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Gitte Haenning - Foto: Jim Rakete

SCHLÜCHTERN Auftritt am Freitag in der Stadthalle

Gitte und der Draht zum Universum: Die dänische Sängerin im Interview

21.08.18 - Die große deutsche Diva Marlene Dietrich hat ihr 1963 zum Sieg bei den Schlagerfestspielen in Baden-Baden gratuliert. Sie traf Jazz-Legenden wie Nina Simone und Ray Charles. Und sie hat mit dem famosen Rio Reiser gearbeitet. Die dänische Sängerin Gitte Haenning ist ein Phänomen. Seit über 60 Jahren schreibt sie Erfolgsgeschichte im Showgeschäft und wird am 24. August mit ihrer Band in der Stadthalle Schlüchtern gastieren. Dorothee Müller vom Schlüchterner Kulturverein KUKI sprach mit der leidenschaftlichen Künstlerin, die vor kurzem 72 wurde.

Frage: Sie sind Dänin und leben seit vielen Jahren in Berlin. Was mögen sie an der Bundeshauptstadt? Und vermissen sie etwas an Dänemark?

Gitte Haenning: In Berlin sehe ich mich als Touristin. Es ist eine Station für mich, ich habe meine Sachen hier. Als ich herkam dachte ich, Berlin sei kosmopolitisch, freidenkend und transparent. Diese Erwartung hat sich nicht erfüllt. Berlin bietet viel – vor allem Kaufkultur, aber kaum Eigenes. Es hat wenig Charme und Flair. Das ist beispielsweise in Hamburg anders. Aber das mag auch an der Stadtgeschichte liegen - Hamburg hatte die Hanse, Berlin nicht. Dänemark ist für mich immer noch ein kleines Wunderland. Ich bin dort aufgewachsen und es sitzt tief in meinem Körper. Meine Agentin sagt mir immer, dass die Dänen nicht mehr so seien wie das Bild, das ich im Kopf habe. Dennoch freue ich mich immer, wenn ich da bin. Geruch, Ästhetik, Mentalität, all‘ das mag ich an Dänemark. Und die Politik unterstützt die Menschen. Es ist für alle gesorgt – auch arme Leute haben Zugang zu Qualität. Außerdem finde ich es toll, dass wir eine Königin haben. Sie ist künstlerisch veranlagt und intelligent – und sie trinkt und raucht! (lacht).

Frage: Sie schauen auf eine unglaubliche Karriere zurück – dänischer Kinderstar schon mit acht Jahren, Erfolg im Schlagergeschäft und nun mit 72 eine eindrucksvolle Jazz- und Soulsängerin – gab es in diesen über 60 Jahren Showbusiness niemals Zweifel?

Gitte Haenning: Ständig. Ich kann nur sagen: ständig. Es war ja nicht meine eigene Entscheidung auf die Bühne zu gehen. Meinem Vater war das sehr wichtig. Es wurde mir aufoktroyiert. Und ich bin unendlich viele Male ausgestiegen. Aber ich habe auch einen Lernprozess durchlaufen und erkennen dürfen, dass die vermeintlichen Gurus der Branche oft arme, hilflose Menschen sind. Und dass das Showgeschäft mir viele Möglichkeiten bietet, den Menschen etwas zu vermitteln, das sie womöglich in ihrer Entwicklung unterstützt oder sie zumindest inspiriert und glücklich macht.

Frage: Sie lieben und leben nicht nur die Musik, sondern sind auch mehrmals als Schauspielerin aufgetreten – unter anderem bei den Ruhrfestspielen als Narr in Shakespeares „Was Ihr wollt“.  Was fasziniert sie am Theater?

Gitte Haenning: Ich halte es mit Shakespeares Credo: ‚Die ganze Welt ist Bühne …‘ Das Theater zeigt uns, dass das Leben zum Gestalten da ist. Es gibt Individualisten Platz, zeugt von Vielfalt und Menschlichkeit. Es stellt in seiner Lebendigkeit und Verschiedenheit einen Kontrast dar zur anonymen Internetkultur. Schauspiel ist Transformation – und es ist ein großes Geschenk, Gedanken und Gefühle vermitteln zu dürfen. Heute hat sich vielerorts eine Theaterkultur eingenistet, die heuchlerisch ist und brav. Ich setze mich für Theater ein, das Typen zeigt, Grenzen überschreitet, eine Verbindung zum Universellen schafft. So wird Denk- und Entfaltungsspielraum für das Publikum eröffnet.

Frage: Ihr Durchbruch war 1963 bei den Schlagerfestspielen in Baden-Baden mit dem Titel „Ich will `nen Cowboy als Mann“. Wie stehen Sie heute zum Schlager-Genre?

Gitte Haenning: Das hängt davon ab, wie man Schlager definiert. Viele Schlager klingen maschinell. Sie haben keine Persönlichkeit – Hauptsache fröhlich. Es gibt Tricks, um mit dieser Art von Musik die Massen zu erreichen. Gleichförmige Rhythmen und Texte, die gestohlene Weisheiten enthalten. Allerdings gibt es auch frische, junge Talente, die dem Schlager neue Lebendigkeit einhauchen – das konnte man in der Show ‚Sing meinen Song‘ erleben. Ich nehme mich heute mit dem ,Cowboy‘ selbst auf die Schippe. Ich singe das Lied noch, aber in einem ganz anderen Stil, denn ich will nicht als versteinerte Ikone auf der Bühne stehen. Ich möchte meine Arbeit lieben, und da kann ich die Art und Weise selbst wählen. Und das mache ich!

Frage: Gelingt bei so einem intensiven Dasein für die Musik und die Bühne auch ein Privatleben?

Gitte Haenning: Das ist nicht leicht. Ich empfinde die Aufgeregtheit gegenüber Prominenten oft als unangenehm. Die meisten Menschen halten es für sexy, berühmt zu sein. Mit diesen Erwartungen und Vorstellungen ständig konfrontiert zu sein, ist für Künstler nicht leicht. Und für deren Partner und Familien auch nicht. Gleichwohl ist es möglich, die richtigen Freunde und den richtigen Partner zu finden.

Frage: In Ihrem aktuellen Programm „Meine Freunde, meine Helden, Ihre Gitte“ singen Sie Jazz, Swing und Soul. Auch Lieblingslieder von anderen Künstlern sind dabei. Zum Beispiel von Rio Reiser. Was verbindet Sie mit ihm?

Gitte Haenning: Wir haben versucht miteinander zu arbeiten, aber ich war vom Resultat nicht überzeugt. Und doch habe ich Eingang gefunden in das große Werk von Rio Reiser – unter anderem mit dem Lied ‚Du hast den Blues eben nicht‘. Rio Reiser war ein lebendiger Geist und hatte einen sehr natürlichen Intellekt. Das hat er nie an die große Glocke gehängt. Er stellte sich zur Verfügung für das große Universum. Auf der Bühne wurde er Teil des Ganzen, konnte sein Ego völlig loslassen.

Frage: Die Kritiker sind regelmäßig beeindruckt von ihrer Strahlkraft, Präsenz und Energie auf der Bühne. Wie schaffen Sie das mit 72?

Gitte Hanning: Mein Kopf und mein Herz versuchen in Verbindung mit dem Publikum zu sein. Ich mache mir das nicht leicht. Ich gehe nicht auf die Bühne und lasse mich feiern. Ich bin mit einer Gabe geboren – und ich hatte das Riesenglück, wundervolle Lehrer zu bekommen. Zuerst war das mein Vater, und dann ein sehr kultivierter, älterer Gesangslehrer. Da war ich elf – und er sagte ‚Sie‘ zu mir! Er hat mein Talent gefördert und meine Fähigkeiten aufgebaut. Mit 15 durfte ich in einer schwedischen Fernsehserie mitspielen und hatte tolle Regisseure. Ich durfte mein Leben lang mit unfassbar großartigen Talenten zusammenarbeiten. Und ich bin eine sehr ehrgeizige Person. Schlussendlich beziehe ich immer das Universum in meine Arbeit ein. Die Kombination aus Himmel und Erde ist nicht das Schlechteste.

Tickets für „Meine Freunde, meine Helden, Ihre Gitte“ am Freitag, 24. August, 20 Uhr, in der Stadthalle Schlüchtern gibt es online unter www.kukikino.de oder an einer der Vorverkaufsstellen – Geschäftsstelle der Kinzigtal Nachrichten in Schlüchtern, Hölzer Kommunikation in Sterbfritz, Buchhandlung „Dichtung und Wahrheit“ in Wächtersbach, Tegut-Markt in Flieden sowie Tourismusbüro der Stadt Steinau – oder an der Abendkasse. +++


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