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Prof. Jürgen Haase las in der Gedenkstätte Point Alpha Passagen aus dem Buch „Die Anhörung - Wolfgang Schnurs Doppelleben als Stasi-Spitzel und Anwalt politisch Verfolgter“. - Fotos: Point Alpha Stiftung

GEISA Ein Fanatiker und Phantast

Lesung, Lieder und Diskussion: "Die Anhörung" in der Gedenkstätte Point Alpha

31.10.20 - Die Stasi als Machtinstrument des Unterdrückungsapparates bietet immer noch Stoff für Spekulationen und Diskussionen. Anstoß für einen regen Austausch zu dem Thema gab die Lesung vom Herausgeber Prof. Jürgen Haase aus dem Buch "Die Anhörung – Wolfgang Schnurs Doppelleben als Stasi-Spitzel und Anwalt politisch Verfolgter". Der Liedermacher Stephan Krawczyk trat als zweiter Protagonist auf der Bühne im Haus auf der Grenze zugleich als Zeitzeuge auf, den Wolfgang Schnur einst verraten hatte.

Das Buch „Die Anhörung“

Februar 1990, Erfurt: Wolfgang Schnur, designierter Ministerpräsident vor den ersten freien Wahlen in der DDR, spricht nach der Friedlichen Revolution zu 100.000 Menschen. Er ist ganz oben, fühlt sich geliebt, genießt zu hören, wie die Menschenmenge seinen Namen ruft. Schnur ist berauscht vom Machtgefühl. Bis zu diesem Moment hat noch niemand gemerkt, dass er seit Langem ein doppeltes Spiel spielt: 25 Jahre lang war er parallel für die Staatssicherheit im geheimen Auftrag als hochrangiger Spitzel unterwegs und hatte alle, die er als Anwalt vertreten oder beraten sollte, ohne Skrupel zu zeigen, verraten. Januar 2014, Berlin: Nach seiner Enttarnung durch die Stasi selbst stürzt Wolfgang Schnur ins Bodenlose. Verarmt und krank, gibt er dem Journalisten Alexander Kobylinski zum ersten und einzigen Mal ein Interview, und Professor Haase hat daraus ein Buch gemacht, das ein Zeugnis der Funktionsweisen der SED-Diktatur darstellt. In den durch den Kulturmanager und Filmproduzenten gelesenen Passagen, wird die Persönlichkeit Schnurs offensichtlich: Zum eigenen Vorteil auf der einen Seite taktisch und strategisch klug, ehrgeizig, fleißig und redegewandt und auf der anderen Seite skrupellos, ohne Moral, gierig nach Karriere, Bewunderung, Frauen und schnellen Autos. Und es wird aus seiner abgelegten Zeugenschaft deutlich, dass er nicht verstehen kann oder will, was er mit seinem Doppelleben anderen Menschen angetan hat.

Der Liedermacher Stephan Krawczyk sang und erzählte im Haus auf der Grenze über sein ...

In den Lesepausen griff der 1988 aus der DDR nach Westdeutschland abgeschobene Musiker und Schriftsteller Stephan Krawczyk zu Gitarre und Harmonika und ergänzte seine eindrucksvollen Liedtexte mit Erzählungen über persönliche Erlebnisse und Erfahrungen zu Unterdrückung, Revolution und Transformation. Dabei wurde deutlich, was Bespitzelung, Demütigungen, Repressalien, Berufsverbot und schließlich Ausweisung mit Menschen machen. Auch mit seinen Bewertungen über die Rolle der Stasi hielt Krawczyk nicht hinterm Berg. Im Blick auf die Geschehnisse um seine Person könne er sich im Rückspiegel durchaus vorstellen, dass gewisse Strömungen in der Staatssicherheit am Ende sogar dem Umsturz des DDR-Systems nicht abgeneigt waren. "Die wussten doch schon lange, dass nichts mehr geht, und haben so den besten Weg gesehen, dem geballten Volkszorn zu entkommen." Diese  Hypothese zog eine angeregte Diskussion nach sich, bei der die Meinungen zwischen "undenkbar", "abwegig", "abenteuerlich" und "alles ist möglich" pendelten.

Der wissenschaftliche Leiter der Point Alpha Stiftung, Dr. Roman Smolorz, der zu Beginn die Gäste begrüßte und dem Wilhelm-Fraenger-Institut für die Kooperation gedankt hatte, stellte fest, dass das ganze Ausmaß der Stasi-Geschichte und deren Auswirkungen offensichtlich längst noch nicht aufgearbeitet seien. Die Historiker hätten hier noch einen Berg an Arbeit vor sich. (pm) +++


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