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Das Thema Luftverschmutzung wird derzeit heftig diskutiert - unser Experte klärt die wichtigsten Fakten - Fotos: Tobias Stübing

FULDA Pneumologe zum Grenzwert-Streit

Feinstaub: ständige Belastung oder doch harmloser als gedacht?

31.01.19 - Lungenexperten zweifeln derzeit die Gültigkeit der Grenzwerte für die Feinstaub- und Stickstoffbelastung an. Mehr als 100 Lungenärzte und Experten haben einen Aufruf unterschrieben, in dem sie sich gegen die vermeintliche Feinstaub-Hysterie auflehnen. Sie sehen keine wissenschaftliche Begründung für die Festlegung der aktuellen Grenzwerte. Beispielsweise sei der Rauch einer Zigarette wesentlich schädlicher und erzeuge mehr Feinstaub. OSTHESSEN|NEWS hat mit Professor Dr. Philipp Markart, dem Pneumologie-Direktor des Klinikums Fulda, über dieses Thema gesprochen:

Herr Prof. Dr. Markart, was ist überhaupt Feinstaub?
"Feinstaub ist ein Bestandteil des Schwebstaubs und umfasst alle Partikel, deren aerodynamischer Durchmesser kleiner als 10 Mikrometer ist (PM10). Eine Untergruppe umfasst Bestandteile, deren aerodynamischer Durchmesser kleiner als 2,5 Mikrometer ist (PM2,5) und die daher bis in die Lungenperipherie (kleine Atemwege/Lungenbläschen) vordringen können."

Prof. Dr. Philipp Markart. Foto: O|N

Symbolfoto: Umweltbundesamt

Schädigt Feinstaub den Menschen?
"Aus meiner Sicht liefern die vorliegenden zahlreichen Studien und Experimente hinreichende und konsistente Gewissheit dafür, dass Luftschadstoffe im Allgemeinen und Feinstaub im Besonderen ein Gesundheitsrisiko für verschiedene Organsysteme darstellen. Patienten mit verschiedenen Grunderkrankungen und andere Bevölkerungsgruppen wie Kinder oder älterer Menschen sind besonders gefährdet. Darüber hinaus legen Studien nahe, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen langfristiger Luftschadstoffbelastung - aber auch einem kurzfristigem Belastungsanstieg - und einer erhöhten Sterblichkeit. Allerdings muss man bezüglich der aktuellen Studienlage auch kritisch anmerken, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen Luftschadstoffbelastung und der Entstehung verschiedener Krankheiten nicht eindeutig genug ist."

Ist eine Neubewertung der Grenzwerte sinnvoll? Und sollten strengere Grenzen für Emissionswerte gelten? Sind Fahrverbote sinnvoll?
"Fakt ist, dass in bestimmten Regionen die gegenwärtigen 24-Stunden-Grenzwerte für Feinstaub regelmäßig überschritten werden. Fakt ist aber auch, dass es für Luftschadstoffe, beziehungsweise Feinstaub, keine Grenzwerte oder Schwellen gibt, unterhalb derer eine Gesundheitsgefährdung sicher ausgeschlossen werden kann. So muss in Zukunft sicherlich überlegt werden, inwieweit eine Anpassung der Grenzwerte vorgenommen werden muss. Die Empfindlichkeit ist bei verschiedenen Personen unterschiedlich. Abhängig ist dies auch vom Alter oder Vorerkrankungen. Es ist davon auszugehen, dass besonders anfällige Patienten auch unterhalb der aktuell geltenden Grenzwerte geschädigt werden können. Schließlich ist Feinstaub ein komplexes Gemisch aus verschiedenen Substanzen, wobei die Zusammensetzung des Feinstaubs in verschiedenen Regionen variieren kann."

Wie sieht der Vergleich mit Zigarettenrauch aus?
"Zigarettenrauchen ist ein Hochrisikofaktor für diverse Erkrankungen und schließt unterschiedliche Organsysteme ein.  Der Feinstaubgehalt im Zigarettenrauch ist in der Tat wesentlich höher als in der Luft. Dies steht aber nicht im Widerspruch zu dem angenommenen Zusammenhang zwischen Feinstaubgehalt der Luft und gesundheitlichen Schädigungen. Die vorliegenden Studien legen nahe, dass die Risikoerhöhung durch Luftschadstoffe im Vergleich zu anderen Risikofaktoren wie Zigarettenrauchen verhältnismäßig gering ist. Dabei ist aber zu beachten, dass die gesamte Bevölkerung den Schadstoffen in der Luft ausgesetzt ist. Somit ist zusammenfassend davon auszugehen, dass der Feinstaubgehalt der Luft ein relevanter Faktor - oder zumindest Co-Faktor - für diverse gesundheitliche Schädigungen darstellt."

Resümierend stellt der Pneumotologe fest, dass die Diskussion, wie entsprechende Grenzwerte eingehalten werden können, sicherlich viel globaler geführt werden muss. Feinstaub ist ein komplexes Gemisch aus unterschiedlichen Substanzen und entsteht aus natürlichen wie auch vom Menschen gemachten Quellen. Von daher sollte es ein wichtiges Ziel sein, die Emission aus allen genannten Quellen, die zur Feinstaubentstehung beitragen, zu reduzieren. Das Umweltbundesamt informiert auf seiner Internetseite, dass zum Schutz der menschlichen Gesundheit seit dem 1. Januar 2005 europaweit Grenzwerte für die Feinstaubfraktion PM10 gelten. Der Tagesgrenzwert beträgt 50 Mikrogramm und darf nicht öfter als 35-mal im Jahr überschritten werden. Der zulässige Jahresmittelwert beträgt 40 Mikrogramm. Für die noch kleineren Partikel PM2,5 gilt seit 2008 europaweit ein Zielwert von 25 Mikrogramm im Jahresmittel, der bereits seit dem 1. Januar 2010 eingehalten werden soll. Seit 1. Januar 2015 ist dieser Wert verbindlich einzuhalten.

Fakt ist, dass es eine Vielzahl an Studien für erwiesen ansehen, dass die Atemluft mit Feinstaub und Stickoxiden belastet ist und so unsere Gesundheit schädigt. Ob dabei allerdings nur der Feinstaub in der Luft für häufigere Todesfälle steht, bleibt zweifelhaft. Demgegenüber stehen nämlich noch eine Vielzahl von Faktoren, die ebenfalls Einfluss haben können. Die Stadt Fulda erklärt in einer schriftlichen Anfrage, dass sich die Stadt dem Thema Luftreinhaltung grundsätzlich stellt und derzeit einen Masterplan erarbeitet, um die Potenziale hinsichtlich Mobilität, Verkehrslenkung sowie Attraktivitätssteigerung des ÖPNV (beispielsweise über die Verbesserung der Taktung oder den Ausbau von digitalen Fahrgastinformationssystemen) zu verbessern. (Tobias Stübing) +++


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