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Ferdinand Stein im Juli dieses Jahres mit früheren Webereierzeugnissen - O|N-Archiv-Foto: Karl-Heinz Burkhardt

BAD SALZSCHLIRF Seine Passion: Früh- und Vorgeschichte

Ferdinand Stein (92) verstorben: einer der letzten großen Heimatforscher

02.11.20 - Eine Lücke, die sich nicht schließen lässt: Der überregional bekannte Heimatforscher Ferdinand Stein ist am 27. Oktober in seinem Heimatort Bad Salzschlirf im Alter von 92 Jahren gestorben. Der Verstorbene wurde am 23. 4. 1928 in Alsfeld geboren. Mit gerade 16 Jahren, also als Teenager, wurde er noch Soldat. Die letzten Kriegsjahre des Zweiten Weltkrieges hinterließen ihre Spuren. Die Erlebnisse und Erfahrungen des Krieges prägten Ferdinand Stein in seinem demokratischen Gedankengut. Seine Toleranz und Verständnis für alles Menschliche waren bemerkenswert.

Ursprünglich wollte Stein Geschichte und Geografie studieren, aber nach Kriegsende war er dann als Handelsvertreter in Deutschland unterwegs. In die Weberei seines Vaters wollte er nicht eintreten. In seinen Pausen las er viele Geschichtsbücher und eine seiner Lektüren war das Buch "Mit dem Fahrstuhl in die Römerzeit". Dieses Buch veranlasste ihn nicht nur zum Lesen, sondern auch seine freie Zeit während den Terminen dazu zu nutzen, die jeweilige Gegend geschichtlich zu erforschen. Überall, an welchen Orten auch immer, ging Ferdinand Stein auf die Suche nach der dortigen Geschichte. Und immer wenn er auf ein Bodendenkmal stieß, wurde dies erfasst und in die Landkarte eingetragen. Dabei lernte er die dort tätigen Personen kennen, darunter den Landeshistoriker Willi Görich oder den langjährigen Ausgräber am Glauberg Heinrich Richter. Die Früh- und Vorgeschichte wurde seine Passion.

In der Hochkonjunktur des Heilbades Bad Salzschlirf betrieb er zusammen mit seiner Frau Elvira über viele Jahre das Lokal "Weinstadl". Wenn abends die Gäste gegangen waren, widmete er sich seiner Leidenschaft der Vor- und Frühgeschichte. Bereits früh kritisierte er, dass es in der Region keinen hauptamtlichen Bodendenkmalpfleger gab und setzte sich in seiner unnachahmlichen und durchaus streitbaren Art für die Schaffung einer entsprechenden Stelle ein. 1989 wurde zu seiner großen Freude mit Matthias Müller ein Stadt- und Kreisarchäologe für Fulda eingesetzt. "Daran hat Herr Stein großen Anteil", so die Stadt- und Kreisarchäologin Milena Wingenfeld. Seit dieser Zeit stand der Heimatforscher stets in engem Kontakt zur Stadt- und Kreisarchäologie, wovon beide Seiten immens profitierten.

Ferdinand Stein arbeitete stets gerne mit Gleichgesinnten zusammen, darunter dem bereits verstorbenen Heimatforschern Heinrich Leister († 1995) und Christian Aschenbrenner († 2013), mit denen er gemeinsame Projekte durchführte und Fundstellen erschloss. Zu einer ganz besonderen Arbeit kam es 1997, als der Archäologische Arbeitskreis des Geschichtsvereins Fulda unter der Leitung des Stadt- und Kreisarchäologen und mit der Sachkenntnis des Diplom-Ingenieurs Helmut Volz die Wallanlage auf dem Sängersberg in Bad Salzschlirf erstmals einer Vermessung unterzog. Diese bildete 23 Jahre später die Basis, auf der die ersten modernen Untersuchungen der Anlage stattfinden konnten. Der Frankfurter Loewe-Schwerpunkt "Prähistorische Konfliktforschung" grub an mehreren Stellen und konnte Nachweise für eine kriegerische Auseinandersetzung in der Bronzezeit erbringen – Ferdinand Stein war sichtlich erfreut über die Würdigung "seines" Berges und der Bemühungen des Arbeitskreises, er besuchte die laufende Grabung auf dem Gipfel trotz seines fortgeschrittenen Alters regelmäßig.

"Dass ich das noch erleben darf"

"Als wir kürzlich davon erfahren haben, dass es Herrn Stein gesundheitlich nicht gut geht, haben wir seitens der Heimatfreunde kurzfristig noch eine Informationstafel zu der vorgeschichtlichen Höhensiedlung auf dem Sängersberg erstellt",  so der erste Vorsitzende der Heimatfreunde Bad Salzschlirf Christian Bornträger. "Ich wollte, dass Herr Stein es noch erlebt, dass dies geschieht! Mit Hilfe der Stadt- und Kreisarchäologin Milena Wingenfeld ist es uns gelungen, dass wir die Tafel noch erstellen konnten und Herr Stein hat sie wenige Tage vor seinem Tod noch gesehen. "Er rief mich noch an und sagte: 'Dass ich das noch erleben darf'. Das hat mich glücklich gemacht", so Bornträger. "Die Tafel werden wir nun in Kürze auf dem Sängersberg zu Ehren von Ferdinand Stein errichten".
 

Einige Ehrungen hat Ferdinand Stein während seines Wirkens auch erhalten:

1996 wurde Ferdinand Stein vom Geschichtsverein für seine Verdienste in der Archäologie und sein Engagement als Heimatforscher mit der Cuno-Raabe-Plakette geehrt.

2011 erhielt er den Ehrenbrief des Landes Hessen. Mit dieser Ehrung wurden seine Leistungen und Kenntnisse in der Heimatforschung und der Geologie gewürdigt.

2014 wurde Ferdinand Stein als Mitbegründer der Heimatfreunde Bad Salzschlirf e.V im Jahre 1984 zum Ehrenmitglied ernannt.

2018 wurde ihm für seinen unermüdlichen Einsatz für die Gemeinde Bad Salzschlirf, ihre Geschichte und ihre Menschen als einem der Ersten der Dr. Martiny- Ehrenpreis für bürgerschaftliches Engagement verliehen.

Ferdinand Steins geschichtliche Forschungen wurden auch in den Buchenblättern der Fuldaer Zeitung, im Lauterbacher Anzeiger und der Alsfelder Zeitung publiziert. Aber nicht nur Forschungsberichte wurden von ihm veröffentlicht. Er hatte nicht nur eine geschichtliche, sondern auch eine politische Meinung, die er in über 700 Leserbriefen seinen Mitmenschen mitteilte.

Aber nicht nur die Forschung war ihm eine Herzensangelegenheit, sein Wissen teilte er auch gerne mit seinen Mitmenschen. Unter anderem auch bei den historischen Ortsführungen. Hierfür war er über 47 Jahre ein- bis zweimal pro Woche zuständig. Viele Gäste lernten durch sein detailreiches Wissen den Kur- und Urlaubsort Bad Salzschlirf kennen und verstehen. Bis Mitte dieses Jahres hat er die Ortsführungen mit Begeisterung durchgeführt. "Seine Kenntnisse und Forschungen zur Heimat und Kirchengeschichte, den geologischen Strukturen sowie die kritische Begleitung der lokalen Politik haben ihm weit über die Ortsgrenzen hinaus Anerkennung verschafft",  so Bürgermeister Matthias Kübel. "Wir verlieren mit ihm einen treuen, zuverlässigen und langjährigen Wegbegleiter, der in Bad Salzschlirf große Spuren hinterlassen hat", so der Bürgermeister.

Ferdinand Stein war auch ein langjähriges und hochgeschätztes Mitglied des Geschichtsvereins Fulda. Er gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Archäologischen Arbeitskreises Fulda, der später als Sektion dem Geschichtsverein angegliedert wurde und für den er sich sehr engagiert hat. Noch bis kurz vor seinem Tod besuchte er regelmäßig und mit größtem Interesse die Vortragsreihe des Geschichtsvereins.

"Der Tod von Ferdinand Stein ist ein großer Verlust für alle Geschichtsinteressierten im Landkreis Fulda. Mit seinem Wissen über die Heimat war der viel geehrte Ferdinand Stein breit aufgestellt: von altsteinzeitlichen Werkzeugen, vorgeschichtlichen Grabhügeln über historische Wegeforschung, der zeitlichen Einordnung von Steinkreuzen und der Ersterwähnung von Ortschaften, all diese Themen interessierten ihn und er bearbeitete sie mit einer beispiellosen Akribie." so Dr. Frank Verse, der Leiter des Vonderau Museums. "Mit Ferdinand Stein ist einer der letzten großen Heimatforscher von uns gegangen; er hinterlässt eine große Lücke", so die Stadt- und Kreisarchäologin Milena Wingenfeld.

"Mit Ferdinand Stein verlieren wir einen tollen Menschen und viel Wissen. Aber ich weiß, dass er alles aufgeschrieben und so der Nachwelt erhalten hat. Aufgrund seiner herausragenden Verdienste in Bad Salzschlirf und der gesamten Region würde ich mich freuen, wenn die neue Straße im Neubaugebiet die Ferdinand-Stein-Straße wird",  so der erste Vorsitzende der Heimatfreunde Bad Salzschlirf Christian Bornträger.

"Noch im Mai dieses Jahres hat er die Grabhügel am Strangelsberg begangen und aufgezeichnet, um diese zumindest kartografisch zu sichern. Sein Einsatz für Bad Salzschlirf, im geschichtlichem wie auch im geologischen Bereich war stets sachlich und fundiert. Wer hier in unserer Region über Heimatforschung spricht, kommt an Ferdinand Stein nicht vorbei", sagt Adelheid Eurich von den Heimatfreunden.

Für die regionale Heimatforschung und für Bad Salzschlirf ist der Tod von Ferdinand Stein ein großer Verlust.(pm)+++


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