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Unsere Gastkommentatoren: die angehenden Mediziner Dominik Schuldis und Adrian Böhm vor dem Städtischen Klinikum in Karlsruhe. - Foto: privat

REGION Protest gegen Hammer-Examen!

Die Meinung von Nachwuchs-Ärzten: "Politik nimmt uns nicht ernst!"

Über die GastkommentatorenAdrian Böhm (Jahrgang 1989) aus Eichenzell bei Fulda ist Student der Humanmedizin an der Albert-Ludwig-Universiät in Freiburg und hat kürzlich sein Praktisches Jahr (PJ) erfolgreich beendet. Dominik Schuldis (Jahrgang 1987) aus Wittnau ist ebenfalls Student der Humanmedizin an der Albert-Ludwig-Universiät in Freiburg und hat kürzlich sein Praktisches Jahr (PJ) erfolgreich beendet.

28.03.20 - Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will Medizinstudierende so schnell wie möglich in die Kliniken bekommen, um in der Corona-Krise die Patientenversorgung zu sichern. Deshalb plant das Bundesgesundheitsministerium eine Änderung der ärztlichen Approbation. Und die sorgt bundesweit für Empörung unter Medizinstudenten.

OSTHESSEN|NEWS veröffentlicht hier einen Gastkommentar, der die Lage der Studierenden beschreibt:

Infolge der Corona-Krise spürt in Deutschland mittlerweile jeder Einzelne enorme Auswirkungen auf sein persönliches Leben. Auch für uns Medizinstudierende sind die Folgen bereits spürbar. Ihrem Selbstverständnis und ihrer Berufsethik entsprechend, haben sich innerhalb kurzer Zeit mehrere tausend Medizinstudierende selbst organisiert und sich ihren Universitätskliniken als freiwillige Helfer angeboten. So wollen wir, wie viele andere Berufsgruppen, die aktuell über sich hinaus wachsen, unseren Beitrag für die Gesellschaft leisten. Bei dem Einsatz sollen berufliche Vorerfahrungen und der Studienfortschritt Berücksichtigung finden.

Das Gesundheitsministerium hat in der vergangenen Woche einen Referentenentwurf zur Abweichung der Approbationsordnung vorgestellt. Dieser soll die weitere Ausbildung der Studierenden während der Pandemie regeln. Als Grundlage dient das Bevölkerungsschutzgesetz, das am Freitag im Bundesrat verabschiedet wurde. Das 2. schriftliche Staatsexamen soll in den Mai 2021 verschoben werden und die Studierenden des 5. Jahres sollen direkt mit dem praktischen Jahr in den Kliniken beginnen. Am Ende dieses Jahres soll mit der Hälfte der üblichen Lernzeit von 100 Tagen das 2. und 3. Staatsexamen - das Hammer-Examen - gemeinsam stattfinden. Das ist für jeden unzumutbar. Sollte man in Quarantäne müssen oder aus anderen Gründen mehr als 30 Tage ausfallen, so soll diese Zeit in der Lernphase am Ende des PJ nachgearbeitet werden.

Hier wurde eine Entscheidung ohne Kompromiss oder Dialog gefällt. Dass ein Gesetzesentwurf, wie der jetzige, vor Allem eine klare Lösung der aktuellen Situation zum Ziel hat und dabei nicht alle Wünsche der Studierenden berücksichtigen kann, ist nachvollziehbar. Dass aber seitens der Politik so gut wie keine unserer Forderungen berücksichtigt wurden, sehen wir als die verpasste Chance, diese Situation als gemeinsamen Kraftakt zu begreifen.

Der Eindruck entsteht, man wolle schnell eine große Anzahl Studierender in die Krankenhäuser bekommen. Dies aber ausschließlich zu deren und durchaus nicht kleinzuredendem Nachteil. Die Studierenden verlangen schon seit längerer Zeit in ihrer Forderung "faires PJ" zumindest ein Mindestmaß an Voraussetzungen, die geschaffen werden müssen, um im Krankenhaus effektiv und mit Struktur arbeiten zu können. Oftmals mangelt es an Umkleiden und Dienstkleidung für die Studierenden. In manchen Kliniken gibt es keine Aufwandsentschädigung. Das Maximum beträgt aktuell in wenigen deutschen Krankenhäusern 853 Euro - in Vollzeit, ohne Krankenversicherung. Der Durchschnittsverdienst liegt deutlich darunter. Man braucht also noch einen Nebenjob oder die Unterstützung der Eltern.

Es mangelt an Struktur bei der Einarbeitung und an Zugang zu den EDV-Systemen, um die Ärzte effektiv entlasten zu können. Diese Forderungen nach einem "fairen PJ" bestanden schon lange Zeit vor der aktuellen Krise. Auf unserer Seite bleibt Enttäuschung, Frust und das Gefühl der Wehrlosigkeit über einen äußerst einseitigen und für uns sehr unvorteilhaften Eingriff in das Studium. Aber die Machtverhältnisse sind eindeutig verteilt. Die Gesetze wurden verabschiedet, obwohl sie für uns nicht hinnehmbar sind. Fakt ist: Ein freiwilliger Einsatz wird mit noch schlechteren Rahmenbedingungen bestraft.

Wir Studierende wollen helfen, doch wir wollen von der Politik als zukünftige Ärzte ernst genommen werden und auch eine entsprechende Wertschätzung erfahren - auch über diese Krise hinaus. (Adrian Böhm / Dominik Schuldis) +++


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