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Von links:Dominik Dute, Sprecher des Landgerichts, Udo Lautenbach, Direktor des Amtsgerichts, Dr. Jochen Müller, Präsident Landgericht, Dr. Patrick Liesching, Vizepräsident LG und Sprecher des Amtsgerichts Jugendrichter Christoph Mangelsdorf - Foto: Laura Struppe

FULDA "Richter sollen nicht verstauben"

Justizbehörden müssen umziehen - komplizierte Fälle, wenig Prozessstau

07.11.18 - Bei einem Jahrespressegespräch von Land- und Amtsgericht Fulda wurden heute Vormittag der örtlichen Presse die statistisch erhobenen Daten aus dem Geschäftsjahr 2017 vorgestellt. Dabei kamen auch aktuelle Themen und künftige Entwicklungen in der Fuldaer Justiz zur Sprache. Auch die notwendige Sanierung der Justizgebäude und der damit verbundene Umzug des Landgerichts wurden thematisiert.

Sanierungsbedürftig: das Landgericht Fulda

Bei den Justizbehörden in Fulda läuft eigentlich das meiste rund, sowohl die Zahl der zu bearbeitenden Fälle als auch der Personalschlüssel lässt derzeit keine exorbitanten Klagen zu. Sorge macht den Gerichten aber die Umstellung auf elektronische Aktenverarbeitung - bis 2026 soll es keine Papierakten in der Justiz Fulda mehr geben - und der marode Zustand der Gerichtsgebäude, der einen aufwendigen und komplizierten Umzug und eine Interimsniederlassung bedeutet. 

Landgerichtspräsident Dr. Jochen Müller bilanzierte zunächst, dass die Erledigungszahlen bei Strafsachen gegenüber dem Vorjahr angestiegen sind, weil dafür mehr Personal zur Verfügung gestanden habe. Mit 17 Richterstellen am Landgericht und 18 am Landgericht sei man zwar ganz gut aufgestellt, doch zwei oder drei Stellen mehr seien durchaus wünschenswert. "Bei der richterlichen Versorgung ist Fulda aber gegenüber dem Rhein-Main-Gebiet benachteiligt", sagte Müller. Die Nachwuchssuche gestalte sich auch deshalb schwierig, weil in der freien Wirtschaft Anwälten etwa doppelt so viel gezahlt werde wie Richtern. 

Komplizierte Fälle

Insgesamt seien viele Verfahren komplexer geworden und machten auch eine Spezialisierung der Kammern notwendig. So zum Beispiel bei Bau- und Architekturfragen, ärztlicher Haftung, bei Banken- und Versicherungsfällen und Kapitalanlagen. Bei solchen Prozessen gehe es nie ohne einen oder mehreren Sachverständige, was die Verfahrensdauer erhöhe. Trotzdem hielte sich die durchschnittliche Prozessdauer in Fulda noch im Rahmen. "In Frankfurt wird eben auch über Fernbahnhöfe verhandelt - das dauert", so Müller. Verfahren, die lange liegen, seien  grundsätzlich ein Riesenproblem, denn die Beschuldigten hingen quasi in der Luft und wüssten nicht, wie es mit ihnen weitergeht und die Erinnerungen der Zeugen verblassten. 

Fall Münsterfeld noch nicht terminiert

Einige Verhandlungen besonders brisanter Fälle stehen in Fulda noch aus - so zum Beispiel der Fall des erweiterten Suizids in Künzell oder der des erschossenen 19-Jährigen im Münsterfeld, der noch nicht terminiert ist. "Das liegt noch bei der Staatsanwaltschaft". Insgesamt sei 2017 hinsichtlich Kapitalverbrechen ein eher ruhiges Jahr gewesen, bilanziert Dominik Dute. Die ab 2015 gestiegene Unterbringung von Flüchtlingen in Unterkünften habe sich auch durch gewaltsam ausgetragene Konflikte und vier bis fünf Tötungsdelikte innerhalb der Flüchtlingsheime in der Region niedergeschlagen. 

Bußgeldverfahren sind in Fulda zurückgegangen, dafür in Hersfeld gestiegen

Die Zahl der Bußgeldverfahren wegen Verstößen im Straßenverkehr hat sich am Amtsgericht Fulda seit 2015 kontinuierlich verringert - von 538 auf 401 Fälle. Die Erklärung für dieses Phänomen musste Udo Lautenbach aber schuldig bleiben. Sind die hiesigen Autofahrer alle brav geworden? Da müsse er gleich Wasser in den Wein gießen, schränkte Müller ein. Denn gleichzeitig seien die Zahlen am Hersfelder Amtsgericht signifikant angestiegen, was sich durch die Anschaffung und den Einsatz des so genannten Enforcement Trailers - einer mobilen Blitzanlage - erklärt. Der sei ungemein effizient und erwische angeblich pro Minute einen Verkehrssünder ("eine Gelddruckmaschine"), weshalb über die Anschaffung weiterer Exemplare nachgedacht werde. 

Richterliche Anordnungen auf Bettgitter und Fixierung sind zurückgegangen

Rückläufig sind zum Glück auch die Unterbringungsverfahren um 21 Prozent. Darunter fallen auch die Anträge auf die Anbringung von Bettgittern bei sich oder andere gefährdenden Patienten oder deren Fesselung. "Dieser Rückgang ist auf ein erfolgreich installiertes Pilotprojekt zurückzuführen", erklärte dazu Patrick Liesching. Man habe sich dafür intensiv mit der Situation in den Pflegeheimen beschäftigt und über Alternativen für Bettgitter und Fixierung  informiert, was sehr schnell zum Erfolg geführt habe.

Justiz mit familiärer Struktur

Auch die Zusammenarbeit innerhalb der Justiz läuft anscheinend weitgehend reibungslos, es gebe keine verfeindeten Lager. Patrick Liesching lobte die "kleine familiäre Struktur" der hiesigen Behörde und auch Richter Mangelsdorf betonte die kurzen Wege innerhalb der Abteilungen. "Man ist schnell mal beim Staatsanwalt oder der Jugendgerichtshilfe und kann etwas umwegslos klären." 

Gebäudesanierung des Behördenzentrums am Rosengarten

Wie bereits berichtet, stehen im Behördenzentrum am Rosengarten grundlegende Sanierungsmaßnahmen an. Dr. Müller hatte den maroden Zustand der Gebäude mit dem Desaster bei BER-Flughafen verglichen und fürchtet um einen Ansehensverlust der Justizbehörde. Der komplette Innenputz und die IT-Infrastruktur müssen erneuert werden. Die Durchführung der Arbeiten ist im laufenden Betrieb nicht möglich, weshalb Landgericht, Amtsgericht und Staatsanwaltschaft derzeit auf der Suche nach einem den Anforderungen der Justiz entsprechenden Ausweichquartier sind. Ob eine Unterbringung aller drei Behörden unter einem Dach möglich ist, sei derzeit ebenso offen wie der genaue Zeitplan.

Eine Möglichkeit, die geprüft werde, ist der vorübergehende Umzug aller drei Justizbehörden in die derzeit vom Finanzamt genutzten Räumlichkeiten. Für eine gemeinsame Unterbringung in den Räumen des Finanzamts sprechen Sicherheitsaspekte und organisatorische Vorteile. So blieben die kurzen Wege erhalten. Die Präsenzzellen für Gefangene könnten voraussichtlich weiter genutzt werden könnten und die Zuführung der Gefangenen aus der Justizvollzugsanstalt wäre weiterhin ohne größeren Aufwand möglich. Schließlich bliebe die zentrale Erreichbarkeit für die Öffentlichkeit erhalten. Auch das Archiv könnte im Keller bleiben. "Wenn die Akten verstauben, ist das nicht so schlimm, als wenn die Richer verstauben", so der Landgerichtspräsident. (Carla Ihle-Becker)  +++


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