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Ahmad Mansour referierte im Haus Oranien auf Einladung des Landkreises Fulda über Integration, Radikalisierung und Prävention. Der Fachtag des Landkreises Fulda stieß auf sehr große Resonanz. - Fotos: Sebastian Mannert

FULDA Fachtag des Landkreises

Stichwort Integration: „Wir dürfen die Diskussion nicht den Radikalen überlassen“

18.11.19 - Ein wichtiges Thema und ein erfahrener Referent sorgten für einen gut gefüllten Saal im Haus Oranien. Unter dem Titel „Tun wir das nicht, tun es andere“ ging es um die Integration vor allem junger Menschen und um die Frage, wie religiös begründeter Extremismus entsteht. Als Experte sprach Ahmad Mansour, ein deutsch-israelischer Psychologe und Autor, der sich diesem Thema seit etlichen Jahren widmet und überdies Projekte zur Prävention entwickelt hat.

Die Veranstaltung des Landkreises Fulda war sehr gefragt: Gut hundert Frauen und Männer von Jugendhilfeträgern, von Fachdiensten des Kreises und Ehrenamtliche, die junge Menschen in unterschiedlichen Problemlagen begleiten, hatten sich angemeldet, um mehr darüber zu erfahren, auf welche Weise sich Jugendliche radikalisieren und wie man präventiv tätig werden kann.

Begrüßt wurde Ahmad Mansour von Vize-Landrat Frederik Schmitt (rechts). ...

Herzlich begrüßte Vize-Landrat Frederik Schmitt den Referenten: „Ich bin sehr gespannt, was Sie zum Thema Integration ausführen, zumal Sie zwei Positionen einnehmen können: das eigene Erleben, als Sie aus Israel nach Deutschland kamen, und Ihre professionelle Einschätzung als Psychologe“, sagte Schmitt und führte aus: „Wir wissen, dass gelungene Integration mehr ist als Sprache plus Arbeit minus Kriminalität. Zum Ankommen gehört auch eine emotionale Komponente, aber ganz sicher ist es unerlässlich, dass man die Werte des Grundgesetzes leben kann und will.“

Ahmad Mansour hielt gewiss, was sich die Gäste versprochen hatten: Bereits in der Pause zwischen Vortrag und Diskussionsrunde gab es lebhafte Gespräche über die Ausführungen des Referenten. Gleich zu Beginn hatte er darum gebeten, die Themen Integration und Radikalisierung nicht zu vermischen. Die Probleme der Integration habe es auch vor dem steigenden Zuzug von Migranten ab 2015 gegeben, und die Gefahr einer Radikalisierung sehe er bei Menschen mit und ohne Migrationshintergrund gleichermaßen.

Als eine wesentliche Hürde der Integration bezeichnete Mansour die Ängste der Menschen, in Deutschland ihre Identität zu verlieren. Für Geflüchtete, vor allem jene aus muslimischen Ländern, wirkten die Errungenschaften der westlichen Welt nicht selten wie eine Gefahr. „Gleichberechtigung, Meinungsfreiheit, sexuelle Selbstentfaltung, gewaltfreie Erziehung und Religionsfreiheit – all das sind wunderbare Werte, die für manche jedoch gefährlich scheinen“, sagte er und konkretisierte: „Manche sehen darin: ,Meine Frau könnte sich einfach von mir abwenden, meine Kinder gehen eigene Wege, meine Familie zerbricht, und über meine Religion können Witze gemacht werden‘. Wer die zugrundeliegenden patriarchalischen Strukturen kennt, versteht, woher diese Ängste kommen“, sagte Mansour. Er plädierte dafür, diesen verunsicherten Menschen auf Augenhöhe zu begegnen.  „Wir müssen darüber reden, Dialogplattformen schaffen, wo die Ängste beider Seiten Thema werden“, sagte Mansour.

Diese Offenheit, dieses freie Denken lehrt Ahmad Mansour gewissermaßen auch in Workshops, die er für Jugendliche veranstaltet. „Wir haben Rollenspiele entwickelt, etwa zur unbedingten Gehorsamkeit gegenüber dem Vater, über die junge Menschen ganz unterschiedlicher Auffassung sind – und darüber diskutieren wir dann und lassen es zu, Dinge in Frage zu stellen. Das ist der beste Weg, Grenzen im Kopf zu überschreiten und Neugierde zu wecken.“ So gelinge es, Jugendliche auf der emotionalen Ebene zu erreichen. „Das ist ungemein wichtig“, sagte Mansour. „Denn nur wenn ich das Gefühl habe, unabhängig zu sein, mitgestalten zu können, kann ich mich auch weiterentwickeln und mich auf Neues einlassen, ohne meine Identität zu verlieren.“ 

Tatsächlich jedoch sei die patriarchalische Enge ein Risikofaktor, die dazu führen könne, sich auch außerhalb der Familie einen strengen Vater, eine strenge Struktur zu suchen. In diesem Zusammenhang wachse die Gefahr, dass die Religion zur allumfassenden Identitätsstifterin werde: „Ich sage von mir: Ich bin ein Israeli, ein Palästinenser, ein Psychologe, seit einiger Zeit ein Deutscher, ein Moslem, ein Vater, eine Ehemann und vieles andere. Wenn ich aber von mir ausschließlich sagen kann: ,Ich bin ein Moslem‘, dann sehe ich darin eine große Gefahr“, sagte der Referent und plädierte eindringlich dafür, auf verunsicherte Menschen zuzugehen und im Dialog auch die eigenen Ängste zu thematisieren: „Wir dürfen diese Diskussionen nicht den Radikalen überlassen.“

Edith Jordan, Leiterin des Fachdienstes Jugend, Familie, Sport, Ehrenamt, dankte Ahmad Mansour für seinen interessanten Vortrag und ihrem Team mit Regionalleiter Christian Münzenberg an der Spitze für die gute Vorbereitung der Veranstaltung. (pm) +++


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