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Die älteste Urkunde von Nieder-Gemünden (Einordnung zwischen 750-779). - Fotos: privat

GEMÜNDEN (FELDA) 1.250-jähriges Jubiläum in Nieder-Gemünden

Teil1: Von der Frühgeschichte bis hin zur ersten urkundlichen Erwähnung

02.02.20 - Für die 650 Einwohner im ländlichen Nieder-Gemünden ist das Jahr 2020 ein ganz besonderes: ihr Dorf feiert 1.250-jähriges Jubiläum. Ein Jubiläum bringt meist auch eine Festschrift mit sich - worauf das Komitee dieses Mal jedoch verzichtet. Im Fokus soll stattdessen ein mehrteiliger Auszug aus der Geschichte und der Gegenwart des Dorfes stehen. "Diese werden dann im Laufe des Jahres veröffentlicht", erklärt Bernd Reitz, der bereits fleißig am Schreiben ist. Begonnen wird im ersten Teil mit Hinweisen auf die Frühgeschichte bis zur ersten urkundlichen Erwähnung:

Nieder-Gemünden liegt im Schnittpunkt zweier Täler, deren Flussläufe Markierungsmerkmale für die Besiedlung waren. Funde aus der Altsteinzeit sind selten, hingegen sind Funde aus der Jungsteinzeit öfters vorhanden, sodass auf erste Sesshaftwerdungen geschlossen werden kann. Der Beginn der Jungsteinzeit ist für Mitteleuropa mit etwa 5000 vor Christi anzusetzen. Mit Sicherheit ist eine Besiedlung für die Bronzezeit nachgewiesen. Die Bronzezeit ist zeitlich in etwa von 2200 vor Christi bis 800 vor Christi einzuordnen. Ein dichter Gürtel von Hügelgräbern um das Mündungskreuz von Felda und Ohm sowie dem Örtenröder Wässerchen legt davon Zeugnis. Keltische Fluss- und Flurnamen weisen auf die Volksgruppe der Kelten hin (450 vor Christi bis ca. Christi Geburt).

Da das Besiedlungsgebiet der Chatten von Fritzlar im Norden bis Gießen und Marburg sich zog und Flurnamen auf die chattische Götterverehrung hinweisen, ist nicht auszuschließen, dass auch Chatten in der Vorgeschichte Nieder-Gemündens dort sesshaft waren. Das Kerngebiet des chattischen Siedlungsraumes waren die Ebene von Fritzlar, das Kasseler Becken sowie die westhessische Senkenlandschaft bis ins Gießener Becken. Zeitlich einordnen lässt sich diese Epoche um die christliche Zeitenwende. Am Rande sei darauf verwiesen, dass die Chatten als Namensgeber für Hessen in der Literatur bezeichnet werden. Das Wort Hessen ist auf die allmähliche Wortwandlung des Stammesnamens der germanischen Chatten über mehrere Zwischenschritte zum heutigen Namen Hessen zurückzuführen.

Mit der Zeitenwende nähert sich der Zeitpunkt, wo aus der Vorgeschichte Historie und Geschichte für Nieder-Gemünden wurde. Eine erste Quelle berichtet von dem Vorhandensein eins Dorfes mit dem Namen Gemunden - es ist anzunehmen, dass auch schon Straßen durch die Gemarkung führten. Ein alter Vicinalweg von Homberg kommend traf hier auf die Straße, die im späten Mittelalter (1300 bis 1500 n. Chr.) den Namen Burg-Gemunderstraße führte und eine bedeutende Nord-Südverbindung darstellte.

Der damalige Dorfplan.

So wird auch das Straßenkreuz bei Nieder-Gemünden bestimmend für die Bedeutung des Ortes im frühen Mittelalter (500 bis 1000 nach Chr.) und seine damit verbundene erste urkundliche Erwähnung in der Karolingerzeit. Die Karolinger, ein Herrschergeschlecht der westgermanischen Franken, regierten von ca. 750 bis ca. 950 nach Christi. Verbunden mit dieser Zeit ist ihr berühmtester Vertreter: Karl der Große. Karl der Große erlangte als erster westeuropäischer Herrscher am 25. Dezember 800 die Kaiserwürde. Er wurde im Petersdom in Rom gekrönt und übernahm die Nachfolge der römischen Imperatoren.

Nicht unerwähnt in diese Zeitschiene ist Bonifatius zu nennen. Bonifatius, sein eigentlicher Geburtsname Wynfreth, war einer der bekanntesten Missionare, Bischof von Mainz und Gründer mehrerer Klöster, darunter Fulda. Geboren wurde er um 673 und ermordet in 754 oder 755. Gründe, weshalb in diesen Ausführungen auf Bonifatius Bezug genommen wird, sind darin zu sehen, dass Bonifatius sich anschickte, von der Amöneburg kommend das Christentum im Lahn- und Hessengau zu verbreiten. Vielleicht dürfte Bonifatius auf dem heute sogenannten Pilgerpfad gewandert sein, sicher ist jedoch, nach ihm sind dort viele Pilger und Mönche auf dem Weg nach Fulda gewandert. Der Weg befindet sich 300 Meter nördlich der ehemaligen Nieder-Gemündener Gärtnerei in West-Ost-Richtung, der Flurname ist auch heute noch der „Pilgerpfad“.

Und genau aus Fulda kommt die für das Dorf Nieder-Gemünden entscheidende Urkunde der Ersterwähnung. Die Urkunde wird heute im Staatsarchiv Marburg aufbewahrt. In dieser Urkunde übertragen Graf Arcgoz und seine Gemahlin Liubbirc den dritten Teil ihres Besitzes zu „Zegemunden“. Die Urkunde schießt mit dem Zusatz, Graf Arcgoz übergibt in diesen Orten dem heiligen Bonifatius den dritten Teil seiner Güter mit allem Zubehör.

Bei Graf Arcgoz dürfte es sich um einen Grafen des Oberlahngaues handeln. Die Urkunde selbst gehört zum Lahngaukartular der sogenannten Eberhardschen Summarien. Nach Wikipedia ist ein Kartular Zitat „eine Quelle, die die Texte von Urkunden in Abschriften“ enthält. Die zeitliche Fixierung ist von Historikern für die Zeit von 750 bis 779 angesetzt. Gutachten legen die Ersterwähnung in die Amtszeit des Abtes Sturmius. Während es in der Vergangenheit vage Zweifel gab, mit dem Ort „Zegemunden“ nicht Nieder-Gemünden zu meinen, ist diese Zuordnung nun gemäß jetzigem Stand der Forschung eindeutig.

Allerdings ist es forschungsüblich, bei nicht datengenauer urkundlicher Ersterwähnung von Ortschaften, das Todesjahr des jeweiligen Abtes in dessen Amtszeit eine Erstbenennung erfolgt ist, als Ersterwähnungsdatum heranzuziehen. Da jedoch auch bereits in 1970 offensichtlich eine entsprechende Stellungnahme nicht in der Altregistratur des Staatsarchivs Marburg zu finden ist und das hessische Innenministerium im Jubiläumsjahr anlässlich der 1200-jahr-Feier die Freiherr-Vom-Stein-Medaille genau aus diesem Grund verlieh, ist die nun anstehende 1250 Jahr-Feier ein würdiger und richtiger Rahmen, dass sich der Ort Nieder-Gemünden, seine Bürger und Gäste der Geschichte erinnern, der Gegenwart erfreuen und mit großer Zuversicht der Zukunft entgegensehen. (pm) +++


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