"Grenzenlos feiern" geht runter wie Öl - Kirmes am ehemaligen Grenzzaun

24.08.19 - Neben dem Grenzturm erstrahlt der Kirmesbaum mit seinen bunten Lichtern. Junge Menschen laufen fröhlich in ihren Kirmesoutfits zwischen Amijeep und Panzer hinunter zum Festzelt. Es ist Kirmes auf Point Alpha. DJ-Legende Erwin Trott legt zum Einheizen Malle-Hits auf. Er weiß, wie er die jungen Leute an den Tischen und Bänken in Stimmung bringt - und kann so manche Geschichte von damals erzählen.

Die Landräte Bernd Woide (links) und Reinhard Krebs

DJ Erwin am Mischpult

"Ich weiß noch, wie ich an der Grenze Streife gelaufen bin. Von 1972 bis 74 habe ich meinen Wehrdienst bei der Bundespolizei gemacht. Ich hatte damals lange Haare, bei der Bundeswehr hätte ich ein Haarnetz tragen müssen, das wollte ich nicht", erzählt Erwin. In Merkers hat er später die Disco mit aufgebaut. Die ersten Begegnungen im Osten oder die Story mit den Grenzern und dem Asbach - DJ Erwin erinnert sich noch genau an jene Zeit weit vor "Wo war ich in der Nacht von Freitag auf Montag".

Dort, wo einst die Amerikaner dem Feind aus dem Osten direkt gegenüberstanden, unmittelbar an der ehemaligen innerdeutschen Grenze wird am Wochenende ganz bewusst Kirmes gefeiert. Vor 30 Jahren fiel der Zaun. Heute tanzen und feiern sie hier, ob aus Borsch oder Setzelbach gemeinsam. Die jungen Leute kennen die Trennung allenfalls aus Erzählungen oder dem Schulunterricht - oder dem (wichtigen) schulischen Pflichtbesuch an der Mahn- und Gedenkstätte Point Alpha zwischen Rasdorf und Geisa.

Die Landräte aus dem Landkreis Fulda und dem Wartburgkreis genießen die Stimmung am Rand der Bühne. Bevor sie in ihren kurzen Reden die Kirmesgesellschaften begrüßen, schauen sie einfach still ins Zelt. Die Idee, 30 Jahre Grenzöffnung, auf diese Art und Weise zu feiern, kommt an und ist vorbildlich. Viele Kirmesgesellschaften aus dem Fuldaer Raum sowie der thüringischen Rhön kamen mit Bussen und wollten bei der ersten Kirmes dabeisein. Für sie spielen Grenzen eh keine Rolle. "Wenn ich sehe, wie ihr feiert, das geht runter wie Öl", sagt Landrat Reinhard Krebs. Sein Fuldaer Kollege Bernd Woide macht deutlich, dass es keineswegs selbstverständlich ist, friedlich miteinander zu feiern. Die Grenzzäune seien zwar gefallen, in manchen Köpfen gebe es die Grenze jedoch nach wie vor noch. Diese Vorbehalte abzubauen, auch das sei das Ziel der Kirmes auf Point Alpha. Die beiden Landräte machen es vor. "Ich bin stolz, wie gut die Zusammenarbeit mit meinem Kollegen Bernd Woide klappt", sagt Krebs. Sie waren es auch, die diese Idee entwickelt haben.

Rund 50 junge Leute von den Kirmesgesellschaften aus Borsch, Buttlar, Bremen, Setzelbach, Rasdorf und Eiterfeld haben die Organisatoren beim Zeltaufbau, beim Aufstellen des Kirmesbaums und vielem mehr unterstützt - und tun dies auch am Wochenende. Gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen - das schweißt zusammen und macht sie zu Recht stolz.

Nach dem gelungenen Auftakt am Freitag mit dem Bandcontest und der Discoparty geht es am heutigen Samstagabend nahtlos weiter. Marilena und Magic sowie DJ Adi Rückewold (Antenne Thüringen) sorgen für Stimmung. Es haben sich bereits zahlreiche Kirmesgesellschaften angemeldet. Ein weiterer Höhepunkt wird der Kirmessonntag. Dieser beginnt traditionell mit einem ökumenischen Festgottesdienst um 11 Uhr. Im Anschluss daran gibt es den Drei-Reihen-Tanz der Kirmesgesellschaften sowie einen Frühschoppen. Der Tag steht unter dem Motto „Spiel und Spaß für die ganze Familie“. Es wird einen Mittagstisch mit zahlreichen Köstlichkeiten geben, am Nachmittag gestalten die Musikschule des Wartburgkreises und DJ Erwin das Fest musikalisch. Der Eintritt ist übrigens an beiden Tagen frei, Parkplätze gibt es ausreichend. Und das Wetter? Sonne pur ist angesagt.

Der Kirmesbaum strahlt an diesem Wochenende von Point Alpha aus in die Ferne. Es ist einfach schön zu sehen, wie es funktionieren kann. Gerade in der heutigen Zeit. (Hans-Hubertus Braune) +++