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Der Unglücksort am Bahnhof in Neuhof 2010 - Archivfotos: O|N

NEUHOF Nach fast zehn Jahren

Verfahren wird eröffnet: Fahrlässige Tötung einer Schülerin am Bahnhof?

19.12.18 - Im Februar 2010 verunglückte die 16-jährige Sophia am Bahnhof in Neuhof tödlich. Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) ein Verfahren wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen vor dem Landgericht Fulda eröffnet. Den vier Angeklagten wird vorgeworfen, für den Unfalltod der 16-jährigen Schülerin verantwortlich zu sein. Lesen sie nachfolgend eine Pressemitteilung des Oberlandesgerichtes Frankfurt am Main im Wortlaut:

Die Staatsanwaltschaft Fulda legt den Angeklagten in ihrer Anklageschrift vom 11.Mai 2015 zur Last, als Nebentäter jeweils durch Unterlassen fahrlässig den Tod einer 16-jährigen Schülerin verursacht zu haben. Die Schülerin war am 04.Februar 2010 am Bahnhof Neuhof ins Gleisbett gerutscht und von einem Zug erfasst worden. Der Anklage nach soll sich die Schülerin hinter der Sicherheitslinie im Bereich der Bahnsteigkante des Bahnsteigs eins in Neuhof aufgehalten haben, dort auf einer vereisten Stelle ausgerutscht und in das Gleisbett gestürzt sein. Der Bahnsteig soll zu diesem Zeitpunkt nicht durchgehend in der vorgeschriebenen Tiefe von 1,80 m von Schnee geräumt gewesen sein, so dass die erhebliche Anzahl der auf den Zug wartenden Schüler sich auch in dem Bereich der Bahnsteigkante aufgehalten hätte. Auch habe es erhebliche Eisbildungen auf dem Bahnsteig gegeben. Wäre ein ordnungsgemäßer Winterdienst durchgeführt worden, hätte der Tod der Schülerin verhindert werden können, so die Anklage.

Angeklagt sind der Geschäftsführer, der damals mit der Ausführung des Winterdienstes beauftragten Gesellschaft, der im Unfallzeitpunkt diensthabende Fahrdienstleiter sowie zwei leitende Bahnmitarbeiter. Das Landgericht Fulda hatte die Eröffnung des Verfahrens aus tatsächlichen Gründen abgelehnt. Nach Ansicht der Kammer sei es nicht möglich, mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen, dass zum damaligen Zeitpunkt der Bahnsteig eins sowie insbesondere die Unfallstelle derart glatt gewesen seien, dass ein Winterdiensteinsatz veranlasst gewesen sei. Ebenso sei nicht sicher feststellbar, dass ein Winterdiensteinsatz den Unfall hätte verhindern können.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte vor dem OLG Erfolg. Das OLG hat nunmehr die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen und das Verfahren vor dem LG Fulda eröffnet. Im Mittelpunkt, so das OLG, stünde die Frage, welche Anforderungen an die ordnungsgemäße Erfüllung von Verkehrssicherungspflichten (hier: Räum- und Streupflicht) an Bahnsteigen im Allgemeinen sowie unter besonderer Berücksichtigung der damaligen Situation am Unfallort zu stellen seien. In Anbetracht der besonders gefahrenträchtigen Situation am Bahnsteig 1 des Bahnhofs Neuhof sei dort das Vorhandensein jeglicher Glättestellen, insbesondere im Bereich der Bahnsteigkante, durch entsprechend häufige Kontrollen, gründliche Räumarbeiten und – gegebenenfalls auch wiederholte – Verwendung geeigneten Streugutes im Rahmen eines ordnungsgemäßen Winterdienstes zu vermeiden gewesen. Unter Zugrundelegung dieses gesteigerten Sorgfaltsmaßstabs lägen in dem aktenkundigen Ermittlungsergebnis hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass der Winterdienst am Bahnsteig eins des Bahnhofs Neuhofs am Morgen des 04.Februar 2010 nicht ordnungsgemäß ausgeführt worden sei.

Dabei sei jeder der Angeklagten für die Abwendung der sich in dem tödlichen Unfall verwirklichenden Gefahren verantwortlich gewesen und hätte zu deren Abwendung beitragen können und müssen. Dies gelte nicht nur für den unmittelbar vertraglich mit der Ausführung des Winterdienstes Verpflichteten – welcher jedoch Anfang Februar 2010 seine Arbeit eingestellt habe -, sondern auch für die drei angeklagten Bahnmitarbeiter. So lägen nach dem Ermittlungsergebnis Anhaltspunkte dafür vor, dass der Winterdienst unter anderem am Bahnhof Neuhof bereits seit Januar 2010 nicht ordnungsgemäß ausgeführt worden sei, weshalb seitens der Verantwortlichen der Bahn bzw. deren Tochtergesellschaft nicht auf den beauftragten Subunternehmer vertraut, sondern anderweitig für einen ordnungsgemäßen Winterdienst hätte Sorge getragen werden müssen. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass sich der betroffene Bahnsteig bereits längere Zeit vor dem Unfall in einem mangelhaften baulichen Zustand befunden habe, ohne dass diese Gefahrenquelle beseitigt oder zumindest besondere Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz der Fahrgäste ergriffen worden wären.

Das Landgericht Fulda wird nun das Verfahren durchzuführen und in der Hauptverhandlung zu klären haben, ob die dort zu treffenden, tatsächlichen Feststellungen die durch den Senat auf der Grundlage des Ermittlungsergebnisses vorgenommene Beurteilung des hinreichenden Tatverdachts zu bestätigen vermögen. Zuständig für eine Revision gegen ein späteres Urteil des Landgerichts Fulda wäre der Bundesgerichtshof. (pm)+++


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