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Der ehemalige ZDF-Korrespondent und Journalist Joachim Jauer, Dr. Roman Smolorz von der Point Alpha Stiftung, und der Diplomat Dr. Axel Hartmann (von links). - Fotos: Point Alpha

RASDORF (RHÖN) "Erinnerungskultur nicht reduzieren"

Ein Nachlese: Zeitzeugen zu Gast in der Gedenkstätte Point Alpha

17.09.20 - Unverhofft sei sie gekommen und erstaunlich schnell verlaufen: die Deutsche Wiedervereinigung vor genau 30 Jahren. Doch in der deutschen Erinnerungskultur, der heutigen Einordnung der damaligen Ereignisse, gebe es noch immer Defizite. Zu diesem Fazit kamen Joachim Jauer, Leiter des ZDF-Studios in Wien und Sonderkorrespondent für Osteuropa in den Jahren 1987 bis 1990, und Dr. Axel Hartmann, persönlicher Referent des Chefs des Bundeskanzleramtes von 1989 bis 1991.

Zusammen gestalteten beide in der Gedenkstätte Point Alpha einen öffentlichen Zeitzeugenabend zum Thema "Mittel- und Osteuropa 30 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs". Die Deutsche Einigung sei ein großartiges Ereignis, darin sind sich die beiden Referenten einig. Die Erinnerung daran werde heute allerdings – vor allem in den Massenmedien – auf drei Bilder reduziert: das mit dem Schabowski-Zettel, das mit den Montagsdemonstrationen und jenes mit den Mauerspechten. Dabei habe es gerade in Ostmitteleuropa zahlreiche Prozesse und Umbrüche gegeben, die die geschichtlichen Phasen politischen Tauwetters während des Kalten Kriegs überhaupt erst möglich gemacht hätten und bei denen die deutsche Wiedervereinigung eigentlich nur am Ende stehe.

Blick hinter die Kulissen

Dr. Axel Hartmann (links) und Joachim Jauer spielten sich auf dem Podium im Haus auf ...

Beide, Jauer und Hartmann, hatten in der Umbruchphase um das Jahr 1990 auf nationaler wie auch internationaler Ebene an den Geschehnissen aktiv mitgewirkt und dabei vielfach auch exklusiv hinter die Kulissen schauen können. Im Haus auf der Grenze gelang es ihnen, das Publikum im Verlauf des Abends auf eine lebendige Zeitreise mitzunehmen. Die Referenten schilderten viele persönliche Erlebnisse vom Beginn des Mauerbaus bis zu den Turbulenzen in der deutschen Botschaft in Budapest und anschließend in Prag im Jahre 1989. So führten etwa die Anekdoten von Dr. Hartmann die Zuhörer hinter die für sie sonst verschlossenen Türen des Bundeskanzleramtes und Auswärtigen Amtes, während Jauer seine Erinnerungen an Erlebnisse im Ost-Berliner Büro des ZDF und an verschiedenen Schauplätzen ehemaliger Warschauer-Pakt-Staaten lebendig werden ließ.

Ein besonderer Moment war sicherlich, als beide ihre "Lieblingsstellen" aus der eigenen Stasi-Akte zitierten. Die Vereinigung beider deutschen Staaten hatten nicht nur innere, sondern auch gewichtige äußere Ursachen und Gründe. Als Beispiele wurde das Wirken politischer Oppositionsbewegungen im ehemaligen Ostblock genannt: die "Charta 77" um Václav Havel und Václav Malyý in der damaligen Tschechoslowakei, die "Solidarność" mit Lech Wałęsa in Polen oder die mutigen Entscheidung des ungarischen Ministerpräsidenten Miklós Németh 1989, der ein Stück des Eisernen Vorhangs bereits am 2. Mai 1989 abbauen ließ, um zu testen, wie der Kremlchef darauf reagieren würde.

Zeit der Umbrüche

Für die Verhältnisse hinter dem Eisernen Vorhang seien indes die Reformen "Glasnost" und "Perestroika" unter dem Generalsekretär der KPdSU, Michael Gorbatschow, revolutionär gewesen. Diese und andere Ursachen des Wandels sowie die oppositionellen Strömungen im Ostmitteleuropa der 1980er Jahre mit der Sehnsucht nach Veränderungen hätten die Grundlagen und die Vorarbeit dafür geleistet, dass sich die beiden deutschen Staaten vereinigen konnten. Das werde im Deutschland der Gegenwart weitgehend vergessen und löse in den östlichen Nachbarländern Betroffenheit und Unverständnis aus. "Ich will, dass man alles aus der Zeit der Umbrüche zusammendenkt,
als einen gesamten Prozess in Europa, der schließlich zur Freiheit führte", forderte Jauer.

Der Wissenschaftliche Leiter der Point Alpha Stiftung, Dr. Roman Smolorz, der zu Beginn die Referenten und die Zuschauer begrüßte, sieht es als Aufgabe der Forschung an, mögliche Diskrepanzen zwischen den Inhalten vorliegender historischer Studien und den Erzählungen von Zeitzeugen zu beseitigen. Auch sei es die Aufgabe der Point Alpha Stiftung, Fakten zu überprüfen und richtig einzuordnen. In diesem Sinne sei der Zeitzeugenabend ein Ansporn für alle Mitarbeiter der Stiftung, die Arbeit am Gedenken an die Deutsche Wiedervereinigung fortzusetzen. (pm) +++


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