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Das Freibad in Schotten mit seiner Riesenrutsche - Foto: Volker Rühl

SCHOTTEN Personalengpass im Freibad

Eingeschränkte Öffnungszeiten: trübe Aussichten für die Zukunft

15.06.18 - „Warum öffnen die denn erst um 9 Uhr? Sonst ging es doch immer schon um 8 Uhr los“. Zwei verwunderte Frühschwimmer mit gepackten Badetaschen stehen vor den verschlossenen Türen der Freibadkasse. Die Entscheidung der Verwaltung, die dort mit Hinweis auf personelle Engpässe ausgehängt ist, können sie nicht nachvollziehen. Man ist „not amused“. Ein klärender Anruf bei den zuständigen Wirtschafts- und Versorgungsbetrieben der Stadt Schotten (WVS) bringt Aufschluss.

Von den drei Bademeistern oder Fachangestellten für Bäderbetriebe, wie sie offiziell heißen, ist einer dauerhaft ausgefallen. Die beiden verbleibenden Kollegen können die langen Öffnungszeiten von 8 Uhr morgens bis 20 Uhr abends zuzüglich der täglichen Vor- und Nachbereitungsarbeiten nicht allein schultern. Sie wären ja dazu bereit, aber die Arbeitszeitgesetzgebung spricht dagegen. Der Job ist viel zu verantwortungsvoll, um den unter bestimmten Voraussetzungen erlaubten Zehnstundentag beliebig zu verlängern. Immerhin endet der Einsatz nicht am Freitagmittag wie in der übrigen Verwaltung. Nein, am Wochenende geht der Besucheransturm in aller Regel erst richtig los.

Freibad Schotten fordert Doppelbesetzung

Nach zwölf Arbeitstagen muss es aber auch mindestens zwei freie Tage geben. So verlangt es der Gesetzgeber. Und ein paar Tage Erholungsurlaub sind ohnehin frühestens im Herbst möglich. Die vor einigen Jahren eigens erstellte Risikoanalyse für das weitläufige und daher so beliebte Schottener Freibad mit seinen drei Becken fordert eine Doppelbesetzung in Zeiten mit erhöhtem Besucheraufkommen. Dies lässt sich mit den beiden Auszubildenden gerade so hinbekommen, seitdem diese das silberne Rettungsabzeichen abgelegt haben. Doch bei Berufsschulbesuchen in Friedberg und an Ausbildungstagen bei der Bäderbetriebsgesellschaft (BBG) Fulda wird die Lage richtig eng. Da springen dankenswerterweise hin und wieder ein Bauhofkollege mit silbernem Rettungsschwimmabzeichen oder ein anderer Freiwilliger mit entsprechender Ausbildung ein, um die Stammkräfte zu unterstützen.

„Es ist eine tägliche Gratwanderung, die Wasseraufsicht innerhalb der Öffnungszeiten sicherzustellen und dabei die gesetzlichen Vorschriften einzuhalten“, beschreibt WVS-Betriebsleiter Dirk Schneider die Personalkalamität im Bad. „Wir haben die Öffnungszeiten im Mai und Anfang Juni bereits vorübergehend um täglich eine Stunde verkürzen müssen, sonst wäre es gar nicht gegangen. Und in Zukunft werden die diesbezüglichen Probleme vermutlich noch dramatischer werden.“

Baywatch-Traumjob?

Mehrere meist bundesweite Ausschreibungen in den letzten Jahren verliefen allesamt mit wenig Erfolg. Der Schwimmmeistermarkt ist wie leergefegt. Berufsnachwuchs fehlt. Keiner hat mehr Lust, am Beckenrand zu stehen und zu arbeiten, wenn andere Ferien machen – im Schichtdienst und an Wochenenden. Offene Stellen gibt es reichlich – 2.000 laut einer Erhebung aus dem vergangenen Jahr. Doch der Baywatch-Traumjob des braungebrannten Supermanns im weißen Höschen hat seinen einstigen TV-Glanz längst verloren. Zu hohe Verantwortung, zu folgenschwer die Konsequenzen bei Unglücken, zu umfangreich die Aufgabengebiete. Die Sicherheit der Schwimmer ist zwar oberstes Gebot in diesem Beruf, aber nur ein Teil des Jobs. Die Fachkräfte sind darüber hinaus zuständig für Pooltechnik und Wasserhygiene, was den gewissenhaften Umgang mit dem gefährlichen Chlorgas einschließt. Sie sollen kleinere Verletzungen behandeln, Streit schlichten, für so etwas wie „Ruhe und Ordnung“ im Wasser, an den Beckenrändern, an Großrutsche und der Sprunganlage, auf Liegeterrassen und Beach-Volleyball-Feld sowie im Rest der Anlage sorgen.

Auch müssen sie in besucherfreien Zeiten – also insbesondere vor und nach den täglichen Öffnungszeiten – Filter spülen, die Beckenböden säubern, Rasen mähen, Hecken schneiden und kleinere Reparaturen durchführen. Die Stadt Schotten hat die prekäre Entwicklung im Personalbereich schon früh erkannt, verlässt sich nicht mehr auf den Fachkräftemarkt und bildet seit 2012 in enger Zusammenarbeit mit der BBG Fulda eigenen Nachwuchs aus. Immerhin gehen zwei langjährige Mitarbeiter in den nächsten Jahren nahezu zeitgleich in den Ruhestand. Doch eine Bleibegarantie gibt es auch bei den jungen Kräften nicht. Viel zu begehrt sind geeignete Bewerber auch in anderen Bädern. Nach abgeschlossener dreijähriger Ausbildung – im Wesentlichen auf Kosten der Stadt – und bestandener Abschlussprüfung haben sie die Lizenz in der Tasche, sich hinsichtlich des Einsatzortes neu zu orientieren. Eine Verpflichtung, dem Ausbildungsbetrieb auch für die Zukunft die Treue zu halten, besteht nicht. Und die Verlockungen seitens anderer Badbetreiber tun ihr Übriges.

Beliebter Arbeitsplatz: Hallenbad

Besonders beliebt sind zweifellos die Hallenbäder, weil dort der Arbeitsbereich im Vergleich zum Freibad deutlich begrenzt ist, es eine ganzjährige Beschäftigung gibt und der Einsatz im städtischen Bauhof während der kalten Jahreszeit mit Winterdienst und Ähnlichem entfällt. Allerdings gibt es nach den Worten von Bürgermeisterin Susanne Schaab durchaus auch positive Aspekte: Das selbständige Arbeiten im kleinen Team und ein abwechslungsreiches Aufgabenfeld in einer breit aufgestellten Verwaltung, die dem Nachwuchs bei Interesse im Winterhalbjahr neben dem städtischen Bauhof auch andere Einsatzmöglichkeiten biete.

Aufgrund der ganzen Entwicklung muss mittelfristig mit stundenweisen Einschränkungen beim Badebetrieb bis hin zu Ruhetagen wie etwa in der Gastronomie gerechnet werden, so die WVS-Betriebsleitung. Düstere Aussichten, also für die zurzeit noch großzügig bemessenen Öffnungszeiten. Hoffnung auf schnelle Besserung? Fehlanzeige. (pm) +++


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