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Mit Handschellen wir der 36-Jährige in den Gerichtssaal geführt - Fotos: Julius Böhm

FULDA / ROTENBURG/F. 24 unklare Minuten

Totschlagsprozess: Ex-Frau erdrosselt oder Opfer falscher Handy-Ortung?

27.07.18 - Das wichtigste Indiz der Staatsanwaltschaft ist die Auswertung der Handydaten des 36-Jährigen, der wegen Totschlags vor dem Fuldaer Landgericht angeklagt ist. Sie sagen, er sei genau zu der Zeit in der Nähe der Wohnung seiner Ex-Frau gewesen, als diese erdrosselt wurde. "Das kann nicht sein", so der Angeklagte, "diese Daten müssen falsch sein." Die Aussage des Angeklagten klingt wie die eines liebevollen und inzwischen verzweifelten Familienvaters - nicht wie die eines Mörders.

Demnach war es die zweite Woche der Herbstferien, als der Angeklagte mit seinen beiden Kindern (6 und 8) und seiner Mutter einen Ausflug in die Feengrotten im thüringischen Saalfeld machte. Auf dem Heimweg stoppten sie im McDonalds Bebra. Die Ex-Frau hatte eine Nachricht geschrieben. Außerdem war ein Anruf in Abwesenheit auf dem Handy des Angeklagten. Er ruft zurück und kündigt an, wenig später vorbeizukommen und den Schulranzen der Tochter holen zu wollen. "Wir wollten noch ein wenig lernen", sagt der 36-Jährige im Gerichtsaal. Es ist 19:02 Uhr.

Er macht sich mit Mutter und Kindern auf den Weg nach Seifertshausen, um sie dort an seinem Wohnhaus abzusetzen. "Die Kinder wollten mit der Oma ihre Serie schauen." Die Rosenheimcops, immer dienstags um 19:25 Uhr. Er fuhr, wie angekündigt, zur Wohnung seiner Ex-Frau in Lispenhausen. Für die acht Kilometer braucht man unter zehn Minuten. Inzwischen ist es 19:20 Uhr, sagt er.

Die Eltern und die Schwester des Opfers treten als Nebenkläger auf

Seine Ex-Frau, die seit Juni 2017 getrennt von ihm lebt, überreicht Schulranzen und eine Schaumstoffpistole für den Sohn. Nach kurzem Plausch - ohne Streitigkeiten und gegen 19:40 Uhr - macht er sich auf den Rückweg. Vorher aber fährt er noch bei einem Freund vorbei, um ihm Geld zu bringen. 70 Euro für eine kleine Reparatur am Auto.

Kurz nach 20 Uhr kommt er zu Hause an. "Ich kann die Zeit so genau benennen, weil die Serie noch lief", erklärt er, "also habe ich noch eine geraucht und auf die Kinder gewartet. Dann haben wir uns bettfertig gemacht, ich habe noch eine Geschichte vorgelesen und dann haben wir gemeinsam im großen Bett geschlafen." Um 22:30 Uhr klingelt die Polizei.

Neuauswertung der Handydaten beantragt

Warum aber sprechen die Handydaten eine andere Sprache? Einen echten Reim darauf kann sich der 36-Jährige nicht machen. Sein Verteidiger Harald Ermel, der auch schon den Kannibalen von Rotenburg vertrat, hat eine Neuauswertung der Daten beantragt. "Es kann nicht sein. Ich war zu 100 Prozent zu Hause bei den Kindern", sagt der Angeklagte.

Er wirkt sichtlich angeschlagen, die Vorwürfe und das Verfahren setzen ihm zu. Vor allem aber die Trennung von seinen Kindern. Unter Tränen berichtet er von zwei Selbstmordversuchen. Bei einer Vernehmung sprang er aus dem dritten Stock der Polizeistation. In der Untersuchungshaft schnitt er sich die Pulsadern mit einer Rasierklinge auf. Immer dann, wenn er Mitteillungen bezüglich seiner Kinder erhielt. Dass er sie lange nicht sehen würde und dass es ihnen emotional nicht gut ginge.

"Ich wollte mit meiner Frau nicht mehr zusammenleben, aber sie war noch immer die Mutter meiner Kinder und ein Teil der Familie. Wie soll ich denn alleine für zwei Kinder sorgen?", fragt er in Richtung Richter Josef Richter, "das weiß ich bis heute nicht." 19:53 bis 20:17 Uhr. Das sind die 24 entscheidenden Minuten, die den 36-Jährigen belasten. (Julius Böhm) +++


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