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Das Landgericht in Hanau - Archivfoto: Luca Heil

HANAU / MAINTAL 60-Jährige im Fokus

Netzwerk ausgehebelt: Zigfacher Menschenhandel und Zwangsprostitution

15.05.19 - In dem Ermittlungskomplex wegen des Vorwurfs des gewerbs und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern, der Zwangsprostitution, der Ausbeutung von Prostituierten, der Zuhälterei, des Vorenthaltens und Veruntreuens von Ar beitsentgelt und der Steuerhinterziehung hat die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main - Eingreifreserve - gegen fünf mutmaßliche Bordellbetreiber beim Landgericht - Wirtschaftsstrafkammer - in Hanau Anklage erhoben. Die Anklage richtet sich gegen vier thailändische Staatsangehörige im Alter von 49, 51, 53 und 60 Jahren und einen 63-jährigen deutschen Staatsangehörigen.

Umfangreiche Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main haben das Netzwerk aufgedeckt. Ein Tatort - wenn auch nicht der Haupttatort (Siegen) - liegt in Maintal. Deshalb wird die Anklage vor dem Landgericht in Hanau erhoben - so ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft gegenüber OSTHESSEN|NEWS.

Die fünf Angeschuldigten sollen – gemeinsam mit weiteren Mittätern – ein bundes weit agierendes Netzwerk aufgebaut und CisFrauen und transsexuelle Frauen aus Thailand auf dem Luftweg in das Bundesgebiet eingeschleust haben, damit diese der Prostitution nachgehen. Hierzu soll die 60-jährige Angeschuldigte, in Zusammenarbeit mit bislang unbekannten Helfern in Thailand, dort gezielt CisFrauen und transsexuelle Frauen angeworben und diese mit erschlichenen SchengenVisa für touristische Zwecke, die nicht zur Einreise und Aufenthalt zum Zweck der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit berechtigen, ausgestattet haben.

In Deutschland angekommen, sollen die CisFrauen und transsexuellen Frauen zu nächst überwiegend in drei Bordellbetrieben in Siegen, die von der 60jährigen An geschuldigten und ihrem 63-jährigen mitangeschuldigten Lebensgefährten geführt worden sein so llen, für sexuelle Dienstleistungen aller Art eingesetzt worden sein. Die hierbei erzielten Einnahmen sollen von der 60jährigen Angeschuldigten zu nächst vollständig einbehalten worden sein, zur Begleichung der vermeintlich durch die Schleusung entstandenen Kosten, die mit Beträgen zwischen 16.000,00 Euro bis zu 36.000,00 Euro veranschlagt wurden, und zur Erstattung der Kosten für „Miete“ und Verpflegung in den Bordellen.

Nach einer gewissen Verweildauer in den Siegener Bordellbetrieben sollen die Prostituierten in einer Art Rotationsverfahren in andere Bordellbetriebe des Netz werks im gesamten Bundesgebiet (u.a. Maintal, Rodgau, Gießen, Rastatt, Speyer und Saarbrücken) verbracht worden sein. Der Bordellbetrieb in Maintal, soll von den beiden 51 und 53 Jahre alten mitangeschuldigten Schwestern betrieben worden sein. Der Austausch der Prostituierten zwischen den Bordellbetrieben soll maßgeblich von der 60-jährigen Angeschuldigten organisiert und unter Einsatz von Kurierfahrern durchgeführt worden sein. Die 60-jährige Angeschuldigte soll auch jeweils dafür Sorge getragen haben, dass noch offene Schleusungskosten von den anderen Bordellbetreibern bei den Prostituierten jeweils eingezogen und an sie abgeführt wurden.

Im Zuge der Ermittlungen konnten die Personalien und Einreisedaten von insge samt 39 geschleusten Personen ermittelt werden, die im Zeitraum von Juli 2012 bis Dezember 2017 in Bordellbetrieben des Netzwerks der Prostitution nachgegangen sein sollen. Die Anzahl der insgesamt über das Netzwerk in das Bundesgebiet ein geschleusten Personen um ein Vielfaches höher liegen.

Konkret legt die Anklage der 60-jährigen Angeschuldigten, bei der es sich um die Hauptinitiatorin des Netzwerks handeln soll, insgesamt 35 Fälle des gewerbs und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern zur Last, wobei in 34 Fällen zusätzlich der Vorwurf der Zwangsprostitution, der Ausbeutung von Prostituierten und der Zuhälterei erhoben wird.

Die Anklage legt der 60-jährigen Angeschuldigten weiterhin 70 Fälle des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt zur Last. Die Angeschuldigte soll die in den drei Bordellbetrieben in Siegen beschäftigten Prostituierten und weitere Mitar beiterinnen und Mitarbeiter nicht zur Sozialversicherung angemeldet und in der Zeit von Juli 2012 bis April 2018 keine Arbeitgeber und Arbeitnehmerbeiträge zur Sozi alversicherung an die Krankenkassen als Einzugsstellen abgeführt haben. Hier durch soll der Sozialversicherung allein in den drei Bordellbetrieben in Siegen ein Schaden i.H.v. ca. 1,7 Millionen Euro entstanden sein.

Die Anklage legt der 60-jährigen Angeschuldigten weiterhin 84 Fälle der Steuerhin terziehung zur Last. Die Angeschuldigte soll für die von ihr betriebenen Bordelle in Siegen für die Jahre 2012 bis 2016 keine Umsatzsteuerjahreserklärungen und für das Jahr 2017 keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben und hierdurch Um satzsteuer in Höhe von insgesamt ca. 1,33 Millionen Euro hinterzogen haben. Wei terhin soll die Angeschuldigte für die Bordellbetriebe keine Gewerbesteuererklärun gen abgegeben und hierdurch Gewerbesteuer i.H.v. ca. 215.000 Euro hinterzo gen haben. Schließlich soll die Angeschuldigte für die in den Bordellbetrieben täti gen Prostituierten für den Zeitraum April 2013 bis Dezember 2017 keine Lohnsteuer einbehalten und an das Finanzamt abgeführt haben. Hierdurch soll ein Steuerscha den i.H.v.ca. 1,19 Millionen Euro entstanden sein. Der Gesamtsteuerschaden be läuft sich laut Anklage mithin auf ca. 2,73 Millionen Euro  Dem 63jährigen Angeschuldigten legt die Anklage 34 Fälle des gewerbs und ban denmäßigen Einschleusens von Ausländern, jeweils in Tateinheit mit dem Vorwurf der Zwangsprostitution, der Ausbeutung von Prostituierten und der Zuhälterei zur Last. Dem Angeschuldigten werden ebenfalls 70 Fälle des Vorenthaltens und Ver untreuens von Arbeitsentgelt sowie 84 Fälle der Steuerhinterziehung zur Last ge legt, die er ganz überwiegend gemeinsam mit seiner 60-jährigen Lebensgefährtin begangen haben soll.

Der 49-jährigen Angeschuldigten legt die Anklage insgesamt 20 Fälle des gewerbs und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern, jeweils in Tateinheit mit dem Vorwurf der Ausbeutung von Prostituierten und der Zuhälterei zur Last. Die Ange schuldigte soll von den beiden mutmaßlichen Betreibern der Siegener Bordelle für Kurierfahrten, die Abholung von neu eingereisten Prostituierten und für Botengänge eingesetzt worden sein. Darüber hinaus soll die 49jährige Angeschuldigte in zwei Siegener Bordellen als Hausdame tätig gewesen und in dieser Funktion die Prosti tuierten überwacht, mit den Kunden die Preise verhandelt und die Einnahmen kas siert haben. Bei der Abholung von neuen Prostituierten soll sie mit der Tätergruppie rung in Thailand kommuniziert haben. Für diese Tätigkeiten soll die 49jährige An geschuldigte von den beiden mutmaßlichen Betreibern der Siegener Bordelle mo natlich mit einem Betrag in unbekannter Höhe entlohnt worden sein.

Den beiden Schwestern im Alter von 51 und 53 Jahre, die den Bordellbetrieb in Maintal geleitet haben sollen, legt die Anklage zehn Fälle des gewerbs und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern zur Last, wobei in sieben Fällen zusätzlich der Vorwurf der Ausbeutung von Prostituierten und der Zuhälterei und hiervon in vier Fällen zudem der Vorwurf der Zwangsprostitution erhoben wird.

Die Anklage legt den beiden Schwestern weiterhin 70 Fälle des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt zur Last. Die Angeschuldigten sollen die in dem Bordellbetrieb in Maintal beschäftigten Prostituierten nicht zur Sozialversicherung angemeldet und in der Zeit von Juli 2012 bis April 2018 keine Arbeitgeber und Ar beitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung an die Krankenkassen als Einzugsstel len abgeführt haben. Hierdurch soll der Sozialversicherung im dem Bordellbetrieb in Maintal ein Schaden i.H.v. ca. 135.000 Euro entstanden sein.

Die Anklage legt den beiden Schwestern weiterhin 74 Fälle der Steuerhinterziehung zur Last. Die Angeschuldigten sollen für das von ihnen betriebene Bordell in Maintal für die Jahre 2012 bis 2017 beim Finanzamt jeweils inhaltlich unrichtige Umsatz steuerjahreserklärungen eingereicht haben und hierdurch Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt ca. 41.000 Euro hinterzogen haben.

Weiterhin sollen die beiden Schwestern für die in ihrem Bordellbetrieb in Maintal tä tigen Prostituierten für den Zeitraum April 2013 bis Dezember 2017 keine Lohnsteu er einbehalten und an das Finanzamt abgeführt haben. Hierdurch soll ein Steuerschaden i.H.v.ca. 42.000 Euro entstanden sein. Der Gesamtsteuerschaden be läuft sich laut Anklage mithin auf ca. 83.000 Euro

Die Ermittlungen in dem Gesamtkomplex waren im Juni 2016 in Gang gekommen, als bei einer Kontrolle im Bordell in Maintal drei Prostituierte angetroffen wurden, die sich gegenüber den Polizeibeamten jeweils mit einem thailändischen Reisepass und einem abgelaufenen Schengenvisum auswiesen. Als sich im Zuge der weiteren Ermittlungen schließlich konkrete Anhaltspunkte für ein bundesweit agierendes Netzwerk ergaben, wurde die Bearbeitung des Ermittlungskomplexes am 21.02.2017 durch die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main Eingreifreserve übernommen.

Anlässlich der am 18.04.2018 erfolgten bundesweiten Durchsuchung, an der insgesamt 1.527 Beamtinnen und Beamte der Bundespolizei und acht Staatsanwältinnen und Staatsanwälte der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main beteiligt gewe sen sind, wurden insgesamt 62 Objekte (Bordelle, Wohnungen, Büros) mit Schwerpunkten in NordrheinWestfalen (17 Objekte), Hessen (10 Objekte), Niedersachsen (9 Objekte) und BadenWürttemberg (9 Objekte) durchsucht und sieben dringend Tatverdächtige festgenommen, hierunter auch die fünf Angeschuldigten, gegen die nunmehr Anklage erhoben worden ist und die sich nach wie vor in Untersuchungshaft befinden. Kurze Zeit später wurden zwei weitere Tatverdächtige in Untersuchungshaft genommen.

In dem Ermittlungskomplex werden von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main – Eingreifreserve – derzeit noch Ermittlungen gegen insgesamt 49 Beschuldigte geführt. Ermittlungsverfahren gegen insgesamt fünf Beschuldigte (davon vier inhaftierte Beschuldigte) sind an andere Staatsanwaltschaften (Baden-Baden und Saarbrücken) abgegeben worden. (pm) +++


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