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Lucia Puttrich, Hessische Staatsministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten, zu Gast in der Redaktion von OSTHESSEN|NEWS - Fotos: Martin Engel

FULDA Corona-Pandemie, Moria und die Zukunft

Ministerin Lucia Puttrich im Exklusiv-Gespräch: Verändert Corona Europa?

24.09.20 - Die aktuelle Situation zu "bejammern" ergibt keinen Sinn: "Wir müssen nüchtern und klar schauen, wo unsere Chancen liegen", sagt Lucia Puttrich (59, CDU) im Exklusiv-Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS. Die Hessische Staatsministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten stellte sich den Fragen der O|N-Redakteure bei einem Besuch in Fulda.

Die vergangenen Monate im Zeichen der Corona-Pandemie reflektierend, schaut die Ministerin vor allem nach vorne. Sie sei zuversichtlich, dass Deutschland gut durch die Krise komme. "Wir haben eine gute Gesundheitsversorgung", nennt Puttrich den wesentlichen Faktor, zudem verhielten sich die Menschen in Deutschland größtenteils "sehr diszipliniert". Aber: "Wir sind nicht auf der Insel der Glückseligen".

Binnenmarkt die große Stärke

Natürlich hat die 59-jährige CDU-Politikerin einen besonderen Blick auf Europa. Sie maße sich jedoch nicht an, zu behaupten, dass es andere schlechter gemacht hätten. Europa habe gelernt, dass auch das Corona-Virus keine Grenzen kenne. "Nach einem ersten Ruckeln ist eine Solidarität erstanden." Die Länder tauschten sich aus, lernen voneinander. Gerade in den Grenzregionen sehe man, wie wichtig die Zusammenarbeit ist. Viele Menschen pendeln zwischen den Ländern. Der europäische Binnenmarkt sei eine große Stärke. Diesen mit innovativen Ideen voranzubringen ist eine zentrale Aufgabe. Dazu gehöre die Unabhängigkeit von fernen Ländern etwa hinsichtlich der Lieferketten - mehr Unabhängigkeit sei notwendig.

Redakteur Hans-Hubertus Braune

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Chefredakteur Christian P. Stadtfeld

Die finanzielle Unterstützung der Wirtschaft in den Mitgliedssaaten sei wichtig: "Es wird alles getan, um zu helfen", sagt Puttrich, damit Unternehmen wieder investieren und so die Wirtschaft Fahrt aufnimmt. Als großen Vorteil sieht Puttrich, dass mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel "so eine erfahrene Frau" an der Spitze der Ratspräsidentschaft die Verhandlungen führe. Denn trotz der Corona-Pandemie stehe Europa weiterhin vor weiteren großen Herausforderungen. Wie positioniert sich Europa gegenüber China, Russland oder den Vereinigten Staaten? Was wird aus dem Brexit? - die Themenkette ist lang und einfache Lösungen nicht in Sicht.

"Wir brauchen eine europäische Lösung"

Ein zentrales Thema ist die Flüchtlingspolitik. Für ihre Aussage, dass Gewaltausbrüche einiger nicht belohnt werden dürften, erntete die Ministerin unter anderem auch vom Koalitionspartner - insbesondere von Wirtschaftsminister Tarek Al Wazir (Grüne) - heftige Kritik. Im O|N-Gespräch erklärte Puttrich die Zusammenhänge ihrer Aussage. Viele Flüchtlinge hätten durch die Brände ihr allerletztes Hab und Gut verloren. "Wenn man solche Bilder sieht, dann belastet das jeden Menschen", sagt Puttrich. Die Art und Weise, wie die geflüchteten Menschen in den Lagern leben, entspreche "nicht unserer Auffassung von Menschenwürde". Sie unterstütze deshalb die schnelle humanitäre Hilfe.

Pressesprecher René Brosius

Die Frage sei aber, ob es sinnvoll ist, Regeln außer Kraft zu setzen, wenn etwas erreicht werden soll, was sonst nicht erreicht werde. "Das habe ich thematisiert", sagt Puttrich. "Wir müssen glaubwürdige und langfristige Antworten finden", sagt die Ministerin. Dazu gehören gemeinsame Regeln. So warb sie für eine europäische Lösung. Sie glaubt nicht daran, dass sich die Mitgliedsstaaten auf eine Verteilungsquote einigen werden. Die Abhängigkeit von einer Quote sei der falsche Weg. Für Länder, die sich nicht an der Aufnahme von Flüchtlingen beteiligen, könne es andere Formen und Möglichkeiten wie etwa die Sicherung der Außengrenzen oder die Unterstützung der Herkunftsländer geben.

Trotz aller Herausforderungen sieht Lucia Puttrich gute Zukunftsperspektiven für Europa. "Es wird sich ganz viel verändern", sagt Puttrich zur Frage, ob die Corona-Pandemie dauerhafte Auswirkungen auf das Leben in Europa habe. "Die letzten Monate waren ein Beschleuniger der Digitalisierung." Der Strukturwandel werde sich schneller vollziehen, um künftig besser auf Szenarien wie die Corona-Pandemie vorbereitet zu sein, erklärte die Ministerin zum Abschluss des Gesprächs. (Hans-Hubertus Braune) +++