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Teilnehmer einer Gegendemnstration gehen mit Plakaten und Flaggen durch die Stadt. Die rechtsextreme Kleinstpartei "Die Rechte" hat nach dem Mord an Regierungspräsident Walter Lübcke zu einer Demonstration in Kassel aufgerufen. - Foto: Swen Pförtner/dpa

KASSEL Flaschenwürfe auf Polizisten

Demonstration in Kassel: Tausende Menschen gehen gegen Rechts auf die Straße

20.07.19 - Auf Kassel blickte am Samstag ganz Hessen: die Stadt im Norden des Landes wurde von tausenden Demonstranten aufgesucht. Grund: Die Kleinstpartei "Die Rechte" wollte am Jahrestag des Hitler-Attentats vor dem Amtssitz des ermordeten Regierungspräsidenten Walter Lübcke demonstrieren - "gegen Pressehetze und Verbotsirrsinn". Doch Kassel zeigte, dass es offen für Vielfalt ist: etwa 120 Organisationen - über 10.000 Menschen, gingen ebenfalls auf die Straßen - und demonstrierten gegen die Rechtsextremen.

Die Demo am Samstag ist gestartet: Ein Schild mit der Aufschrift "Nazis auf den Mond" ...Foto: Swen Pförtner/dpa

Kassel ist in den letzten Tagen noch enger zusammengerückt: nachdem der hessische Verwaltungsgerichtshof Kassel das Urteil gesprochen hatte, dass die Demo der Partei "Die Rechte" stattfinden darf, gingen nun auch Menschen auf die Straßen, um gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren. Eine breite Basis von Vereinen, Kirchen, Parteien, dem Mieterbund Nordhessen oder der Hochschule Kassel hatten sich zusammengetan, um sieben Wochen nach dem Mord an Regierungspräsident Walter Lübcke, ein Zeichen gegen Rechts zu setzen. Auch eine Initiative aus Firmen der Region hat sich am Samstag zusammengeschlossen.

10.000 Anti-Rechts-Demonstranten

Um kurz vor elf am Samstagmorgen hatte sich die Anti-Rechts-Demonstration vor dem Hauptbahnhof in Bewegung gesetzt. Tausende Menschen machten sich von dort auf den Weg - "um Platz zu nehmen" - eben dort, wo ab dem Mittag auch die Partei "Die Rechte" durchmaschierte.

Die Großdemonstration hatte auch Auswirkungen auf das öffentliche Leben am Samstag in Kassel: Busse und Bahnen hatten ihren Betrieb komplett eingestellt, etwa 2.500 Polizeibeamte waren im Einsatz, um zu verhindern, dass die beiden Parteien aufeinandertreffen. Die Polizei nahm am Hauptbahnhof zwei Menschen festgenommen, da sie gegen das Waffengesetz verstoßen hatten. Außerdem kam es zu Drängeleien. Von Seiten der Gegendemonstrationen soll es Vermummungen und Flaschenwürfe auf Polizisten gegeben haben, wie die Polizei berichtet.

Die Rechte: "Die Strecke fahren wir jetzt öfter"

Die Kleinstpartei "Die Rechte" hat deutschlandweit ein paar hundert Anhänger. Etwa 50 davon und weitere Rechte wollten am Samstag in Kassel demonstrieren - gegen eine angeblich mediale Vorverurteilung. Die Anhänger wollten bereits ab 12 Uhr durch Kassel ziehen, allerdings trafen die Gruppen erst gegen kurz nach 13 Uhr ein. Bei Twitter tat die Partei ihren Unmut kund und beschwerte sich über die Behinderungen der Polizei bei der Anreise: "Die Strecke Dortmund Kassel fahren wir jetzt öfter", schrieb die Partei auf ihrem Account.

Laut Bundesamt für Verfassungsschutz propagiert die Partei "rassistische, antisemitische, islamfeindliche und revisionistische Inhalte". Die Bandbreite des Vokabulars reiche dabei von Begrifflichkeiten aus dem historischen Nationalsozialismus ("Volksgemeinschaft") bis hin zu „modernen“ Slogans ("Indigene Jugend").

VGH sieht kein Zusammenhang mit Lübcke-Mord

Demo im Juni: Rund 1200 Menschen demonstrieren nach dem Tod des Kasseler Regierungspräsidenten ... Foto: Uwe Zucchi/dpa

Die Stadt Kassel hatte am Freitag Beschwerde beim hessischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) eingelegt. Doch dieser wies am Nachmittag die Klage zurück - mit der Begründung, keinen Bezug zum Lübcke-Mord bei der angekündigten Demonstration zu sehen: Laut Urteil des VGH sei eine Herabwürdigung der Persönlichkeit von Walter Lübcke durch das Demothema "Gegen Pressehetze, Verleumdung und Maulkorbphantasien" und "Gegen Pressehetze und Verbotsirrsinn" nicht erkennbar. "Es lasse selbst keinerlei Bezug zu dem ermordeten Regierungspräsidenten erkennen, zumal dieser nicht Teil der Presse, sondern Gegenstand deren Berichterstattung gewesen sei", urteilt der VGH. "Es liege auch keine Gefahr für das Schutzgut der öffentlichen Ordnung im Sinne des Versammlungsrechts vor, die das streitgegenständliche Versammlungsverbot zu tragen vermöge."

Der Stadt blieb nichts anderes übrig, als das unanfechtbare Urteil zu akzeptieren. Doch aufgeben und die Demo der rechten Kleinpartei einfach so hinnehmen, kam für die breite Basis nicht infrage: So verbannte die Stadt Kassel prompt per Auflagenbescheid die Marschroute aus der Innenstadt. So konnten die Rechten also nicht - wie ursprünglich geplant - am Amtssitz von Walter Lübcke Halt machen.

UPDATE 18:20 Uhr: Aus Sicht der Bundespolizei in Kassel verliefen die An- und Abreisen zu den verschiedenen Demonstrationsveranstaltungen problemlos. "Die letzten Veranstaltungsteilnehmer aus dem rechten Spektrum sind gegen 17.20 Uhr über den Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe abgereist. Ein Aufeinandertreffen mit Teilnehmern aus dem Bereich der Gegenveranstaltungen konnte durch konsequenten Polizeieinsatz unterbunden werden." Insgesamt wurden vier Platzverweise ausgesprochen.

Es kam darüber hinaus zu keinerlei Zwischenfällen im Bereich der Bundespolizei. Etwa 1.000 Veranstaltungsteilnehmer kamen am Samstag mit Zügen in die Documenta-Stadt. "Wir waren mit rund 200 Beamten im Bereich der Kasseler Bahnhöfe gut aufgestellt und auf mögliche Einsatzverläufe vorbereitet!", sagte die Polizeiführerin der Bundespolizei, Polizeidirektorin Sonja Koch-Schulte. "Ich bin sehr froh darüber, dass der Einsatz friedlich geblieben ist!", so die Polizeichefin weiter.

Unterstützt wurde die Kasseler Dienststelle von Kräften der Direktion Bundesbereitschaftspolizei, der Mobilen Kontroll- und Überwachungseinheit der Bundespolizeidirektion Koblenz und der Bundespolizei-Fliegerstaffel Fuldatal. "Die Sicherheit des Bahnverkehrs und der Schutz der Versammlungsfreiheit standen gleichermaßen im Fokus unserer Maßnahmen." (Luisa Diegel) +++


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