanagt werden, und auch die sozialen Anforderungen an die Schule wuchsen. Viele Herausforderungen der schulischen Arbeit ging Hans Heinrich März mit. Nicht nur in einer seiner vielen Funktionen, sondern als engagierter und interessierter Pädagoge, der die Schule zum Wohl von Schülerinnen und Schüler als auch von Lehrerinnen und Lehrern mitentwickeln wollte. So ist beispielsweise die Errichtung einer professionellen Schulsozialarbeit mit sein Verdienst. „Mit Wolfgang Weiser von der Fachstelle für Suchtprävention holte ich erstmals einen außerschulischen Partner hinzu – der Beginn einer wirklich kreativen und zugewandten Schülerarbeit, dem Kooperationen mit dem Café Online – der Stelle für schulbezogene Jugendarbeit –, mit Schulpsychologen und externen Pädagogen folgen sollten.“

Ebenfalls im Blick: Leseförderung und Technik

Auch mit einem ganz anderen Projekt machte März sich einen Namen und hinterlässt eine breite Spur: Die Leseförderung passt zwar nicht ganz zur Fächerkombination, die März unterrichtete, war ihm aber eine Herzensangelegenheit. „Mit Hans Späth (ASS) und Margret Gerschlauer von der Max-Eyth-Schule (MESA) hatte ich zwei tolle Mitstreiter dafür“, blickt er zurück, auch auf die etwas wilden Anfänge, als er beispielsweise mit Beständen der geschlossenen Kreisbildstelle eine eigene Medienabteilung in der KJB (Kreisjungendbücherei an der MESA und der ASS) eröffnete oder seinen Bestand mithilfe von Buchbestellungen der Schülerinnen und Schüler aufstockte: „Es gab einen Verlag, der bot deutlich verbilligte Bücher an – ein Angebot, das ich den Kindern gerne zukommen ließ. Sie bestellten über mich ihre Bücher, ich bekam dafür ein bestimmtes Budget vom Verlag, mit dem ich Bücher für die Büchereien anschaffen konnte.“ Die stattliche Summe von mehr als 15.000 Euro für Literatur hat März mit den Jahren umgesetzt und damit sicherlich viele Schülerinnen und Schüler zum Lesen gebracht. Auch räumlich gesehen war der Weg zur Mediathek und der KJB ein kleines Abenteuer: „Am Anfang hatten wir ein paar gnädig zur Verfügung gestellten Regale in irgendwelchen Funktionsräumen oder gar Vorräumen“, erinnert er sich. Heute ist die Schulbibliothek die drittgrößte Bücherei im Vogelsberg. Kaum zu glauben, dass dies auch mithilfe von Fotowettbewerben finanziert werden musste, weil anfangs kaum ein Budget dafür zur Verfügung stand.

Sehr interessant für eine Vier-Jahrzehnte-Betrachtung ist auch die technische Entwicklung: Angefangen hat März 1978 mit Schreibmaschine, Overhead-Projektor und Druckmatrizen. Vierzig Jahre später ist er im Zeitalter von Active- und Whiteboards angekommen, von WhatsApp-Gruppen und dem Computer als ganz normalem Medium sowohl im Unterricht und der Arbeitswelt als auch privat. Neuerungen auf diesem Gebiet hat er nie gescheut. Schmunzelnd nimmt er allerdings jetzt zur Kenntnis, dass ganz offenbar auch die gute alte Tafel – neudeutsch „Greenboard“ – wieder Einzug in viele Klassenräume hält.

In weiser Voraussicht hat März für viele seiner Funktionen Nachfolger gesucht und gefunden: Er weiß Personalrat, Schulbibliothek und das Wettbewerbswesen im mathematischen Bereich in guten Händen. Obwohl er nie wegwollte, ist der Zeitpunkt für ihn jetzt gut. Und was macht nun so einer, dessen Tage so unglaublich ausgefüllt waren, dessen Leben zu einem riesigen Stück die Schule prägte und bestimmte. „Ich habe drei Projekte“, so – nicht sonderlich überraschend – die strukturierte, planvolle Antwort: „1. Enkel, 2. Garten, 3. Aktien.“ Wer Hans Heinrich März kennt, weiß, dass er diese Projekte erfolgreich und zielgerichtet über die Bühne bringen wird. (pm) +++


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