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Sonia Rudolph - im Herzen für immer Französin - Foto (1): Gudrun Schmidl

BAD HERSFELD Inspiriert von eigener Lebensgeschichte

Lockerer Austausch in französischer Sprache - Sonia Rudolph ist Ideengeberin

03.03.18 - Wer die geschmackvoll eingerichtete Wohnung von Sonia Rudolph betritt, fühlt sich sofort an die Provence erinnert. Die Räumlichkeiten verströmen Wärme, Licht und Leichtigkeit, all das, was die gebürtige Französin so schätzt. „Ein wunderschönes Fleckchen Erde“, schwärmt die 66-Jährige, die die Provence als Urlauberin sehr gut kennt. Geboren wurde sie in einem kleinen französischen Dorf am Fuße des Juragebirges, nahe an der Schweizer Grenze. Dort wuchs sie mit ihrer Schwester Eleonore auf und besuchte ab dem fünften Lebensjahr eine Ganztagsschule bis zum Jahr 1964, als ihre Eltern entschieden, nach Deutschland zu ziehen.

Symbolbild: pixabay

Ihr Vater Friederich, genannt Fritz, ein gebürtiger Erdmannröder, ist nach der Kriegsgefangenschaft in Frankreich geblieben. Ihre Mutter Sonja Elisabeth, aus Mannheim stammend, lernte nach ihrem Umzug nach Frankreich den Deutschen kennen. Sie heirateten 1949. Der Vater verdiente als Fernfahrer den Lebensunterhalt für die Familie, die die gute Gemeinschaft mit den Franzosen zu schätzen wusste, denn der Krieg war in den Köpfen noch immer präsent. Nach einem Besuch in Deutschland aus dem traurigen Anlass einer Beerdigung, entschied sich das Ehepaar, aufgrund des höheren Wirtschaftsniveaus fortan in Deutschland zu leben.

Für Sonia Rudolph ein Kulturschock, der sie regelrecht traumatisiert hat. „Ich sprach kein Wort Deutsch, war damals modischer gekleidet als die Mädchen im Dorf und mit dem deutschen Lebensstil nicht vertraut“, erinnert sie sich und ergänzt: „Ganz schlimm war, dass wir sogar als dreckige Franzosen beschimpft wurden“. Sie hatte sechs Monate Zeit, um die neue Sprache zu lernen, denn die Eltern drängten sie, eine Arbeit anzunehmen. „Einen Ausbildungsplatz ohne Schulabschluss zu finden war damals unmöglich“. Schließlich verdiente sie ihr erstes Geld als Laufbote bei einem Hersfelder Zahntechniker. „Es war sehr hart, obwohl es in kleinen Schritten bergauf ging. Trotzdem wollte ich immer zurück nach Frankreich“.

Doch das Schicksal hatte zunächst andere Pläne mit der jungen Französin. 1970 lernte sie ihren Mann Gerhard Rudolph kennen und lieben, den sie drei Jahre später heiratete und von da an mit ihm im Ludwigsauer Ortsteil Rohrbach lebte. Sohn Michael und Tochter Tina machten das Familienglück im eigenen Haus perfekt. Sonia Rudolph war neben ihren familiären Verpflichtungen immer berufstätig, arbeitete viele Jahre bei der damaligen Firma Hoechst in Bad Hersfeld, wo sie zusätzlich im Personalbüro als Übersetzerin von Briefen oder der in Französisch verfassten Bewerbungen von Bewerbern mit tunesischen und marokkanischen Wurzeln gefragt war. Acht Jahre lang arbeitete sie bei dem Online-Händler Amazon als Versandmitarbeiterin, wo sie mit zusätzlichen Aufgaben unter anderem im Betriebs- und Aufsichtsrat betraut wurde und sich an vorderster Front für die Belange der Belegschaft einsetzte. „Du gehst ran wie die Franzosen“, staunten die Kolleginnen und Kollegen. Tatsächlich scheut Sonia Rudolph keine Konfrontation, macht Nägel mit Köpfen und sagt ehrlich ihre Meinung. „Was nicht allen gefällt“, weiß sie.

1996 veränderte sich ihr Leben mit der Gründung des deutsch/französischen Partnerschaftsvereins Ludwigsau-Changé. „Aus Neugierde ging ich zum ersten Gründungsgespräch, als 2. Vorsitzende ging ich nachhause“. Fortan konnte sie ihre französischen Sprachkenntnisse wieder auffrischen und auch ihre Reisen nach Frankreich wurden intensiviert, viele neue Freundschaften bereicherten ihr Leben. Ihre freundschaftliche Beziehung zu ihren französischen Schulkameradinnen und Schulkameraden in ihrer „ersten Heimat“ hat sie immer gepflegt. „Sonia, du bist mehr Französin als die hiesigen Französinnen“, hört sie immer wieder. „Meine Familie ist noch sehr bekannt in meinem Geburtsort“, freut sie sich.

Da sie ihren ungewollten Wegzug 1964 über all die Jahre nicht verarbeiten konnte, zog Sonia Rudolph nach dem Tod ihres Mannes zurück nach Frankreich in die Region Burgund und blieb acht Jahre. Hier spürte sie auch nach, ob ihre Eltern damals den richtigen Weg eingeschlagen haben, ohne an ihre Kinder zu denken. Ihr Fazit: „Jein! Es gibt tatsächlich ein Für und ein Wider, schon allein der Mentalität wegen“. Im vergangenen Jahr ist Sonia Rudolph, inzwischen dreifache Oma, nach Deutschland zurückgekehrt. Die Sehnsucht nach ihrer Geburtsregion, wo sie so gut durchatmen kann wie sonst nirgends, ist geblieben.        

Sonia Rudolph engagiert sich weiterhin im Partnerschaftsverein Ludwigsau-Changé, hat aber darüber hinaus einen runden Tisch für frankophone und frankophile Menschen aus Bad Hersfeld und der Region ins Leben gerufen. Ein erstes „Schnuppertreffen“  fand am 7. Februar im Buchcafé statt. Offenbar hat sie damit den Nerv vieler Menschen getroffen, die eine Möglichkeit zum lockeren Austausch in französischer Sprache gesucht und hier nun eine Möglichkeit gefunden haben. Es kamen Menschen zusammen, die Land, Leute, die französische Lebensart und  Sprache lieben, die geschäftliche Beziehungen mit Franzosen pflegen, dort studiert oder gelebt haben, die französische Sprache unterrichten, Frankreich als Urlaubsland schätzen und auch befreundete Mitglieder des Ludwigsauer Partnerschaftsvereins.

Das Buchcafé in Bad Hersfeld, Am Brink, ist ein Ort der Kommunikation - auch in französischer ...Archivfoto: Gudrun Schmidl

Es waren aber auch Interessierte da, die in diesem Kreis die französische Sprache erlernen wollten. „Wir bieten keinen Sprachunterricht an“, betont Sonia Rudolph, die auf gute Gespräche in wechselnden Kleingruppen und auch gemeinsame Aktivitäten wie etwa das Boule-Spiel setzt. Sie kann sich außerdem vorstellen, gemeinsam die französische Küche zu genießen, von der sie ein „großer Fan“ ist. Am „table ronde“ sind noch Plätze frei. Wer sich angesprochen fühlt, ist am Mittwoch, 7. März 2018, ab 19.30 Uhr herzlich in einen ruhigen Nebenraum des Buchcafés eingeladen. (Gudrun Schmidl) +++


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