Lehrer warnen: Ressourcenknappheit gefährdet Zukunft des Nachwuchses

24.05.18 - Lehrer sollen die intellektuelle Zukunft des Landes sicherstellen - und klagen über chronische Überlastung: mehr Kinder pro Klasse, fachfremde Aufgaben und schlecht ausgebildete Aushilfskräfte zehren an den Nerven. Die Bildungsgewerkschafts-Kreisverbände Fulda und Hünfeld schlagen deswegen jetzt Alarm: Bürokratie und Mangelwirtschaft gefährdeten vor allem die Zukunft des Nachwuchses.

Cornelia Barby ist seit 20 Jahren Förderschullehrerin, inzwischen für die inklusive Beschulung an der Biebertalschule in Hofbieber zuständig. In der Heinrichstraße in Fulda steht sie mit Lehrerkollegen, um auf die veränderten Bedingungen im Schulalltag aufmerksam zu machen: "Die Klassengrößen spiegeln inzwischen hauptsächlich Notwendigkeiten, nicht Bedürfnisse wider: An meiner kleinen Förderschule werden in der Grundstufe, den Klassen 1 bis 6, in einem Klassenraum 13 Kinder unterrichtet.

Kundgebung in der Heinrichstraße

In der einzügigen Hauptschule sind es auch 13 Kinder, Förderschüler sind aber wesentlich betreuungsintensiver. Mir steht maximal eine Förderstunde pro Kind oder gar Kleingruppe in der Woche zur Verfügung. Damit soll ich dann Lerndefizite aufarbeiten. Für den Austausch mit den Regelschullehrkräften bleibt kaum noch Zeit - jeder kämpft für sich allein am Kind. Aber viele Lehrer meinen, es wäre ihre Aufgabe, diese Widersprüche irgendwie aufzulösen, um dem System gerecht werden zu können."

Mit Luftballons stehen die Lehrer im Nieselregen vor dem DGB-Haus, den idealistischeren Forderungen geht die Pragmatik voraus: "Bevor der Umbruch kam, hatte der große Teil der Lehrer auch Lehramt studiert und war verbeamtet. Mit Verträgen wurde schon früher gearbeitet - wenn das Staatsexamen gefehlt hat, bei Vertretungskräften. Inzwischen wird alles eingestellt, was einen Stift halten kann - und häufig wird später nicht nachstudiert. Dabei ist die Qualifikation der Lehrer gerade im Grundschulbereich wichtig: Alle Probleme, die auf das Bildungssystem zustürmen, ballen sich in der Grundschule zusammen. Trotzdem haben Grundschullehrer die schlechteste Besoldung: A 12. Und die Kollegen sind am Limit: Die Zahl der Stunden, die über schlecht ausgebildetes Personal abgedeckt wird, um Ausfälle zu kompensieren, hat sich im Landkreis Fulda extrem erhöht. Inzwischen müssen manche Kollegen Aufgaben von Sonderschulpädagogen übernehmen - und haben für diese Kinder teilweise nur zwei Stunden die Woche zur Verfügung. Das weiß die Bevölkerung auch nicht", erklärt die Fuldaer Gewerkschafterin Ingeborg Keil. 

Die Bildungsgewerkschaft fordert bundesweit 500 Millionen Euro, um die Lehrbedingungen vom Kinderhort bis in die Hochschule zu verbessern. 80 Millionen davon sollen unter anderem für Arbeitszeitverkürzungen der Lehrer verwendet werden. "Wir müssen uns nebenbei noch um andere Aufgaben kümmern können. Ein Lehrer unterrichtet heute nicht mehr nur die Klasse, er schreibt Förderpläne, arbeitet mit Institutionen zusammen, berät die Eltern. Die unterschiedlichen Förderbedarfe unter einen Hut zu bekommen ist eine Herausforderung: Manche Eltern wollen, dass ihr Kind am besten schon in der Grundschule aufs Abitur vorbereitet wird, andere haben mit ihrem Nachwuchs vor der Einschulung noch kein Wort Deutsch gesprochen. Wir brauchen mehr Lehrer, um diesen Herausforderungen begegnen zu können. Damit eine vielfältige Gesellschaft funktionieren kann, darf es nicht zu Selektionen im Bildungssystem kommen. Schülerinnen und Schülern nicht-deutscher Herkunft müssen die gleichen Möglichkeiten bekommen. Mit unzureichenden Ressourcen kann die Inklusion nicht funktionieren", so Keil. (Marius Auth) +++