Archiv
- Fotos: Carina Jirsch

REGION Warum ist das Wappen seitenverkehrt?

Kostbarer Sammlerschrank restauriert - kurioser Zeitungsfund hinter dem Spiegel

19.03.18 - Ein außergewöhnliches Prachtstück dominiert zur Zeit die Restaurierungswerkstatt von Jörg Büchner am Fuldaer Luckenberg. Der mannshohe Schrank ist mit einem vergoldeten Messinggitter verziert und diente seinem ursprünglichen Besitzer August Wilhelm von Braunschweig-Wolfenbüttel (1662 bis 1731), für den er gebaut wurde, zur sicheren Aufbewahrung und Präsentation seiner Elfenbeinsammlung. Heute gehört er zum Inventar von Schloss Fasanerie in Eichenzell. Monatelang hat Jörg Büchner sich intensiv mit diesem kostbaren Möbel auseinandergesetzt, über seine Geschichte geforscht, eine Voruntersuchung und Schadenskartierung vorgenommen, um dem Auftraggeber, der hessischen Kulturstiftung, unter anderem einen detaillierten Kostenvoranschlag vorlegen zu können.

Josephin Karrer zeigt das Innenleben des kostbaren Stücks

Aus ihrem Besitz stammt der Sammlerschrank: Kronprinzessin Victoria, die spätere ...

Mittlerweile kennt der Restaurator jedes Detail des Objektes besser als seine Hosentasche. Mit einem Skalpell hat er zum Beispiel an einer unsichtbaren Stelle eine klitzekleine Holzprobe genommen, um sie unter dem Mikroskop zu bestimmen, er hat den zweigeteilten Korpus des Schrankes komplett auseinandergebaut und dabei jede Schraube und jedes kleine Nägelchen in beschriftete Tüten sortiert. Hinter der äußeren Tür mit dem Metallgitter, das wie ein Vorhang wirkt, befindet sich eine weitere verglaste Schranktür, durch die man die Sammelobjekte diebstahlsicher bewundern konnte – und auch in Zukunft kann. 

Diese "antike" Zeitung war gegen hinter dem Spiegel verborgen Foto: Jörg Büchner

Die äußere Verglasung und auch die Verspiegelung innen mussten entfernt und gereinigt werden. "Da haben wir einen spannenden Fund gemacht", berichtet der Restaurator. Offenbar hatte jemand verhindern wollen, dass die lockeren Spiegel klapperten und deshalb mit Zeitungspapier nachgeholfen. Eine Recherche ergab, dass es sich um die Seiten einer Berliner Zeitung mit einer besonders schönen Werbung für wollene Beinkleider ("keine faule Reklame!") handelt.

Es sind Baumwoll-, keine Samthandschuhe, aber die Funktion ist dieselbe ...

Der Inventarstempel der Kaiserin

Das vergoldete Gitter ist auch auf der Innenseite graviert

Der schöne Schrank kam durch einen Tausch in den Besitz von Kronprinzessin Victoria, der späteren Kaiserin Friedrich, was man auch an ihrem Inventarisierungsstempel auf der Rückseite ablesen kann. Als sie um 1880 von Berlin ins Kronberger Schloss umzog, nahm sie auch den kostbaren Sammlerschrank mit. Heute steht er - gefüllt mit chinesischem Porzellan - im Kleinen Saal von Schloss Fasanerie, wo er jetzt pünktlich zur Museumseröffnung am 27. März "generalüberholt" präsentiert werden kann.

Rätselhafter Fehler in Front

Josephin Karrer

Einen rätselhaften Fehler hat Jörg Büchner in der kunstvoll verzierten Front entdeckt: Das dort abgebildete Wappen des Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel ist seitenverkehrt, wie sich heraldisch leicht nachweisen lässt. "Was den Künstler da geritten hat, ist mir schleierhaft – der Herzog kannte ja wohl sein eigenes Wappen", wundert sich Büchner. Vielleicht gab es ja ein Pendant mit dem gespiegelten Wappen und die beiden Schränke bildeten so ein klappsymmetrisches Ensemble? Nein, das kann sich Dr. Miller nicht vorstellen, denn dann hätten auch die Tür und deren Schlüsselschild auf der linken Seite angeschlagen sein müssen. Vielleicht liegt die Erklärung ganz einfach in der menschlichen Natur, der stetiger Perfektionismus einfach nicht gegeben ist. "Der Künstler hat sich womöglich aus Versehen an einem Modell orientiert, das seitenverkehrt war", vermutet auch Dr. Miller. Und der Auftraggeber, der den Fehler ganz sicher bemerkt hat, war so großmütig, das fertige Werk trotzdem zu akzeptieren – wer weiß. Die Vergoldung des Messinggitters war jedenfalls im Lauf der Jahre oxidiert und musste aufwendig gereinigt und anschließend mit Wachs konserviert werden.

"Wilde Männer" umrahmen das seitenverkehrte Wappen

Ein letzter Kraftakt steht noch bevor: Verpackung und Transport des wertvollen Möbels. Wie bei einem rohen Ei muss dabei vorgegangen werden – und ganz ohne Hektik. "Sieben Stunden hat diese Prozedur allein gedauert", erinnert sich Büchner an die Vorbereitung der Restaurierung. Natürlich ist der Fachmann gegen allerlei Unbill versichert - aber 'Dappigkeit' gehört nicht dazu – die wäre fahrlässig.

Zeitungsfund wieder hinter dem Spiegel versteckt

Die alten Fundstücke der Berliner Zeitung sind übrigens nach Abschluss der Arbeiten wieder hinter dem Spiegel "versteckt" worden. Warum? "Wenn wir sie getrennt irgendwo im Museum aufbewahren würden, könnte der Fundort später irgendwann vermutlich nicht mehr zugeordnet werden", erklärt Dr. Miller. "Und so hat irgendein anderer Restaurator in vielen Jahren auch wieder seinen Spaß", ergänzt Jörg Büchner. (Carla Ihle-Becker)+++


Über Osthessen News

Kontakt
Impressum

Apps

Osthessen News IOS
Osthessen News Android
Osthessen Blitzer IOS
Osthessen Blitzer Android

Mediadaten

Werbung
IVW Daten


Service

Blitzer / Verkehrsmeldungen Stellenangebote
Gastro
Mittagstisch
Veranstaltungskalender
Wetter Vorhersage

Social Media

Facebook
Twitter
Instagram

Nachrichten aus

Fulda
Hersfeld Rotenburg
Main Kinzig
Vogelsberg
Rhön