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Der angeklagte Stephan Ernst mit seinen Verteidigern - Fotos: Frank Röth/FAZ-Pool

FRANKFURT/MAIN Befangenheits-Hickhack

Richter mahnt Geständnis von Stephan Ernst an - Auftakt im Lübcke-Prozess

17.06.20 - UPDATE 16:30 Uhr: Die Hauptverhandlung wurde für heute beendet. Die Anträge auf Unterbrechung der Hauptverhandlung wurden zurückgestellt. Dies ließe sich laut Richter Sagebiel so schnell nicht entscheiden. Auch der Befangenheitsantrag wird zu "gegebener Zeit" beantwortet. Die anderen Anträge wurden abgelehnt.

Aus der Anklageschrift geht hervor, dass Stephan Ernst mehrere Waffen besessen und Walter Lübcke heimtückisch auf seiner Terrasse erschossen haben soll. Ihm droht eine lebenslängliche Haftstrafe mit möglicherweise anschließender Sicherheitsverwahrung. Gegen Ende des ersten Verhandlungstages gab Richter Sagebiel den Angeklagten noch mit auf den Weg, dass ein Geständnis für sie von Vorteil wäre. "Hören Sie nicht auf Ihre Verteidiger, sondern auf mich. Ein frühzeitiges Geständnis zahlt sich aus." Stephan Ernst habe einmal gesagt, er habe viel falsch gemacht und wolle einmal etwas richtig machen. "Tun Sie es jetzt. Ein Geständnis wirkt sich positiv aus. Nehmen sie Ihre beste und womöglich einzige Chance wahr", mahnte Richter Sagebiel zum Abschluss.

Mit außergewöhnlich großen Sicherheitsvorkehrungen hatte heute Morgen der lang erwartete Prozess um den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke begonnen, dessen Erschießung vor einem Jahr weithin Entsetzen und Erschütterung ausgelöst hatte. Medieninteresse und öffentliche Anteilnahme sind auch deshalb so groß, weil es in der Geschichte der Bundesrepublik der erste politisch motivierte Mord an einem Politiker seit den Zeiten der RAF ist. Die ganze Welt schaut auch deshalb auf Frankfurt, weil mit Stephan Ernst ein einschlägig vorbestrafter Rechtsextremist vor Gericht steht. Sein eingestandenes Motiv: Hass auf den Regierungspräsidenten, weil dieser sich für Flüchtlinge engagiert hatte.

Vorsitzender Richter Thomas Sagebiel

Markus H. soll die Tatwaffe besorgt haben

Der auf über 30 Verhandlungstage angesetzte Prozess findet auch deshalb internationale Aufmerksamkeit, weil die Vorgeschichte der Tat eine Reihe von Pannen und Versäumnissen der Behörden offenbarte. So hatte der hessische Verfassungsschutz Stephan Ernst aus den Augen verloren, obwohl dieser schon seit Jahren als rechtsradikaler Gewalttäter bekannt war. Er galt bei den Behörden als "abgekühlt". Der ebenfalls angeklagte Markus H., der die Tatwaffe besorgt haben soll, konnte sich sogar das Recht auf legalen Waffenbesitz vor Gericht erstreiten, obwohl auch er wegen seiner rechtsradikalen Gesinnung bekannt war.

Schwierige Arbeitsbedingungen für die Medien

Irmgard Braun-Lübcke, sowie die Söhne Christoph und Jan-Hendrick Lübcke nehmen ...

Die Arbeitsbedingungen für die limitierte Anzahl an Journalisten im Oberlandesgericht sind wegen Corona- und Sicherheitsvorschriften ungewöhnlich schwierig. Unser Reporter Moritz Pappert kann den Prozess in einem abgetrennten Raum nur über Lautsprecher verfolgen, eine Bildübermittlung ist laut Gericht nicht gestattet. Er darf auch weder Handy noch Laptop oder Kamera benutzen, so dass keine Liveberichterstattung erfolgen kann. Über 200 Journalisten hatten sich für die Berichterstattung akkreditieren lassen, aber nur 19 von ihnen dürfen das Geschehen direkt im Gerichtssaal verfolgen. 41 weitere Journalisten sitzen in einem gesonderten Medienraum. Der abgesicherte Gerichtssaal ist der größte des Oberlandesgerichts. Aus Sicherheitsgründen kam eine Verlegung in einen größeren Saal außerhalb des Gerichts nicht in Frage.

Antragsflut der Verteidiger gleich zum Auftakt

Wie bereits absehbar, gestaltete sich der Auftakt des brisanten Prozesses problematisch. Zwar startete die Verhandlung einigermaßen pünktlich gegen 10 Uhr. Mit Verzögerung wurden die beiden Angeklagten in Zivilfahrzeugen ins Oberlandesgericht gebracht. Der Transport wurde von SEK-Einsatzkräften abgesichert. Doch noch bevor die Anklageschrift verlesen werden konnte, stellten die beiden Verteidiger von Stephan Ernst mehrere Anträge. Unter anderem halten sie den Vorsitzenden Richter Thomas Sagebiel und die Verteidiger von Markus H. für befangen. Der Dresdner Anwalt Frank Hannig forderte gleich die komplette Aussetzung der Verhandlung, weil wegen der coronabedingten Einschränkungen die Öffentlichkeitswirksamkeit nicht gegeben sei. Anwalt Mustafa Kaplan beantragt die Abberufung der Anwälte von Markus H., Nicole Schneiders und Björn Clemens. Der Grund: Verteidigerin Nicole Schneiders vertritt in einem anderen Verfahren den ersten Anwalt von Stephan Ernst, Dirk Waldschmidt. Kaplan befürchtet, dass somit Informationen an Markus H. gelangt sein könnten.

Frank Hannig und Mustafa Kaplan (vorne) verteidigen Stephan Ernst (Mitte) ...

Doch damit nicht genug: der Anwalt von Markus H., Björn Clemens beantragt die Aufhebung des Haftbefehls und die Einstellung des Verfahrens gegen seinen Mandanten. Die Gründe hierfür: Die Zeit der Vorbereitung sei zu kurz gewesen und die Ermittler hätten gezielt Fragen gestellt, um Markus H. zu belasten. Außerdem habe durch die Berichterstattung in den Medien. Über diese Anträge muss das Gericht erst entscheiden, bevor es überhaupt losgehen kann. (Moritz Pappert/Carla Ihle-Becker)+++


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