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Rasheed Alikhel (links) mit Bernhard Schreiner - Fotos: Arnulf Müller

FULDA 20 Jahre Perspektiva

Von Null auf Profi: Rasheed Alikhel ist dank Unterstützung mit Vollgas am Start

14.03.20 - Der 21-jährige Rasheed Alikhel kam im Juli 2015 als Flüchtling nach Deutschland, inzwischen ist er Verkäufer im Einzelhandel beim "Louis Mega Shop" für Motorradbekleidung und Motorradzubehör in Fulda. Ermöglicht wurde das durchs Unternehmernetzwerk Perspektiva.

Bernhard Schreiner vom "Louis Mega Shop" erläutert, wie die Kooperation zustande kam: "2016 kam die Anfrage von Perspektiva, ob wir Interesse hätten, einem jugendlichen Flüchtling eine Chance zu geben. Das war Neuland für uns, wir hatten nie darüber nachgedacht. In der Situation damals wusste ja keiner, auf was er sich einlässt. Wir haben gesagt: 'Wir sind offen, aber wir müssen uns erst ansehen, was für eine Person er ist und welche Voraussetzungen er mitbringt.'"

Im Verkauf


Alikhel, der inzwischen eine Verkäufer-Lehre abgeschlossen hat und im dritten Lehrjahr für den Abschluss
des Kaufmanns im Einzelhandel ist, hat einen langen Weg hinter sich: "Ich bin ganz alleine nach Deutschland gekommen. Es war der schwerste Weg in meinem Leben. Ich musste immer wieder arbeiten, um weiterzukommen. In der Türkei ging es mir am schlechtesten. 14 Stunden arbeiten, und dafür gab es nur Essen. Am Ende, wenn du Geld brauchtest, um mit deiner Familie zu telefonieren, haben sie gesagt: 'Kein Geld!' Irgendwann mussten wir den Betrieb verlassen, auch dann gab es kein Geld. Da standen wir draußen auf der Straße. Wir sind auch mal zur Polizei gegangen, aber die haben gesagt: 'Wenn ihr keine Papiere habt, können wir euch nicht helfen!' Da haben wir geweint. Ich habe gedacht, ich werde verrückt im Kopf. Manchmal träume ich von dieser Zeit, und wenn ich dann aufwache, denke ich: Gott sei Dank, ich bin hier!"

Die Reise Alikhels nach Deutschland hat im Anschluss ein Jahr und drei Monate gedauert. Am Anfang war es sehr schwer wegen der mangelnden Sprachkenntnisse. "Im Juli 2015 kam ich hier an – mit null Deutsch. Zunächst lebte ich in einer betreuten Wohngruppe in Dietershausen. Als ich 18 wurde, kam ich zu Perspektiva. Wir gingen von der Schule aus immer einen Tag dorthin. Uns wurde viel gezeigt und erklärt, auch wie man Bewerbungen schreibt. In dieser Zeit habe ich meinen Hauptschulabschluss gemacht, ebenso ein Praktikum als LKW-Fahrer und bei Norma. Auch hier bei Louis habe ich mich für ein Praktikum beworben."

Eigeninitiative wird groß geschrieben bei Perspektiva, um den Nachwuchs auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten, wie auch Schreiner betont: "Der Kontakt wurde über Perspektiva hergestellt, aber im Endeffekt musste er sich selbst bewerben. Es bringt ja nichts, wenn man nur etwas Vorgedrucktes bekommt, was nicht aussagekräftig ist. Anhand dieser Bewerbung konnte man schon sehen, dass er zielstrebig ist, dass er seinen Schulabschluss macht. Wir haben oft Bewerber, die von einer Maßnahme in die nächste kommen, aber nichts richtig fertig kriegen. Bei ihm war abzusehen, dass er auch einen gewissen Ehrgeiz hat. Seine Deutschkenntnisse waren nicht perfekt, aber für die kurze Zeit, die er in Deutschland war, erstaunlich gut. Wir konnten uns verständigen und hatten damit eine Basis, auf der wir aufbauen konnten. Im zweiwöchigen Praktikum haben wir gesehen: Das funktioniert. Fachliche Kenntnisse waren natürlich noch nicht vorhanden, aber dafür gibt es ja die Ausbildung."

Die Arbeit im Fachhandel war für Alikhel zuerst eine Herausforderung, half aber bei der Integration: "Die Kommunikation mit den Menschen hat mir gut gefallen. Da habe ich gemerkt, das ist der beste Weg, in das Land
hineinzukommen. Die ganzen Namen zu lernen wie Visier, Helm und die Namen der Ersatzteile, das war wirklich schwer. Nach zwei Wochen habe ich vom Chef die Meldung bekommen: Wir können dich übernehmen für die Verkäufer-Vollausbildung."

Im Lager


Auch unternehmensintern war die Personalentscheidung im Vorfeld diskutiert worden: "Für uns war es anfangs ein gewisses Wagnis. Ich hatte im Team intern besprochen, ob wir es wirklich wollen, und alle haben es befürwortet. Aber wir haben eben auch permanenten Kundenkontakt. Zu dem Zeitpunkt war nicht abzuschätzen, wie die Kunden darauf reagieren würden. In 2015/16 war die Stimmung teilweise grenzwertig. Ich war dann sehr überrascht, wie positiv die Kunden reagiert haben. Ein paar Querköpfe gibt es immer, egal in welchem Land man lebt. Auch meine Nase passt nicht jedem", erklärt Schreiner. Das Unternehmernetzwerk Perspektiva hat Alikhel auch privat bei der Wohnungssuche unterstützt: " Zunächst haben wir auf dem Theresienhof gewohnt. Zur Ausbildung bin ich dann mit drei anderen Jugendlichen ans Waldschlösschen gezogen. Jetzt im Sommer habe ich eine eigene Wohnung gefunden. Unterstützung war immer da. Ganz alleine solche Ziele zu schaffen, ist sehr schwer. Wenn man einfach so ins Internet schaut, bekommt man keine Wohnung, solange man in der Ausbildung ist."

Für den Spracherwerb unterstützt das Unternehmen seinen Auszubildenden: "Zurzeit stellen wir Rasheed einen zweiten Tag in der Woche frei für eine Art Deutsch-Nachhilfe in Kaufmannssprache. Die ganzen Wirtschaftsbegriffe, die man für die Prüfung braucht, lernt man ja nicht umgangssprachlich und auch im Geschäftsleben nur sehr bedingt. Das ist eine Investition in die Zukunft, er soll seine Prüfung ja bestehen." +++


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