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Moderator Tim Berendonk, die Virologin Prof. Dr. Sandra Ciesek, Sozialpsychologe Prof. Dr. Christopher Cohrs und Wissenschaftsministerin Angela Dorn (von links) - Foto: Carina Jirsch

GELNHAUSEN Kritische Diskussionen im Lokal

Die Sorge vor der Kälte: Virologin Prof. Sandra Ciesek über das Corona-Virus

17.09.20 - "Was passiert im Herbst und Winter?" - diese Frage beschäftigt die Fachleute im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Derzeit ist die Verbreitung der Corona-Viren zumindest in Deutschland relativ überschaubar. Vor allem schwere Verläufe und Todesfälle sind vergleichsweise gering. Auch deshalb häufen sich die kritischen Stimmen, was die politischen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie angehen.

Ministerin Angela Dorn machte deutlich: "Der größte Wert ist die Menschenwürde". Für die Landesregierung sei es genauso schwierig, notwendige Maßnahmen abzuwägen. Was ist notwendig, was nicht. Sie war "sehr überrascht", dass die strengen Maßnahmen während dem Lockdown so gut angenommen wurden und sich die meisten Menschen daran gehalten hätten. "Es war ein wahnsinniger Kraftakt", sagte Dorn.

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Virologin Prof. Dr. Sandra Ciesek ist eine der gefragten Expertinnen in Deutschland ...

Doch die Corona-Pandemie bestimmt weiterhin das tägliche Handeln in allen Bereichen - und wirft nach wie vor viele Fragen auf. "Wissenschaft versus Populismus" - unter dieser Überschrift sprachen am Dienstagabend die Frankfurter Virologin Professor Dr. Sandra Ciesek und der Marburger Sozialpsychologe Professor Dr. Christopher Cohrs auf Einladung von Hessens Wissenschaftsministerin Angela Dorn im Mühlrad in Gelnhausen. Rund zwei Dutzend Gäste diskutierten mit der Expertenrunde durchaus kritisch und offen. Moderiert wurde die Veranstaltung von NDR-Moderator Tim Berendonk.

Anfeindungen nach erstem Podcast


Ciesek veröffentlichte am Dienstag ihren ersten Podcast in der Reihe "Corona-Update" von NDR-Info. Abwechselnd mit dem Berliner Virologen Christian Drosten stellt sie sich den Fragen von NDR-Wissenschaftsredakteurin Korinna Hennig. Sie sei erschrocken, welchen Anfeindungen sich Drosten in den vergangenen Wochen und Monaten gegenüber sah. Auch sie habe entsprechende Kommentare bereits nach der ersten Folge erhalten und machte deutlich, dass sie abwägen werde, ob sie den Podcast weiterführe. "Ich zwinge ja keinen, den Podcast anzuhören", sagte Ciesek in Gelnhausen.

Seit Monaten beschäftigt sich Ciesek mit nichts anderem als dem Corona-Virus. Sie leitet das Institut für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum in Frankfurt am Main und ist Professorin für Medizinische Virologie der Goethe-Universität. Sie hat herausgefunden, dass auch symptomfreie Personen Träger und somit Überträger des Corona-Virus sein können. Sie forscht an Medikamenten gegen Covid-19. Den Begriff "Zweite Welle" mag sie überhaupt nicht. "Wir sind mitten in der Pandemie. Das Virus hat sich nicht verändert und wir müssen noch viel lernen", macht die Virologin deutlich.

"Das Management in den Kliniken ist besser geworden"


Sozialpsychologe Prof. Dr. Christopher Cohrs beleuchtet die Auswirkungen der Corona-Pandemie ...

Wissenschaftsministerin Angela Dorn

Sie warnte davor, das Corona-Virus auf die leichte Schulter zu nehmen. "Ich kann die Spätfolgen nicht abschätzen", sagt Ciesek. Dass  derzeit weniger schwere Fälle auf den Intensivstationen behandelt werden müssen, ist auch der Entwicklung der Kliniken zu verdanken. "Das Management in den Kliniken ist besser geworden", so die Virologin, die selbst als Internistin viel Erfahrung hat und eben beide Seiten kennt. Gerade die Behandlungsmethoden werden ständig angepasst und verbessert.

Wie lange uns die Corona-Pandemie noch beschäftigen werde? "Ich habe keine Glaskugel", sagt Ciesek auf die entsprechende Frage aus dem Publikum. "Ich bin aber hoffnungsvoll, dass wir Impfstoffe haben werden". Die entscheidende Frage sei aber, wie wirkungsvoll diese seien. Dass mit der Zulassung eines Impfstoffes die Corona-Pandemie beendet ist - davon darf niemand ausgehen. Eine mögliche Impfpflicht lehnt die Frankfurter Virologin ab. Ciesek selbst forscht an Medikamenten. Auch hier gibt es viele gute Ansätze. Diese antiviralen Tabletten sollen beispielsweise die Verläufe abmildern.

Derzeit werde zudem an Schnelltests geforscht. Hier ist aber auch die Politik gefragt, da entsprechende Verordnungen hinsichtlich der privaten Testmöglichkeiten und der Meldepflicht geändert werden müssen.

Wie eng die medizinischen Fragestellungen und die Akzeptanz in der Bevölkerung zusammenhängen, machte der Marburger Sozialpsychologe Professor Dr. Christopher Cohrs deutlich. Die Akzeptanz in der Bevölkerung ist nach wie vor mit rund 80 Prozent hoch, das zeigen entsprechende wöchentliche Studien. Die Befragten wünschen sich teilweise sogar strengere Regeln. Transparenz und Erklärungen seien wichtige Faktoren für die Akzeptanz.

"An die Motivation rankommen"


Zu den aufkommenden Verschwörungssituationen (von "Verschwörungstheoretikern" möchte Professor Cohrs nicht sprechen) von Gruppierungen, die die Existenz des Corona-Virus verneinen, erklärte Cohrs: "Verschwörungsideen gibt es schon immer." Die sozialen Medien helfen bei der Verbreitung, es sei leichter, Gleichgesinnte zu treffen. Es entwickle sich eine Gegenbewegung gegen "die da oben". Es würden geheime, machtvolle Kräfte vermutet, welche die Fäden ziehen. Mit Fakten sei kaum beizukommen. "Sie sollten bei Menschen, die ihnen wichtig sind, versuchen, an die Motivation ran zu kommen", sagt der Sozialpsychologe.

"Aufklären, erklären und kritische Frage zulassen" - das Format "Stunde der Wahrheit" wurde von Wissenschaftsministerin Angela Dorn einige Zeit vor der Corona-Pandemie entwickelt. Die Idee ist es, Wissenschaft und die Menschen, die dahinter stehen, näher zubringen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Die Corona-Pandemie hat vieles verändert - die Wissenschaft steht Tag für Tag im Fokus. Das Format kam beim Publikum in Gelnhausen gut an. Rund zweieinhalb Stunden wurde unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln bei geöffneten Fenstern diskutiert.

Gelungene Veranstaltungsreihe: Stunde der Wahrheit


Leute wie die Virologin Prof. Dr. Sandra Ciesek und der Marburger Sozialpsychologe Prof. Dr. Christopher Cohrs nehmen sich die Zeit, ihre Sicht der Dinge zu erklären. Das machen sie zusätzlich. Dabei sind auch sie "nur" Menschen, haben Familien und die gleichen Herausforderungen zu meistern, wie jeder "Normale" auch. Das wurde an diesem Abend einmal mehr deutlich. Es gab kritische Fragen, die sachlich gestellt wurden. Genauso muss es sein. Denn wir alle wissen nicht, wie sich das Corona-Virus verhält, wenn es draußen kalt wird. (Hans-Hubertus Braune) +++


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