Archiv
Die beiden haben den Durchblick: Andreas Sauer und Erika Mechler - Fotos: Arnulf Müller

FULDA Wir zeigen ’s Ihnen...

Ist das Stadt-Archiv langweilig? Erika Mechler und Andreas Sauer vor Ort

16.02.18 - Erika Mechler und Andreas Sauer haben für die Februar-Ausgabe der Zeitschrift 'Seitenwechsel' das Fuldaer Stadt-Archiv besucht und berichten, was sie dort entdeckt haben:

Erika: Was ein Archiv ist, wusste ich nicht. Das war wieder mal was Neues!

Andreas: Beate Kann hat uns sehr freundlich begrüßt. Sie arbeitet dort und hat auch schon viel in der Geschichte von antonius geforscht. Sie hat sogar ein Buch darüber geschrieben. Dann kam Dr. Heiler dazu, das ist der Leiter des Stadtarchivs.

Archivleiter Dr. Thomas Heiler zeigt seine Schätze

Beate Kann erklärt, welche Dokumente gelagert werden

Erika: Wenn ich jetzt so richtig überlege – also der weiß wirklich überall Bescheid!

Andreas: Im Stadtarchiv werden Schriftstücke archiviert: Dokumente und Bilder, Geburtsurkunden, Bauanträge: alles, was so aufgeschrieben wurde. In 1994 war z. B. die Landesgartenschau in Fulda. So was wird alles aufgehoben – für ewig. Wir haben uns dann die erste Ausgabe der Fuldaer Zeitung von 1874 angeschaut. Die alten Zeitungen sind auf solchen Filmspulen aufgerollt.

Erika: Da steht ein großes Lesegerät, das hat ein rundes Ding auf der einen Seite und eins auf der anderen. Dazwischen ist der Film eingefädelt.

Andreas: Die Originalzeitung gibt es dort auch irgendwo, aber die bekommt man nicht in die Hand, weil das Papier so brüchig und dünn ist. Herr Heiler hat uns dann erklärt, wo die Sachen fürs Archiv herkommen. Die meisten Akten werden im Stadtschloss hergestellt. Wenn jemand bauen will, muss er zum Stadtbauamt. Da stellt er einen Bauantrag und es gibt eine Baugenehmigung. So entsteht eine Bauakte. Oder das Friedhofsamt. Wenn jemand stirbt, wird auch eine Akte hergestellt. Gesammelt wird aber nur das, was in Fulda passiert, nicht in den Gemeinden drumherum.

Erika: Also die in Hofbieber müssen das selbst aufheben.

Andreas: Das mit dem Aufheben ist so eine Sache. Wenn die Akten von der Stadtverwaltung kommen, muss erst mal das Metall raus, also die Abhefter, damit das nicht rostet. Auch die Büroklammern müssen ab.

Erika: Sonst nimmt das Papier Schaden und kriegt braune Flecken.

Stöbern,

staunen,

kurbeln

Andreas: Die haben eine eigene Abheftmethode: Statt Eisen nehmen sie spezielle Kunststoffhalter. Wenn die Akten neu abgeheftet sind, kommen sie in Archivkartons. Die Kartons sind alle streng nach Nummern sortiert, damit es kein Durcheinander gibt. Sonst heißt es: Auf Nimmerwiedersehen!

Erika: Genau, das ist der Knackpunkt!

Andreas: Im Archiv werden aber nicht nur Akten gesammelt. Es gibt auch Zeitungen, wo etwas Interessantes von Fulda drinsteht. Oder im Internet bei Osthessen-News. Die filtern das raus quasi. Wenn jetzt ein schweres Unglück passiert, wird der Bericht aufgehoben. Frau Kann hat gesagt, dass auch unser Magazin ins Archiv kommt. Da kommt einfach alles rein: Welche Geschäfte und Firmen es gibt, auch Lohnlisten, um zu sehen, was die Leute so verdient haben. Und Fotografen sind wichtig, damit man sehen kann, wie die Stadt ausgesehen hat. Wir haben uns Schwarzweißbilder vom Hubert Weber angeschaut. Das war der Zeitungsfotograf von Fulda.

Mit Brief, aber ohne Siegel

18.000 Archivkartons auf 4 Kilometern Regalböden lagern im Gewölbekeller des Stadddtschlosses ...

Erika: Da haben wir auch gesehen, wie das Antoniusheim mal aussah. Wie die Tische in der Schule standen. Und wie früher die Betten aussahen. Die waren weiß.

Andreas: Und standen sehr eng! Also für mich waren die Bilder erschreckend.
Erika: Ich habe gedacht: Wenn die so eng stehen, kommt der Nachbar gar nicht gut aus seinem Bett raus.

Andreas: Auch Privatleute bringen Sachen ins Stadtarchiv. Das nennt man einen Nachlass. Da sind dann z. B. auch Poesiealben dabei. Manchmal kaufen sie auch Dokumente bei Ebay. Sie interessieren sich für alle Zeiten. Herr Heiler hat gesagt, dass Fulda alle Kriege miterlebt hat, den Dreißigjährigen Krieg, den Ersten Weltkrieg. Deswegen haben sie auch die Kriege archiviert. Er hat uns dann das älteste Dokument gezeigt: eine Tierhaut aus dem Jahr 1295. Da hat König Adolf von Nassau den Fuldaern versprochen, dass sie für ein Jahr keine Steuern bezahlen müssen. Ein handschriftliches Versprechen also. Das hat man natürlich aufgehoben. Ich konnte die altdeutsche Schrift nicht lesen. Nur das F von Fulda.

Erika: Aber der Dr. Heiler kann das.

Andreas: Er hat ein geschultes Auge. Bei einem anderen Stück Pergament habe ich ihn gefragt: Wie teuer ist das, wenn man es heute kaufen würde? „Umgerechnet ungefähr 2000 Euro“, hat er gesagt. Für ein Stück Tierhaut! Da musste der Schreiber unheimlich aufpassen und durfte keine Fehler machen. Der Schreiber brauchte zwei, drei Tage für die eine Seite. Er hat die Buchstaben richtig schön ausgearbeitet in feinsten Linien. Heute ist das so: Wir schreiben etwas, und es wird sofort wieder zerknüllt. Ab in den Papierkorb und tschüss! Herr Heiler hat uns noch ein Schriftstück aus richtigem Papier gezeigt und gefragt: „Wie alt schätzt ihr das?“ 17. Jahrhundert, habe ich gesagt. Es war aber schon um 1400. Das war überraschend, denn das Papier war sehr weiß und viel besser als das Papier von den Zeitungen.

Erika: Wir durften es sogar anfassen. Das macht dem nichts.

Andreas: Dann hat er es gegen das Licht gehalten und man konnte das Wasserzeichen sehen, einen Ochsenkopf. So ein Wasserzeichen war für die Papierhersteller wie ein Firmenlogo. Daran kann man heute ablesen, wie alt das Papier ist. Danach sind wir zur Einlesemaschine gegangen, wo die Zettel digitalisiert werden. Das ist wie ein großer Fotoapparat. Im Stadtarchiv liegen fünfzig Millionen einzelne Zettel! Alles zu digitalisieren ist unmöglich. Sie beschränken sich auf das Wichtigste. Herr Heiler muss immer entscheiden, was er ins Archiv aufnimmt. Das ist verantwortungsvoll. Wenn Leute mit Wäschekörben voll Dokumenten kommen, wird aussortiert.

Erika: Das, was er nicht will, wird geschreddert.

Andreas: 80 % kommen weg, hat er gesagt. Er überlegt sich dabei immer, was die Kunden interessieren könnte. Dass ist eine Mammutaufgabe für den Archivar. Es gab auch eine schöne Aktion – da möchte ich mich besonders bedanken, dass er uns hat kurbeln lassen. Wenn man kurbelt, rollen die Archivschränke vor und zurück.

Erika: Damit man die nicht immer schieben muss.

Andreas: Also wenn die Frau Kann etwas Wichtiges sucht, irgendwas vom Bauamt oder so, dann sieht sie im Computer eine Nummer, geht dann ans Regal und sucht den Karton mit der Nummer drauf. Und damit sie da ran kommt, muss sie kurbeln. Sie muss sich eine Lücke erkurbeln! Mit Handarbeit! Zum Schluss hat Herr Heiler noch ein Highlight präsentiert. Wir sollten doch bitte über die Straße zum Stadtschloss gehen. Ich fand das megacool, denn ich wollte noch mehr sehen. Wir gingen durch ein Tor, dann mussten wir die Treppen runter und kamen in einen riesigen Gewölbekeller. Ich kam aus dem Staunen nicht heraus, noch mal ganz große Archivlagerschränke mit Kurbeln. Da hat er uns erzählt, dass die Gesamtlänge der Regalböden 4 km beträgt! Also wenn man die alle nebeneinander legen würde. 18.000 Kartons werden da gelagert mit 200.000 Akten drin.

Erika: Er hat erzählt, dass es da unten mal geschimmelt hat. Da mussten sie eine Lüftung einbauen.

Andreas: Im Gewölbekeller liegen die Sachen sehr sicher. Im Krieg haben sich die Menschen von Fulda auch dort versteckt. Also mir war heute überhaupt nicht langweilig, aber ich habe im Stadtarchiv das Prinzip der Langweiligkeit entdeckt, also im dem Sinne, dass da alles aufgehoben ist. Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Die Langeweile ist da aufgehoben. Diese vielen Kartons! Das erschlägt einen, diese ganzen Geschichten von früher. Aber wenn man sich die Sachen anguckt, dann wird aus der Langeweile heraus das bunte Leben wieder aufgefrischt! Dem Herrn Heiler ist nie langweilig. Die Bürger, die nicht wissen, was da vorgeht, sagen: „Ist das langweilig!“ Aber das bunte Leben spielt da.

Erika: Also da erinnere ich mich jetzt an den Jürgen von antonius – um das mal im Bild darzustellen. Der läuft immer rum. Er kommt und dann geht er wieder weg. Dann wird es nicht lange dauern, und er sucht sich wieder einen anderen Weg. Ich denke schon, dass er Langeweile hat. Gut, wenn er die Zeit nicht rumkriegt, guckt er in die Zeitung.

Andreas: Erika, das können wir nicht alles aufschreiben! Nur das Wichtigste! Also ich würde gerne mal ins Stadtarchiv gehen und was über meine Urgroßeltern herausfinden. Die sind schon lange tot, das Grab wurde auch schon beseitigt. Aber die waren ja nicht von Fulda.

Erika: Wir wollen uns herzlich bedanken. Ihr habt eure Sache sehr gut gemacht! Das hat uns sehr fasziniert und interessiert. Ich möchte mich auch für meine Geburtstagszeitung bedanken!

Andreas: Ja, es war ein sehr schönes Erlebnis, durch die verschiedenen Epochen zu gehen. Einfach mal diese Zeitzone zu erleben, was alles Fulda geprägt hat. Ich bedanke mich auch für die Zeitungskopie von meinem Geburtstag von 1986. Vielen Dank auch an Frau Kann, die hat uns auch sehr gut begleitet! Macht weiter so, sammelt schön weiter. Es wird nicht langweilig mit der Zeit.+++(Protokolliert von Arnulf Müller)


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