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Im Sommergespräch: Dr. Volker Jung über schwierige Zeiten, großes Vertrauen und die Fragen der Zukunft. - Fotos: Traudi Schlitt

ALSFELD „Was haben wir für unsere Welt zu tun?“

Kirchenpräsident Dr. Volker Jung über große Themen seiner Kirche und der Zeit

27.08.19 - Zeit für einen Austausch über aktuelle Themen nahm sich nach seinem Sommerurlaub Kirchenpräsident Dr. Volker Jung. Zum zweiten Mal hatte er jetzt zum Sommergespräch in das Dominikanerkloster in Frankfurt eingeladen; Vertreter der regionalen und überregionalen Presse, Journalisten von Fachzeitschriften sowie Öffentlichkeitsreferenten der Dekanate der EKHN (Evangelische Kirche in Hessen und Nassau) und Mitarbeitende der EKHN waren der Einladung gefolgt.

Drei große Themen hatten Jung in den Sommermonaten umgetrieben, berichtete er, und brachte als erstes den Mitgliederschwund in der evangelischen Kirche zur Sprache. Einen Rückgang von 2,1% hatte die Kirchenleitung im Juli bekanntgegeben – ein Ergebnis, das, wie Jung konstatierte, sehr schmerzhaft sei und alle Arten von Reaktionen ausgelöst hatte: Von „nicht bekenntnisstark genug“ bis zu „moderner werden“ habe es auf allen Kanälen wohlmeinende Ratschläge und auch Häme gegeben. Nicht erkennbar seien in diesen Erhebungen die Gründe für die Kirchenaustritte, sodass es schwer sei, daraus mögliche Konsequenzen abzuleiten. Die Kirchensteuer sei in Gesprächen ein oft gehörtes Argument. So dürfe man sich in der Kirchenleitung durchaus mit der Frage nach „ruhenden Mitgliedschaften“ befassen. Gerade die 20- bis 35-Jährigen stünden einer Mitgliedschaft in der Kirche oft skeptisch gegenüber.

Mit ihnen müsse man das Gespräch suchen, so der Kirchenpräsident, der hier sowohl die Bedeutung des Glaubens für die Lebensorientierung thematisierte als auch die Angebote, die Kirche in der Gesellschaft und im Zusammenleben mache. Gerade für die 20- bis 35-Jährigen müsse man neue Angebote entwickeln, die in die Zeit zwischen Abitur und Familiengründung passten. Auch eine Feier zum zehnjährigen Konfirmationsjubiläum sei denkbar. In Gesprächen erlebe er oft die Frage: „Was hat Kirche mit mir zu tun und wofür zahle ich eigentlich?“ Eine Ich-Zentriertheit, der man oft begegne, wie der Kirchenpräsident auch an anderer Stelle noch feststellte, dabei könne man Kirchensteuer auch als „Beitrag für ein richtiges Ganzes“ verstehen. Mit den großen Themen seiner Kirche – Mitgliederorientierung, Klimaschutz und Nachhaltigkeit sowie Digitalisierung – wolle man sich positionieren.

Die Digitalisierung und die angesprochene Ich-Bezogenheit brachten den Kirchenpräsidenten zu Netzreaktionen auf schlimme Vorfälle dieses Sommers, sein zweiter Fokus im Gespräch: Jung nannte hier u.a. den Mord an Regierungspräsident Walter Lübke, die Schüsse in Wächtersbach und den Vorfall am Frankfurter Hauptbahnhof, bei dem ein Junge ums Leben kam. „All diese Nachrichten sind sehr bedrückend“, so der Kirchenpräsident, und sie zerstörten Vertrauen und vertieften einen Riss in der Gesellschaft. Für ihn sei dieser Riss die Grenze zwischen denen, die vertrauen, und denen, die misstrauen.

„Politische Kräfte setzen auf dieses Misstrauen“, bezog Jung Stellung. Es sei schwer damit umzugehen, doch er appellierte an seine Zuhörer: „Lasst uns Menschen des Vertrauens werden“. Im Umgang mit anderen Menschen, in dem, was man für andere tue, manifestiere sich dieses Vertrauen. Reaktionen „jenseits dessen, was kulturell vertretbar sei“, habe es auch auf den Umgang der Kirche mit der Tat am Frankfurter Hauptbahnhof gegeben. Mit Hass-Posts umzugehen, sei eine schwierige Aufgabe, gab er unumwunden zu. Mit einem Blick auf ein Thema, das auch immer wieder Hass-Posts provoziert, den Umgang mit Geflüchteten, sprach Jung sich für eine Verstaatlichung der Seenotrettung aus.

Erfreulicher nahm sich Jungs drittes Thema des Abends aus: Er blickte ins Jahr 2021 auf dem kommenden Ökumenischen Kirchentag (ÖKT) in Frankfurt am Main. Man werde anlässlich dieses Ereignisses nach draußen gehen und sich den Herausforderungen der Zeit – Digitalisierung, Globalisierung, dem Umgang mit Macht und Geld – stellen. „Es gibt viele spannende Themen“, freute sich Jung, der sich zuversichtlich zeigte, dass auch hinsichtlich des gemeinsamen Abendmahls Fortschritte zu erwarten seien, die sich vom bisher Dagewesenen unterschieden. Auf Anfrage eines Pressevertreters, ob nicht genau die Mitglieder- und Kirchenentwicklung Thema des ÖKT sein müsse, gab Jung zur Antwort, das man keine Innenschau betreiben wolle, sondern sich die Frage stellen müsse: „Was haben wir für unsere Welt zu tun?“ (pm) +++


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