Archiv
Im Amtsgericht Hünfeld - Foto: Marius Auth

HÜNFELD Gespann für 150.000 Euro gestohlen

Von Burghaun in den Irak: Mit Drogen vollgepumpt zur Tat gezwungen?

15.08.18 - Ein 62-jähriger Litauer wurde am Dienstag am Amtsgericht Hünfeld zu einem Jahr und drei Monaten Haft wegen Beihilfe zur Unterschlagung verurteilt. Eine Sattelzugmaschine aus Burghaun fand sich samt Kühlauflieger plötzlich an der irakischen Grenze wieder, nur mit viel Glück und Hilfe von Privatdetektiven konnte das Gespann im Wert von 150.000 Euro wiedergewonnen werden. Vor Gericht erzählte der Angeklagte, dass er von einer kriminellen Bande mit Drogen und Gewaltandrohungen gefügig gemacht wurde und nur als Handlanger tätig war. Nach monatelangen nervenaufreibenden Nachforschungen werden die Geschädigten wohl auf ihren Kosten sitzen bleiben.

In Litauen begann für den Angeklagten S. im Jahr 2017 nach eigener Aussage eine wahre Odyssee: Der Arbeitslose wurde angesprochen, ob er nicht in Deutschland arbeiten wolle. Mit sechs weiteren Litauern wurde er nach Berlin gefahren und musste dort sein letztes Geld abgeben. Arbeit gab es nicht. In der Bahnhofsmission bekam er Essensmarken, dort wurde er von einem Russen angesprochen: Wenn er Arbeit wolle, müsse er mit ihm nach Osnabrück kommen. In der niedersächsischen Stadt wurde er in ein Zimmer gebracht, dort bekam er alle zwei Wochen Essen geliefert, gegen seinen Willen wurden ihm Drogen verabreicht, um ihn gefügig zu machen. Ein albanischer Aufpasser hinderte ihn an der Flucht.

Er habe nur arbeiten wollen, so der Angeklagte vor Gericht - stattdessen seien ihm immer wieder Papiere zum Unterschreiben vorgelegt worden. Eines davon: der Mietvertrag für eine Sattelzugmaschine des Typs Mercedes Actros im Wert von 90.000 Euro, die bei der Firma Ebert in Burghaun auf dem Hof stand. Geschäftsführer Stefan Ebert erläuterte vor Gericht, wie der ungewöhnliche Kontakt zustande kam: "Wir inserieren die Angebote auf unserer Website. Eine Person mit der Vollmacht des Angeklagten hat die Sattelzugmaschine bei uns angeschaut und abgeholt, nachdem die Mietkaution gezahlt worden war." Dass der Fahrer mit Vollmacht erscheine, sei in der Branche nicht ungewöhnlich, die Kaution sei aber wegen des Erstkontakts auf 4.900 Euro festgesetzt worden. Bagger, Nutzfahrzeuge und Arbeitsbühnen stehen im Fuhrpark, von Burghaun aus werden die Maschinen eingesetzt. Für die Nutzung außerhalb von Europa ist eine Sondergenehmigung erforderlich.

Im September 2017 klingelt das Telefon bei Stefan Ebert: Krone Fleet, ein niedersächsischer Vermieter von Sattelaufliegern, hat einen seiner Kühlauflieger per GPS an der türkisch-syrischen Grenze geortet. Die Mercedes-Zugmaschine von Ebert ist damit verbunden. Der meldet den Diebstahl bei der Kriminalpolizei, doch die Bande hat vorgesorgt: "Der Fahrer hatte gefälschte Zolldokumente auf den Namen des Angeklagten dabei, die beweisen sollen, dass er der Besitzer ist", so Ebert. Krone Fleet hat eine Niederlassung in der Türkei und schaltet Privatdetektiv und Anwalt ein, um den Kühlauflieger und die Sattelzugmaschine nach Deutschland zu bekommen. Erst nach vier Monaten steht die Mercedes-Zugmaschine wieder in Burghaun. Nur durch Glück: "Die türkisch-syrische Grenze war zu dem Zeitpunkt seit Tagen dicht, die Lkw am Grenzübergang haben sich gestaut. Sonst hätten wir unser Eigentum wahrscheinlich nie zurückbekommen", erklärt Kim Raun, Geschäftsführer von Krone Fleet.

Die geplatzten Überweisungen sowie die Rückholung haben die Firma Ebert rund 11.000 Euro gekostet, Krone Fleet gar 15.000 Euro. Vor Gericht wird klar, wie und warum der Angeklagte von der Bande eingesetzt worden sein könnte. Hauptkommissar Stefan R. aus Osnabrück: "In einem Reihenhaus im ehemaligen Industrieviertel von Osnabrück sind mindestens 25 Menschen aus Osteuropa gemeldet - eine reine Scheinadresse. Eine undurchsichtige Wohnbaugesellschaft fungiert als Vermieter, das erschwert die Ermittlung der Identität." Warum er denn so leichtgläubig gewesen sei, all die Schriftstücke zu unterschreiben, wenn er doch nur arbeiten wolle, fragte Staatsanwalt Michael Craß. Der Verteidiger gab zu bedenken, dass Bildungsstand und Krankheitsgeschichte seines Mandanten berücksichtigt werden müssten: Nach der ersten Klasse habe dieser die Schule nicht mehr besucht, bereits in Litauen seien Schizophrenie und weitere psychische Auffälligkeiten diagnostiziert worden.

Richter Johannes Winter sah die beschriebene Gefangenschaft des Angeklagten als unglaubwürdig an. Wegen Beihilfe zur Unterschlagung wurde der Angeklagte zu einem Jahr und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. (Marius Auth) +++


Über Osthessen News

Kontakt
Impressum

Apps

Osthessen News IOS
Osthessen News Android
Osthessen Blitzer IOS
Osthessen Blitzer Android

Mediadaten

Werbung
IVW Daten


Service

Blitzer / Verkehrsmeldungen Stellenangebote
Gastro
Mittagstisch
Veranstaltungskalender
Wetter Vorhersage

Social Media

Facebook
Twitter
Instagram

Nachrichten aus

Fulda
Hersfeld Rotenburg
Main Kinzig
Vogelsberg
Rhön