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Hassliebe zum Smartphone: Shide Baig brilliert in ihrem Solostück „Goldener Käfig - Wenn zu Hause in der Fremde ist“ - Fotos: Theater mittendrin

FULDA Bewegendes Solo

„Goldener Käfig - Wenn zu Hause in der Fremde ist“ von und mit Shide Baig

29.01.20 - Ein Stück über Fremdheit und den Wunsch dazu zu gehören, über Einsamkeit und Beziehungen, über die virtuelle Welt und das reale Leben, über eine Frau und ihr Smartphone und nicht zuletzt – über jeden von uns, hatte jetzt im Theater mittendrin in der Fuldaer Lindenstraße Premiere. Eine Frau sitzt auf einer Kiste und wischt über den Bildschirm ihres Smartphones, das immer mal wieder vor sich hin dudelt, während sich der Zuschauerraum langsam füllt. Das Bühnenbild minimalistisch: schwarze Wände, weißer Boden.

Die iranische Schauspielerin Shide Baig präsentiert ihr knapp einstündiges Solostück, in dem sie durch die enorme Intensität ihres Spiels die Zuschauer in alle emotionalen Höhen und Tiefen mitreißt, die die Protagonistin in dieser Stunde durchlebt. Ein Stück mit autobiografischen Zügen. Kernthema ist die Beziehung einer Frau zu ihrem Smartphone. Oder über Isolation, Einsamkeit und Abhängigkeit?

Das Gerät bedeutet für sie die Verbindung mit der (Außen-)Welt, mit ihrer Familie und ihren Freunden in der fernen Heimat, die ihr aber keine (mehr) ist, ihren Erinnerungen, ihren Wünschen und (enttäuschten) Hoffnungen. Sie klagt ihr Smartphone an: „Du hast es mir versprochen!“ Das Gerät ist ihre Vergangenheit, ihre Gegenwart, ihre Zukunft.
Und noch viel mehr: sie Identifiziert sich völlig mit ihrem Smartphone - „Du bist ich und ich bin Du“. Ohne ihr Handy ist sie verloren, nichts, bedeutungslos. Ihr Leben findet im virtuellen Raum statt, den Schritt in die reale Welt wagt sie nicht.

Einer Welt von Unfreiheit und Bedrohung entkommen, wird in politisch und wirtschaftlich sicherer Umgebung ihr neues Heim zum „Goldenen Käfig“, in dem sie ihr Smartphone mit seinen Erinnerungen, Informationen und Versprechungen gefangen hält und daran hindert sich ihrem neuen Leben und dessen Herausforderungen zu stellen.

In dem einstündigen Monolog mit ihrem Smartphone erhält der Zuschauer einen Einblick in die seelische Befindlichkeit einer Fremden in der Fremde, die in ihrer alten Heimat alles hinter sich gelassen hat und „hier“ nicht dazu gehört – Realität, die nicht der entspricht, die sie mit ihrem Smartphone „ergoogelt“ hatte. Ihre engsten persönliche Beziehungen aus ihrem „alten“ Leben lösen sich auf und haben in ihrem „neuen“ Leben keinen Bestand. “Wir leben in zwei verschiedenen Welten. Und dann hatten wir uns nichts mehr zu sagen.“ Man erfährt von ihren Wünschen, Hoffnungen, Erinnerungen, Ängsten, Gedanken und Erfahrungen. Von ihrer Einsamkeit und Verzweiflung. „Sie schauen auf mich und mein Handy und sagen Was die alles haben! Dabei wissen sie nicht, dass Du alles bist, was ich habe“. Gefangen in der virtuellen Welt scheint es ihr unmöglich, neue Beziehungen aufzubauen. „Wieso kannst Du alles sein? Warum ist alles was mir wichtig ist, in Dir drin? So nah? So kalt?“ 

Was bedeutet es für einen Menschen, wenn seine einzige Beziehung die zu seinem Smartphone ist? Welche Rolle spielt das Smartphone für jeden Einzelnen? Segen oder Fluch? Fluch und Segen zugleich? Ein vielschichtiges, sehr dichtes Stück, das auch den Zuschauer immer wieder auf sich selbst zurückwirft, den Spiegel vorhält und nachdenklich zurücklässt.

Shide Baig, die selbst seit 2017 in Deutschland ist, gelingt es mit ihrem Theaterstück, die Situation und Erfahrung vieler Geflüchteter für uns erlebbar zu machen. Ebenso reflektiert es den Umgang mit dem Handy in der digitalen Gesellschaft. Nach kurzer betroffener Stille belohnte das Publikum Shide Baig mit begeistertem, anhaltendem Applaus.
Die anschließende Premierefeier bot die Möglichkeit zu gemeinsamen Gesprächen und gegenseitigem Austausch. Auch Stunden später wirkt das Stück nach. Shide Baig beeindruckte und fesselte in ihrer ersten deutschen Soloproduktion  durch ihre Authentizität und Präsenz. Sowohl die Schauspielkunst der jungen Iranerin als auch die Thematik und die Inszenierung des Stücks sind absolut sehens- und erlebenswert und bieten viele Anregungen zu weiterführenden Diskussionen.

Weitere Aufführungen im Theater mittendrin: 06.02.2020, 08.03.2020, 15.05.2020. „Der Goldene Käfig“ kann gebucht werden und ist auch mobil. Es empfiehlt sich besonders auch für Schulen. Information und Buchungen über „Theater mittendrin, Lindenstraße 35, 36037 Fulda, www.theater-mittendrin.de, Tel.: 0661/29195737. (Konstanze Goldbach)+++


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