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Hessens Innenminister Peter Beuth - Foto: Hessisches Innenministerium

WIESBADEN Verfassungsschutzbericht 2019

Anstieg extremistischer Straftaten: Über 2.000 Rechtsextremisten im Visier!

03.10.20 - Die Zahl der extremistischen Straftaten ist um Vergleich zum letzten Jahr deutlich gestiegen. Das teilt der Hessische Innenminister Peter Beuth gemeinsam mit dem Präsidenten des Landesamts für Verfassungsschutz (LfV) Hessen, Robert Schäfer, bei der Vorstellung des hessischen Verfassungsschutzberichtes 2019, am Freitag mit. Beuth bezeichnet den Verfassungsschutz als ein "Frühwarnsystem unserer Demokratie."

 Demnach ist das extremistische Personenpotenzial in Hessen 2019 im Vergleich zum Vorjahr um etwa 600 auf rund 14.000 Personen angestiegen. Der größte Zuwachs ist im Bereich des rechtsextremistischen Personenpotentials mit einer Steigerung von 1.475 (2018) auf 2.200 (2019) zu verzeichnen. Auch bundesweit ist die rechtsextremistische Szene zuletzt von 24.100 (2018) auf 32.080 (2019) Personen angewachsen.

"Die Bedrohung durch den Rechtsextremismus ist in Deutschland und so auch in Hessen dramatisch gestiegen. Insbesondere der schreckliche Mord an Dr. Walter Lübcke, die niederträchtige Tat in Halle und der fürchterliche Anschlag von Hanau haben die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland schwer erschüttert und unser Bundesland besonders getroffen. Wir werden deshalb weiterhin mit konsequentem Handeln und umfangreichen operativen Maßnahmen dem rechten Hass entgegentreten", so Innenminister Peter Beuth.

Das rechtsextremistische Personenpotenzial in Hessen ist im vergangenen Jahr um 725 auf 2.200 gestiegen. Grund dafür war insbesondere die im Februar 2019 aufgenommene Beobachtung der AfD-Teilorganisationen "Flügel" und "Junge Alternative" (JA). Die Anzahl von als gewaltorientiert eingestuften Rechtsextremisten nahm im Berichtsjahr 2019 ebenfalls zu. Sie stieg um 160 auf 840 Personen.

Foto: Hessisches Innenministerium

Extremistische Straf- und Gewalttaten deutlich gestiegen

Extremistische Straf- und Gewalttaten verzeichneten von 2018 auf 2019 einen deutlichen Anstieg auf insgesamt 1.060 Delikte. Der größte Anteil der extremistischen Straftaten ist dem Rechtsextremismus zu zurechnen. Von den insgesamt 886 erfassten rechtsextremistischen Straftaten sind 803 Delikte sogenannte Propagandastraftaten. 2019 wurden in Hessen 31 rechtsextremistische Gewalttaten erfasst; darunter das Tötungsdelikt am Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke sowie das versuchte rassistisch motivierte Tötungsdelikt in Wächtersbach. Bundesweit wurden 21.290 (2018: 19.409) Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund erfasst, darunter waren 925 (2018: 1.088) Gewalttaten.

Hessen hat mit der im Juli 2019 geschaffenen polizeilichen besonderen Aufbauorganisation (BAO) Hessen R den Verfolgungsdruck auf die rechte Szene spürbar erhöht. Seit Einsetzung der Ermittlungseinheit im Juli 2019 wurden bis heute über 220 Einsatzmaßnahmen und 110 Durchsuchungen in Hessen durchgeführt sowie 114 Haftbefehle vollstreckt. Die BAO Hessen besteht aus hessenweit 140 Ermittlern. Auch die temporär aus über 100 Ermittlern bestehende Sonderkommission Liemecke, die nach dem Mord an Dr. Walter Lübcke eingesetzt wurde, hatte in enger Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Verfassungsschutz im vergangenen Jahr zur Aufhellung rechtsextremistischer Strukturen in Hessen beigetragen. 

Der Anschlag von Hanau Fotos: Archiv

Warnung vor "Neuen Rechten"

Die Aufhellung der rechtsextremistischen Szene war 2019 zudem auch das Ziel zahlreicher Observationsmaßnahmen. Allein 44 Prozent aller nachrichtendienstlichen Observationen entfielen 2019 auf den Bereich des Rechtsextremismus. Robert Schäfer warnte vor der "Neuen Rechten", die als Strömung innerhalb des Rechtsextremismus an Bedeutung gewonnen hat. Die "Neue Rechte" wählt Themen, die gesellschaftlich relevant sind und breit diskutiert werden: etwa Migration, Asyl, Islam und Kriminalität.

"Insbesondere die Ideologie und Sprache, die von sogenannten ‚Neuen Rechten‘ ausgeht, kann zur Inspiration für gewaltorientierte Rechtsextremisten werden und den Impuls für Straftaten geben. Ich sehe zudem die Gefahr, dass die ‚Neue Rechte‘ mit ihrem subtil geschürten Hass noch tiefer in die Gesellschaft eindringt", sagte Robert Schäfer. Außer der "Identitären Bewegung" stehen auch die AfD-Teilorganisationen "Flügel" und "Junge Alternative" (JA) der "Neuen Rechten" ideologisch nahe. Im Februar 2019 wurden "Flügel" und "JA" Beobachtungsobjekte des Verfassungsschutzes.

Der Mord an Walter Lübcke

Corona: Extremisten versuchen, Pandemie zu instrumentalisieren

Insbesondere Rechtsextremisten und Reichsbürger versuchten in den vergangenen Monaten Deutschlandweit und auch in Hessen, die aufgrund der Corona-Pandemie ergriffenen Maßnahmen für Agitationszwecke zu instrumentalisieren. Dabei versuchten einige Rechtsextremisten sich als "Kümmerer" und "Helfer in der Krise" zu inszenieren. Andere sind als Initiatoren von Kundgebungen mit Bezug zur Corona-Pandemie in Erscheinung getreten. Das Ziel der Extremisten war dabei offenbar, die Proteste gegen die behördlichen Beschränkungen zu nutzen, um die Anschlussfähigkeit von rechtsextremistischen Positionen an nicht-extremistische Teile der Bevölkerung zu erhöhen.

"Unmut über Einschränkungen im Alltag dürfen nicht zum Abgleiten in extremistische Szenen führen. Wir weisen deshalb deutlich darauf hin, dass auch Extremisten im Windschatten der Corona-Protestbewegungen gepaart mit kruden Verschwörungstheorien auch ihre verfassungsfeindlichen Ideologien verbreiten. Nicht nur Rechtsextremisten, Reichsbürger und Selbstverwalter nutzen diese, auch Linksextremisten, Impfgegner, Mobilfunkgegner und Esoteriker finden sich rund um die Corona-Proteste. Das Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet weiter, inwiefern Extremisten aus diesen Protesten Gewinn schlagen wollen und wird in diesem Kontext auch weiterhin auf spezifische Vereinnahmungen durch Extremisten hinweisen", so Innenminister Peter Beuth.

Islamismus: Gefahr trotz IS-Niederlagen nicht gebannt

Nach wie vor stellt der Islamismus eine große Gefahr für die freiheitliche Demokratie dar. In den sozialen Medien verbreitet der IS weiterhin jihadistische Propaganda und Anleitungen zum Begehen von Anschlägen. Der IS verfügt auch in Hessen weiterhin über Sympathisanten und Anhänger.

"Die militärische Niederlage des IS in Syrien und im Irak und der Rückgang islamistischer Anschläge in Europa hat möglicherweise den Eindruck einer gewissen Entspannung entstehen lassen. Dabei haben wir es mit einer trügerischen Ruhe zu tun. Auch wenn den Sicherheitsbehörden derzeit keine konkreten Hinweise auf in Hessen geplante islamistische Anschläge vorliegen, besteht weiterhin die Gefahr, dass sich Einzelakteure von der ISPropaganda zu Attentaten angespornt fühlen könnten. Polizei und Verfassungsschutz bleiben daher auch im Hinblick auf drohende Gefahren durch Islamisten wachsam", sagt Innenminister Peter Beuth.

Die Tat in Wächtersbach

Linksextremismus: Sachschäden in Millionenhöhe verursacht

Bundesweit waren im vergangenen Jahr von Linksextremisten zwei versuchte Tötungsdelikte und ein Angriff auf eine Immobilienmaklerin festzustellen. In Hessen erfolgten keine Attacken, bei denen lebensgefährliche Verletzungen oder gar der Tod von Menschen in Kauf genommen wurden. Die Zahl der linksextremistischen Straftaten stieg von 35 auf 60 an, die Zahl der linksextremistischen Gewalttaten sank von 13 auf 5. Den größten Anteil an den linksextremistischen Straftaten machten im Jahr 2019 Sachbeschädigungen aus. Ein besonders gravierender Fall war der Brandanschlag auf ein Autohaus in Kronberg im Taunus (Hochtaunuskreis) Ende August, der in einer Reihe von Straftaten anlässlich der IAA stand. Bei dem Brandanschlag auf dem Gelände eines Autohändlers wurden mehr als 40 hochwertige Fahrzeuge beschädigt, so dass ein Schaden in Millionenhöhe entstand.

Die Aktivisten im Dannenröder Wald

"Dannenröder Wald"

Im Bereich des Linksextremismus sprach der Verfassungsschutzpräsident auch die aktuelle Situation im "Dannenröder Wald" (Vogelsbergkreis) an, den Umweltschützer besetzt haben, um gegen den geplanten und genehmigten Ausbau der A49 im Bereich Homberg/Ohm und die dafür notwendige Waldrodung zu protestieren.

"Die Proteste rund um den Bau der A49 werden bislang in weiten Teilen durch nichtextremistische Umweltschützer getragen. Ein Teil der Besetzer des Dannenröder Waldes ist jedoch dem linksextremistischen Spektrum zu zurechnen. Von diesen Gruppen geht eine zunehmende radikalere Auseinandersetzung mit dem Thema einher: Gespannte Drahtseile auf Kopfhöhe im Wald, Brandanschläge auf mehrere Bagger sowie die mehr als 200 mit einem roten X angesprühten und damit zum ‚Abfackeln freigegebenen‘ Autos in Gießen verdeutlichen, dass jederzeit mit Aktionen gerechnet werden muss, bei denen Sachschäden und die Verletzung von Personen zumindest in Kauf genommen werden", sagte Robert Schäfer. (Moritz Pappert/ pm) +++


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