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In Japan nicht mehr benötigt: Weil in Deutschland der Impfstoff fehlte, wurden Chargen, die nicht mehr lange haltbar waren, im April in die BRD importiert - Fotos: Screenshots

REGION Medikamentenengpass spitzt sich zu!

"Andere Länder zahlen besser": Impfstoff-Einzeldosen nur noch aus Kanada

28.10.20 - Eine Impfung gegen Pneumokokken könnte Leben retten. Eigentlich. Denn der Impfstoff "Pneumovax 23" ist seit über einem halben Jahr nicht mehr lieferbar. Bereits im März 2020 hatte OSTHESSEN|NEWS über den Versorgungsengpass berichtet.

Nachdem sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) medienwirksam gegen die bakterielle Lungenentzündung hatte impfen lassen, und die Ständige Impfkommission (STIKO), die beim Robert-Koch-Institut (RKI) angesiedelt ist, auf die Dringlichkeit eines solchen Schutzes, gerade in Zeiten der Corona-Pandemie, hingewiesen hatte, kam es in der Bundesrepublik zu einem Versorgungsengpass. Der Impfstoff war binnen kürzester Zeit einfach nicht mehr lieferbar.

"Andere Länder zahlen besser"

Im Frühjahr hoffte man noch darauf, diese Lücke schnellstmöglich schließen zu können, denn gerade für Risikopatienten könnte eine Infektion mit Pneumokokken tödlich enden. Doch weil plötzlich die gesamte Welt den Impfstoff, der nur von einer einzigen Firma hergestellt wird, haben wollte, ist das aktuell nicht möglich. Der amerikanische Hersteller, Merck Sharp & Dohme (kurz MSD), ursprünglich ein Tochterunternehmen des Darmstädter Pharmaunternehmens Merck, kommt mit der Produktion nicht mehr nach. "Es ist auch immer eine Frage von Angebot und Nachfrage", erklärt ein Fuldaer Apotheker im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS, der aus Sorge vor Repressalien anonym bleiben möchte. "Die wenigen Impfdosen, die es gibt, werden natürlich an Länder verkauft, die mehr dafür bezahlen, als es die Deutschen Krankenkassen tun."

Nur über internationale Apotheken, erzählt der Mann, seien noch Einzeldosen des begehrten Medikaments zu haben. "Wir können lediglich noch von Kanada bestellen." Dafür, erklärt er, benötige eine Apotheke allerdings ein gültiges Rezept eines Arztes. "Es geht also nicht, beispielsweise 50 Dosen zu ordern, um die hier dann an die Hausärzte zu verteilen. Auf einem Rezept muss ganz klar stehen, `das ist für Bettina Werner, dieses für Horst Müller`" Das extra eingeflogene Pneumovax 23 sei mehr als doppelt so teuer wie hier. "Die Kosten müssen die Patienten selbst tragen, da diese nicht vom deutschen Gesundheitssystem getragen werden."

Eine Vielzahl an Medikamenten nicht mehr lieferbar

Wie es weitergeht, weiß auch der Apotheker nicht. "Das Problem ist, der Lieferengpass betrifft ja nicht nur den Pneumokokken-Impfstoff." Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte listet aktuell 279 zum Teil lebensnotwendige Medikamente, die in Deutschland nicht erhältlich sind. Impfstoffe sind in der Aufzählung noch nicht einmal enthalten. "Früher gab es vielleicht acht bis zehn Unternehmen, die ein bestimmtes Medikament hergestellt haben. Jetzt sind es weltweit im Durchschnitt vielleicht nur noch drei bis vier, wenn überhaupt." In der Bundesrepublik selbst werden immer weniger Wirkstoffe produziert, die Medikamentenproduktion ins Ausland verlegt.

Auch der aktuelle Grippeimpfstoff, erklärt der Apotheker, werde bereits jetzt rar. "Unsere Lager sind leer, ähnlich ergeht es zurzeit vielen Kollegen. Die Bundesregierung hat zwar betont, noch sieben Millionen Dosen besorgen zu können, wo die allerdings sind – und wann wir sie eventuell bekommen, steht in den Sternen."

Keine Lösung

Kurzzeitig gab es im Frühjahr noch ein paar Impfdosen aus Japan - allerdings ohne deutschen ...

Beim Pneumokokken-Impfstoff ging die Bundesregierung im April 2020 einen ganz besonderen Weg: Weil er hier nicht mehr verfügbar war, konnten durch eine Ausnahmeermächtigung nach dem Arzneimittelgesetz einige Chargen mit Impfstoff aus Japan importiert werden. Dieser wurde anschließend flächendeckend über den Pharmagroßhandel in Deutschland verteilt – und schnell aufgebraucht. Der fertig verpackten Ware lag keine deutschsprachige Packungsbeilage bei, eine Rückverfolgung jeder einzelnen Packung von der Apotheke zurück bis zum Hersteller - wie normalerweise üblich- war nicht mehr möglich.

Der Fuldaer Apotheker glaubt nicht daran, dass sich die sich zuspitzende Situation der Medikamenten-Lieferengpässe in Zukunft verbessert. "Ich bin eigentlich kein Pessimist. Das was wir allerdings gerade erleben, ist wohl erst der Anfang." (mr) +++


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