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SCHLÜCHTERN "Deutscher Boden duldet keine Knechtschaft"

Museumskurator Kling referiert über die europäische Dimension der Brüder Grimm

16.10.17 - Die wissenschaftlichen Werke der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm lesen sich bisweilen wie eine europäische Kulturgeschichte. Doch hatte ihr Wirken auf dem Weg zu einer deutschen Kulturnation tatsächlich europäische Dimensionen? Dieser Frage ist der Grimmforscher und Museumskurator Burkhard Kling beim Monatstreffen der Europa-Union im Schlüchterner Stadthotel auf den Grund gegangen.

Vor allem im Volks- und Kunstmärchen sah Kling eine verbindende Klammer der Kulturen. So habe als Vorlage für „Aschenputtel“ die französische Märchensammlung von Charles Perrault „Cendrillon“ gedient. Das Rotkäppchen sei hier als „Le petit chaperon rouge“ erschienen, Dornröschen sei „La belle au bois dormant“.

Weitere fremde Quellen hätten in den Kinder- und Hausmärchen Platz gefunden wie die Novellen des Giovanni Francesco Straparola aus dem 16. Jahrhundert. „Das Wort Märchen kommt vom mittelhochdeutschen „maere“ und bedeutet Kunde oder Nachricht. Es handelt sich um kurze mündlich weitergegebene Texte und diese treten in allen Kulturkreisen auf.“ Es sei den Grimms weniger um die Worte der edierten europäischen Literatur gegangen, sie hätten Sprache und Dichtung stets in ihrer historischen Dimension betrachtet.

Schon früh hätten sie zu Gelehrten, Schriftstellern und Künstlern in ganz Europa Netzwerke aufgebaut. So sei Jacob Grimm Mitglied der keltischen Akademie in Paris gewesen. Er habe sich wiederum dafür eingesetzt, dass Théodore Claude Henri Hersart de la Villemarqué korrespondierendes Mitglied der Akademie der Künste in Berlin wurde. Vor allem Jacob Grimm, der 16 Sprachen beherrschte, hatte wissenschaftliche und literarische Arbeiten aus dem Tschechischen, Dänischen, Russischen oder Serbischen übersetzt und editiert.

Die philologischen Leistungen der Grimms hätten erheblich zur nationalen Bewusstwerdung der Deutschen beigetragen. Kling erinnerte dabei an die Teilnahme an dem Protest der Göttinger Sieben und den Auftritt Jacob Grimms in der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche, in denen er seinen berühmten Antrag zu den Grundrechten stellte. „Das deutsche Volk ist ein Volk von Freien und deutscher Boden duldet keine Knechtschaft.“ Immer wieder komme in den Arbeiten der Grimms dieser bürgerlich-liberale Ansatz zum Tragen.

Wichtige Impulse seien von den Sprachforschern für die Entstehung nationaler Philologien ausgegangen. Kling nannte hier beispielsweise das Kalevala-Epos, das den Grundstein zu einem finnischen Nationalbewusstsein gelegt habe, oder das Igor-Lied, das in der slawischen Welt eine wichtige Rolle spiele. So habe sich Fedor Ivanovich Buslajev ausdrücklich auf Jacob Grimms „Deutsche Mythologie“ berufen, die er auf ostslawische Verhältnisse übertrug. Die russische Sprache sei seiner Meinung nach nur in Verbindung mit den übrigen indoeuropäischen Sprachen erfassbar. (kel) +++


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