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Nieder-Gemünden feiert in diesem Jahr sein 1.250-jähriges Jubiläum. Aus diesem Anlass blickt Bernd Reitz in die Geschichte des Dorfes. - Foto: Archiv Gemünden

GEMÜNDEN (FELDA) 1.250-jähriges Jubiläum in Nieder-Gemünden

Teil 2: von der urkundlichen Erwähnung bis zum Zweiten Weltkrieg

11.03.20 - Im ersten Teil der Serie anlässlich des 1250-jährigen Bestehens von Nieder-Gemünden wurde auf die Zeit bis zur ersten urkundlichen Erwähnung eingegangen. In dem nun folgenden Abschnitt wird der Versuch unternommen, die Geschichte Nieder-Gemündens von dieser Zeit bis zum Ende des 2. Weltkrieges darzustellen. Ein solcher Versuch ist lückenhaft und kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. 

In der ersten Darstellung dieser Schriftenreihe wurde auf die Ersterwähnungsurkunde der Schenkungen aus den sogenannten Eberhardschen Summarien erwähnt. Für die Historie von Nieder-Gemünden ist es jedoch unerlässlich, auf weitere Urkunden hinzuweisen. Es würde an dieser Stelle zu weit führen, die in den folgenden Jahren und Jahrzehnten sich häufenden Belege und Urkunden aufzuzählen und zu kommentieren. Von größerer Bedeutung für die Bezeichnung Gemunden und damit für Nieder-Gemünden, sind zwei Urkunden. Diese sind bei Dronke Tradition unter der Nummer 81 und 82 aufgeführt. Hier überträgt ein Giselbrecht dem heiligen Bonifatius „in dem Dorfe Gemunden eine Rodung, die der Fluss Feltcruccha durchfließt“.

Der Fluss „Feltcruccha“ entspringt bei der heute noch sogenannten Wüstung Feldkrücken (südöstlich von Elpenrod). Da es sich bei dem erwähnten Fluss keinesfalls um die Felda handeln kann, wird die „Feltcruccha“ zum Beleg für das heutige Nieder-Gemünden und gibt die ersten Anhaltspunkte für die Existenz des Dorfes. Heute ist das Gewässer als das Örtenröder Wässerchen bekannt. Auch der Ort Örtenrod ist ebenso wie Feldkrücken eine erloschene Siedlung.

Um Klarheiten in Bezug auf geschichtliche Gegebenheiten aufzuzeigen, ist dennoch auf eine weitere Urkunde aus dem Jahre 1372 hinzuweisen: Kaiser Karl erteilte dem Grafen Gottfried von Ziegenhain das Privileg, dass „im Dorfe Gemunden zukünftig ein Markt seyn soll und dass er dasselbe vesten möge mit Mauern und Thornen, auch daselbst einen gewöhnlichen Wochenmarkt anlegen, dazu ein Straßengericht, Stock und Galgen nach Gewohnheit des Reichs haben möge“. Damit ist auch auf das Gericht Gemünden zu verweisen, es bildete einen Gerichtsbezirk, der sich auf der Grundlage der fuldischen Vogtei herausgebildet hatte - er bestand im Jahr 1311 aus 15 Dörfern. An dieser Stelle ist zu bemerken, dass sich in Nieder-Gemünden auch eine mittelalterliche Zollstelle befand, welche zuvor Burg-Gemünden (1390) besessen hatte. Im Rahmen der Feierlichkeiten zur 750-Jahr-Feier von Burg-Gemünden in 2024, wird hierauf sicherlich eingegangen werden.

Auf dem Galgenberg, rechts der Straße nach Elpenrod, stand das Hochgerüst in Nieder-Gemünden. Die Urteile hierzu wurden im Rathaus gesprochen, das „Urteilsstübchen“ des Rathauses ist auch heute noch älteren Nieder-Gemündener vom Namen her bekannt. Der Flurname Scheuergerüst gibt auch in 2020 dazu Zeugnis. Die großen Verwaltungsreformen des 19. und 20. Jahrhunderts ließen die Ämter und Gerichte durch Zusammenschlüsse verschwinden, Verwaltung und Justiz wurden voneinander getrennt, wobei Landrats- und Landgerichtsbezirke entstanden. Eine Verwaltungsreform in 1832 brachte Kreise hervor (Kreis Alsfeld), weitere vielfältigen Reformen ließen so auch im Laufe der Zeit den heutigen Vogelsbergkreis entstehen.

Historische Belege von Karl Erb

Beschäftigen wir uns in diesen Tagen mit der Geschichte Nieder-Gemündens, so stoßen wir immer wieder auf historische Belege von Karl Erb. Er war es, der in den 1950er Jahren fortfolgend die Heimatforschung in vielfältigen Studien intensiv betrieb. Ihm ist es zu verdanken, dass auch kommende Generationen auf fundierte chronistische Ausführungen zurückgreifen können. Ohne sein Tun wäre Nieder-Gemünden seiner Historie ärmer. Er selbst verweist jedoch auch immer bei seinen Arbeiten auf niemals auszuschließende Ungewissheiten. Grundlage seines Tuns war streng wissenschaftlich vorzugehen und alle nur irgendwie verfügbaren Aufzeichnungen und Texte zu sammeln, zu sichten und in einen logischen Zusammenhang zu bringen. Er, Karl Erb, „besaß die Weisheit schöne, wahre und gute Geschichten aufzunehmen“. Zitat Papst Franziskus aus 2020, das auf Karl Erb mich Sicherheit zutrifft. Und zu diesen Geschichten gehört auch die Geschichte vom „Alten Dorf zu Nieder-Gemünden“.

Gegründet auf alte Flurnamen gibt es die Sage, dass die erste Siedlung Nieder-Gemündens am Zusammenfluss von Ohm und Felda war; u.a. deutet der Flurname die „Hühneräul“ darauf hin. Die andauernden Überschwemmungen an dieser Stelle seien den Bewohnern lästig geworden und der Dorfrat habe daraufhin beschlossen, eine Umsiedlung vorzunehmen. Über den Ort der Umsiedlung sei es zu innenpolitischen Differenzen gekommen, aufgrund derer ein Teil der Bewohner ohmaufwärts zog und um den Felskegel an der Ohmfurt das Dorf Burg-Gemünden gegründet habe. Der Rest der Ortsbürger lenkte seine Schritte feldaaufwärts und baute seine Hütten, da wo jetzt Nieder-Gemünden auf der Karte und in Natur zu finden ist. Soweit die Sage.

Beim Sichten weiterer Unterlagen ist jedoch erkennbar, es muss tatsächlich eine erste Siedlung gegeben haben, eben ein „Altes Dorf“. Darauf weisen heute noch die gebräuchlichen Flurnamen „Gärten im alten Dorf“ an der Straße nach Rülfenrod hin. Flurnamen östlich der Straße nach Elpenrod deuten ebenso darauf hin, wir kennen hier die „Alte Mühle“, in Vergessenheit geraten sind in diesem Bereich die alten Flurnamen „Vorm Korlen an der Gmein“, „Bey den Galgen an der Gemein“ oder „Am Weitenborn an der Gemein“. Diese Sage zum „Alten Dorf“ wird neben den Flurnamen durch den Flussnamen Feldcruccha untermauert. Das heutige Örtenröder Wässerchen muss wohl früher den Namen Feltercruccha geführt haben, und an diesem Flüsschen war dann auch die „Alte Mühle“. Die Gründe für die Umsiedlung der Bewohner auf den heutigen Kirchenhügel (Rathausplatz) dürften verschiedener Art gewesen sein, als wichtigster lässt sich angeben, dass die „Altenburg“ (eine Bergkuppe in der Gegend des alten Dorfes), die nicht nur Fliehburg in Kriegs- und Notzeiten, sondern auch ein Ort altgermanischer Götterverehrung war, durch das Christentum ihres Kultwertes beraubt wurde.

Karl Erb, war langjähriger Schulleiter der Dorfschule in Nieder-Gemünden, später auch Rektor der Mittelpunktschule (Pestalozzi-Schule) in Nieder-Gemünden, zu dem Schulwesens Nieder-Gemünden wird ein gesonderter Bericht erstellt. Die Wurzeln des Heimatbuches der Gemeinde Gemünden sind auf Karl Erb zurückzuführen, auch hat er sich in der Festschrift zur 1200-Jahr-Feier intensiv mit der Geschichte Nieder-Gemündens auseinandergesetzt, von großer Bedeutung darüber hinaus sind seine Ausführungen in den Chroniken zu Nieder-Gemünden, die im Gemeindearchiv in Burg-Gemünden verwahrt werden.

Seit alters her war das Dorf ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt, als Nord-Süd-Verbindung führte die sogenannte „Kurze-Hessen“ durch Nieder-Gemünden: heute noch heißt der über den Bernhard führenden Weg „Die Straß“, sie führt zur Abspann, die quer zur Straße laufende Verbindung ist der bereits im 1. Teil erwähnte „Pilgerpfad“. Die frühere Nord-Südverbindung ist durch die Autobahn abgelöst worden, beim Bau der Autobahn wurden in der Gemarkung „Hirschbach“ Hufeisenfunde zu Tage gebracht, die diese Aussage stützen. Beim Schreiben dieser Zeilen wird der Verkehrsknotenpunkt Nieder-Gemünden weiter ausgebaut, die im Bau befindliche A 49 wird in unserer Gemarkung in den kommenden Jahren auf die A5 geführt werden. 


Kriegszeit in Nieder-Gemünden

Auch die Kriegszeiten sind nicht spurlos an Nieder-Gemünden vorüber gegangen - und je weiter das Geschichtsbuch zurückgeblättert wird, umso spärlicher fließen die Informationen. Von dem dreißigjährigen Krieg von 1618-1648 geben zugängliche Kastenrechnungen Zeugnis, Zerstörungen wurden auf „Gemeinkosten“ wieder hergestellt. Die ersten beiden schlesischen Kriege gingen unbemerkt an Nieder-Gemünden vorüber, mit dem 3. Schlesischen Krieg (7-jähriger Krieg) war auch Nieder-Gemünden ab 1756 ein „Tummelplatz ausländischer Heere“.

Kaum hatte sich das Dorf erholt „brannte die Fackel des Krieges“, entfacht durch den Sturm auf die Bastille am 14.Juli 1789, erneut. In Folge dessen und den neu erworbenen Freiheiten von „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ aus der französischen Revolution, kommt der neu am 16.8. 1789 antretende Pfarrer Georg Münch ins hadern. In 1804 führt Münch Beschwerde über die „Verachtung der öffentlichen Gottesverehrung“. „Die nichtswürdigen Burschen sollten bei Beharren auf ihren schrecklichen Irrwegen in den öffentlichen Bier- und Brandweinhäusern und ihrer Ergötzlichkeit der übrigen Freß- und Saufgesellen zum Zuchthaus nach Gießen gebracht werden“. 

Die Kriegswirren des 1. Weltkrieges werden an dieser Stelle nicht näher beleuchtet, das Heimatbuch der Gemeinde Gemünden sei dem Leser dazu sehr empfohlen, welches ist in der Gemeindeverwaltung Gemünden, Felda erhältlich ist.

Aus dem zweiten Weltkrieg ist in der Chronik Nieder-Gemündens der Luftangriff auf den Ehringshäuser Bahnhof am Palmsonntag  (25. März 1945) überliefert und die damit verbundene „Zersplitterung der Kirchenfenster zu Nieder-Gemünden“. Insgesamt ist der schreckliche Höhepunkt des 2. Weltkrieges in Nieder-Gemünden um die Osterzeit. Die Chronik weiß hierzu von Beschüssen durch amerikanische Tiefflieger am Gründonnerstag (29.März 1945), zu berichten. Am 15. April  erfolgt die erste Einquartierung  einer amerikanischen Instandsetzungskompanie, noch in der folgenden Nacht erfolgt die zweite Einquartierung. Ende Juni wird nahezu das gesamte Bahnhofsviertel durch den Stab eines Artillerieregimentes belegt. Für uns heute ist es unvorstellbar, dass hierzu ganze Privathäuser geräumt wurden.

Im in den nächsten Wochen folgenden 3. Teil wird sich der Nachkriegsentwicklung und wirtschaftlichen Entwicklung von Nieder-Gemünden zugewandt. (pm) +++

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