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BAD HERSFELD Das Spiel von Wahrheit und Lüge

Mit Henrik Ibsens Peer Gynt begannen die 68. Bad Hersfelder Festspiele

10.07.18 - Mit Henrik Ibsens Peer Gynt begann gestern die 68. Bad Hersfelder Festspiele. Ein sommerlicher Festspielabend wie aus dem Bilderbuch bot dem Eröffnungsstück der diesjährigen Festspiele den optimalen Rahmen. Intendant Joern Hinkel ist mit Peer Gynt als Eröffnungsstück sicher nicht den einfachen Weg gegangen, nachdem er Anfang des Jahres nach dem Rücktritt Dieter Wedels die Intendanz der Festspiele übernommen hatte. Den einfachen Weg sicher nicht, aber einen richtigen, vielleicht den einzig richtigen.

Henrik Ibsens dramatisches Gedicht Peer Gynt dreht sich um das Spiel von Wahrheit und der Lüge, um die Kraft des Authentischen und des Erdachten. Damit ist es nicht nur zeitlos wie viele großen Dramen der Theatergeschichte, es präsentiert sich in der Inszenierung von Robert Schuster auch als durchweg aktuelles Stück. Die Macht der Informationssammler, der Nachrichtenmacher und Influencer bestimmt die gegenwärtige Alltagswelt wie nie zuvor. Im Internet werden Realitäten vermittelt und erschaffen und im Darknet üben die Trolle unserer Zeit ihre alles durchdringende Macht aus. Digitale Welten sind von Analogen nicht mehr zu unterscheiden und wir laufen Gefahr den Kontakt zum Authentischen vollends zu verlieren, wenn wir den Unterschied zwischen News und Fake-News nicht mehr erkennen, und darüber hinaus auch nicht mehr wissen, ob wir mit unseren Sinnen die wirkliche Welt erleben oder ihr gefaketes Abbild.

Henrik Ibsens dramatisches Gedicht Peer Gynt dreht sich um das Spiel von Wahrheit und ...Fotos: Erich Gutberlet

Robert Schuster hat Peer Gynt auf ein Kreuzfahrtschiff verfrachtet, so vermittelt ...

Robert Schuster hat Peer Gynt auf ein Kreuzfahrtschiff verfrachtet, so vermittelt es jedenfalls die erste Szene seiner Inszenierung. Hersfeldpreisträger Christian Nickel verkörpert in der Titelrolle einen smarten Selbstdarsteller, der seine Mitmenschen mit seinen Träumen und Geschichten in den Bann zieht und Frauen wie die geheimnisvolle Anitra (Anouschka Renzi) um den Finger wickelt.

Doch die Inszenierung verführt die Zuschauer ebenso wie die Geschichten Peers und nach und nach wird klar, dass wir uns nicht in einer illustren Reisegesellschaft befinden, die von der Animateurin Kari (Ute Reiber) unterhalten wird, sondern dass es sich bei der eloquenten und medienerfahrenen Frau Dr. Begriffenfeldt (Nina Petri) um die Direktorin eines Irrenhauses handelt, in dem sich die Insassen in ihren Traum- und Fantasiewelten tummeln. Und nicht nur die, denn die Animateurinnen schaffen es auch, das Publikum am Tanz der Irren zu beteiligen, was zugegebenermaßen manchem der distanzierteren Premierengäste etwas schwerer fiel, ebenso wie der Schlussapplaus, ich nehme es vorweg, dem der Sturm der Begeisterung fehlte, obwohl er durchaus anerkennend, wertschätzend und ehrlich war. Aber das kann ja noch werden, denn es stehen ja noch eine Reihe von Aufführungen an.

Die faszinierende Bühnentechnik mit zwei beweglichen Großbildschirmen und Videofilmen (Torge Möller), die dynamisch in das Bühnenspiel einbezogen werden, es ergänzen, erweitern, überzeichnen und um eine Handlungsebene ergänzen. Mutter Aase (Nina Petri in Doppelrolle) oder Peer als Kind, verkörpert durch eine Puppe, gespielt von Gloria Iberl-Thieme fügen die Perspektive auf das innere Kind des erwachsenen Peer hinzu und schaffen Raum für psychologische Deutungsansätze oder die Freiheit sich einfach Illusion und Wirklichkeit in harmonischem Miteinander hinzugeben.

Die Bad Hersfelder Stiftsruine ist eine authentische Bühne, das gehört zu ihren Stärken. So echt, dass sie auf vieles verzichten kann, was eine Theaterbühne im Allgemeinen ausmacht: ein aufwendiges Bühnenbild, komplizierte Lichttechnik und vor allem, einen Vorhang, denn die Bühne in der Stiftsruine hat nichts zu verstecken. Sie ist offen und einsehbar. Hier gelingt das Spiel mit Sein und Schein nur, wenn man diese Offenheit offensiv behandelt, bis in den Zuschauerraum ausdehnt und das Publikum mitnimmt in das Spiel. Deshalb berühren und überzeugen die Bad Hersfelder Inszenierungen immer wieder. Man ist mitten drin, umgeben von schützenden, nicht abgrenzenden Klostermauern, wie es Intendant Joern Hinkel in seiner Rede zur Eröffnung der Festspiele betonte.

Robert Schusters Inszenierung des Peer Gynt als Eröffnungsstück der Bad Hersfelder Festspiele weist den Weg des neuen Intendanten Joern Hinkel, auf den er das gesamte Ensemble mitnimmt. Deshalb vereinte er das gesamte Festspielteam beim Festakt zur Eröffnung als Chor auf der Bühne, eine Geste die auf den Punkt bringt, was ihm wichtig ist: Miteinander, emotionale Verbundenheit und Authentizität. Hoffen wir, dass auch das Publikum diesen Weg mitgeht. (Klaus Scheuer) +++

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