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Dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts war die Klage eines ausgebildeten Lageristen vorausgegangen. - Symbolbild: Pixabay

REGION Hartz-IV-Sanktionen sind unzulässig

Verfassungsgericht urteilt: Existenzsicherung ist Auftrag des Staates

06.11.19 - 904.000 Sanktionen verhängte das Jobcenter im Jahr 2018. Einige davon, urteilte am Dienstagvormittag das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, seien verfassungswidrig. Die eigenständige Existenzsicherung des Menschen sei nicht Bedingung dafür, dass ihm Menschenwürde zukäme; die Voraussetzungen für ein eigenverantwortliches Leben zu schaffen, sei vielmehr Teil des Schutzauftrags des Staates aus Art. 1 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes.

Bisher bekamen Hartz IV- Empfänger, die ohne Grund einen Termin beim Jobcenter versäumten, auf die Dauer von drei Monaten zehn Prozent weniger Geld. Wer sich weigerte, eine bestimmte Arbeit anzunehmen oder eine Fördermaßnahme abbrach, büßte 30 Prozent seines Regelsatzes ein. 60 Prozent weniger bekamen diejenigen, die innerhalb eines Jahres zwei Jobangebote oder Fördermaßnahmen ablehnten. Bei der dritten Weigerung entfiel der Hartz 4IV– Regelsatz komplett- und zwar samt Miete und Heizkosten.   

Das sei unzulässig und verstoße gegen das Grundgesetz, meint das Verfassungsgericht, das damit auf eine Vorlage des Sozialgerichts im thüringischen Gotha reagierte. Sanktionen, die 60 oder gar 100 Prozent vorsähen, seien nicht zumutbar. Auch gibt es eine Lockerung der bisherigen 30 Prozent- Zwangsmaßnahme, die künftig kein Muss mehr sein soll. Zeige sich ein Arbeitslosengeld II- Empfänger einsichtig oder liegt ein Fall von außergewöhnlicher Härte vor, kann darauf vom kommunalen Kreisjobcenter verzichtet werden, die starre Sperre von drei Monaten entfällt komplett.

„Das heutige Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zu Hartz IV- Sanktionen schiebt der Sanktionspraxis der Jobcenter einen Riegel vor. Das ist ein Etappensieg“, urteilt Bündnis90/ Die Grünen auf Twitter. Es sei menschenunwürdig, mit Druck und Zwang Menschen zu erziehen. Die Regierung müsse das Urteil schnellstmöglich umsetzen.

„Ein Quantensprung auf dem Weg zu sozialen Garantien“, meint Katja Kipping, Vorsitzende der Partei Die Linke. „Sanktionen, die Hartz IV um mehr als 30 Prozent mindern, sind mit der Menschenwürde und den Sozialstaatprinzip unvereinbar.“ Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gäbe Rückenwind für den weiteren politischen Kampf der Partei.

Dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts war die Klage eines ausgebildeten Lageristen vorausgegangen. Das Jobcenter hatte dem Mann eine Arbeit in einem Lager vermittelt, woraufhin er erklärte, kein Interesse an der ihm angebotenen Tätigkeit zu haben. Lieber wolle er sich für den Verkaufsbereich bewerben. Hierfür erhielt er vom Jobcenter eine Leistungskürzung von 30 Prozent. Nachdem der Kläger im Anschluss einen Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein für eine praktische Erprobung im Verkaufsbereich nicht eingelöst hatte, minderte das Jobcenter den Regelbedarf um 60 Prozent. Nach erfolglosem Widerspruch erhob er Klage vor dem Sozialgericht. Dieses setzte das Verfahren aus und legte im Wege der konkreten Normenkontrolle dem Bundesverfassungsgericht die Frage vor, ob die Regelungen mit dem Grundgesetz vereinbar seien. (mr) +++


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