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Um die Menschen und ihr grausames Los nicht zu vergessen, hatte Anja Listmann, die seit Jahren die Geschichte der Juden in der Domstadt studiert, am Donnerstag einen Schweigemarsch organisiert. - Fotos: Carina Jirsch

FULDA Verfolgung und Tod

Schweigemarsch: 135 Juden wurden im Dezember 1941 deportiert

06.12.19 - Es ist ein Stück Fuldaer Geschichte: Vor 78 Jahren wurden 134 jüdische Mitbürger im Alter von zwei Monaten bis 76 Jahren nach Riga deportiert. In der Nacht zuvor mussten sich die Menschen in einer Turnhalle am Jerusalemsplatz einfinden. Bereits im November hatten sie Bescheide mit der Aufforderung bekommen, sich am 7. Dezember mit höchstens 30 Kilogramm Gepäck vor Ort einzufinden.

Bewacht von der Gestapo, wurden sie über Nacht eingesperrt. Ohne weitere Information, sie wussten nur, dass sie in ein Arbeitslager nach Lettland gebracht werden sollen, begann am Morgen des 8. Dezember 1941 der schwere Gang durch die Bahnhofstraße bis zum Fuldaer Bahnhof. Einiges davon, was danach genau geschah, ist nicht bekannt. Die traurige Wahrheit: Lediglich zwölf von ihnen überlebten die Machenschaften des NS-Regimes in den kommenden Jahren.

Um die Menschen und ihr schreckliches Los nicht zu vergessen, hatte Anja Listmann, die seit Jahren die Geschichte der Juden in der Domstadt studiert, am Donnerstag einen Schweigemarsch organisiert. Er führte an den originalen Schauplätzen vorbei, vom Jerusalemsplatz bis zum Bahnhof. „Eigentlich waren es 135 Menschen“, weiß Anja Listmann. „Eine Frau hat sich kurz vor der Deportation selbst das Leben genommen.“ Bis nach Kassel führte das erste Stück der grausamen Reise. „Dort hat man die Leute mit Beschimpfungen und Tritten empfangen.“ Schlimm ging es weiter: „Die Menschen mussten sich nackt ausziehen und einer Körperkontrolle unterziehen.“ Wieder eingesperrt, wartete man auf den Weitertransport.

„In Posen wurde dann das Gepäck abgehängt und dem Winterhilfsdienst überstellt. Die Habseligkeiten der Juden wurden unter dem deutschen Volk aufgeteilt.“ Auch das Gut, welches die Menschen in Fulda zurückgelassen hatten, wurde umgehend „verwertet“. „Das Finanzamt hat alles, vom Puppenwagen bis zum teuren Gerät, versteigert.“ Der Besitz der Juden, so meinte sie, sei billig zu haben gewesen. „Man wollte alles so schnell wie möglich aus den Augen haben, nichts sollte mehr an die Deportierten erinnern.“

Auch heute, so sagte Listmann, „darf man die Opfer aus den Erschießungsgräben und den Aschegruben nicht vergessen. Es war ein industrieller Massenmord, an den wir uns erinnern müssen.“  

Bevor sich die Teilnehmer des Schweigemarschs am Donnerstag auf den Weg machten, verteilte die Organisatorin Zettel mit den Namen der Juden, außerdem Informationen zu deren Schicksal. Am Bahnhofsvorplatz angekommen, wurden die Daten all derer verlesen, die damals gen Osten geschickt wurden. „Sie ahnen nicht, wie viel das heute für die Angehörigen bedeutet.“ (mr) +++


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