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FULDA Echte Reue oder Selbstmitleid?

70-jähriger Unternehmer wegen schwerem sexuellen Kindesmissbrauch verurteilt

30.10.20 - Dass der Angeklagte sich sehnlichst wünscht, der 1. September 2019 und dessen Folgen könnten aus seinem bislang unbescholtenen Leben gelöscht werden, ist durchaus verständlich. Ob aber aus tief empfundener Empathie mit seinem 11-jährigen Opfer oder mehr aus Scham und Mitleid mit sich selbst steht dahin. Mit seinen Versuchen, den sexuellen Missbrauch des Kindes nachträglich als einvernehmliches Geschehen darzustellen, hat er sich definitiv keinen Gefallen getan. Das Amtsgericht Fulda verurteilte den 70-Jährigen am Donnerstag wegen schwerem sexuellen Missbrauch und Vergewaltigung eines Kindes zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren. Je 3.000 Euro muss er dem Opfer und dem Kinderschutzbund zahlen, fünf Beratungsstunden bei Pro Familia nachweisen und er bekommt für vier Jahre einen Bewährungshelfer an die Seite gestellt.

Angeklagt war der nicht vorbestrafte Unternehmer aus dem Landkreis Hersfeld-Rotenburg wegen des Verdachts schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern. Die Staatsanwältin legte ihm zur Last, sich an diesem Septembernachmittag in einem Freizeitbad in Künzell an dem 11-jährigen Jungen sexuell vergangen zu haben, wobei er die Handlungen zunächst in einem in Betrieb befindlichen Whirlpool und anschließend auf einer Toilette durchgeführt haben soll. Der Junge hatte sich kurz danach seiner in der Nähe anwesenden  Mutter und dem Bademeister anvertraut, während der Angeklagte fluchtartig das Bad verließ. Zweimal musste das Opfer die belastenden Vorfälle bereits detailliert schildern: einmal bei der polizeilichen Vernehmung und ein zweites Mal in Anwesenheit seiner Anwältin und einer Psychologin. Richter Szymon Mazur hatte für die heutige dritte Vernehmung eigens einen Saal mit Videoaufzeichnungsmöglichkeit im Landgericht reserviert, wo der Junge unter Ausschluss der Öffentlichkeit hätte aussagen sollen. Zum Glück blieb ihm diese Tortur ein drittes Mal erspart. 

Klagen über Verhaftung und Hausdurchsuchung: "Meine Familie leidet"

"Ich weiß nicht, was mich geritten hat, es tut mir unendlich leid, ich muss mich entschuldigen", hatte der Angeklagte eingangs gesagt. Er schäme sich und habe die Selbstachtung vor sich verloren. Doch seine Einschränkung folgte sogleich. Das Kind habe sich nicht gewehrt, nicht einmal 'Nein' gesagt, sondern sich im Gegenteil im Whirlpool fast auf seinen Schoß gedrängt, behauptete der 70-Jährige, der dabei in seinen Aufzeichnungen blätterte, die er wohl zu seiner Entlastung angefertigt hatte. "Ich würde niemandem empfehlen, sich verhaften zu lassen", klagte er dann. Auch die Hausdurchsuchung, bei der vier Streifenwagen für jeden sichtbar vor seiner Tür standen, empfand er offenbar als ungerecht und überzogen. "Meine Familie leidet!" Seine Versuche, den 11-Jährigen als Initiator zu diskreditieren, gipfelten in dem Satz: "Man muss ihn auch fragen, was er eigentlich im Erwachsenenbereich gemacht hat!" Dies als Einverständnis des Jungen mit seinen sexuellen Übergriffen zu deuten, zeugt nicht von Reue und Einsicht. Ein als Zeuge vernommener Bademeister stellte vor Gericht auch unmissverständlich klar, dass Kinder in Begleitung der Eltern freien Zutritt zum Sauna- und FKK-Bereich haben.

Richter Mazur verdeutlichte dem Angeklagten, dass er ein vollständiges Geständnis von ihm erwarte - auch um dem Opfer die Qual einer weiteren Aussage vor Gericht zu ersparen. Außerdem verwies er auf das eindeutige Ergebnis einer DNA-Probe, die den Angeklagten belaste. Das zeigte Wirkung: nach Rücksprache mit seinem Verteidiger räumte der 70-Jährige die Vorwürfe schließlich mit gesenktem Kopf vollumfänglich ein. Nach der Urteilsverkündung wandte sich Richter Mazur noch einmal mit einem eindringlichen Appell an den 70-Jährigen: "Verwechseln Sie nicht: nicht S i e sind das Opfer, sondern der Täter und schuldig. Versuchen Sie nicht, sich Ihrer Verantwortung zu entziehen. Sie haben eine Tat begangen, für die man sich nur zutiefst schämen kann." (Carla Ihle-Becker) +++


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