Archiv
Bürgermeisterkandidat Florian Fritzsch - Foto: Privat

GROßENLÜDER Zwei Kandidaten stehen zur Wahl (2)

Florian Fritzsch: "Heimat- und Lebensmittelpunkt bewahren und fortentwickeln"

Zur PersonFlorian Fritzsch kommt gebürtig aus Schlüchtern, lebt aber seit 2013 gemeinsam mit Ehefrau Silke und seinen drei Kindern in der neuen Heimat Großenlüder - dort ist er fest verwurzelt. Geprägt wurde der 38-Jährige von seinen Geschwistern und Eltern - Vater Falko war 24 Jahre lang Bürgermeister von Schlüchtern. Seit seinem 18. Lebensjahr ist Florian Fritzsch kommunalpolitisch aktiv. Derzeit arbeitet er im Büro der Stadtverordnetenversammlung in Frankfurt.

09.11.20 - Bevorstehender Führungswechsel in Großenlüder - nach 12 Jahren im Amt tritt der amtierende Bürgermeister Werner Dietrich (Unabhängige Bürgerliste) nicht erneut zur Wahl an. Am kommenden Sonntag, den 15.11.2020, entscheiden nun die Bürger der Gemeinde, ob CDU-Kandidat Marco Herbert oder der Sozialdemokrat Florian Fritzsch, der aber parteiunabhängig antritt, ins Großenlüderer Rathaus einzieht. 

Der Stimmenkampf ist in vollem Gange - wer wird die Mehrheit für sich entscheiden und die Gemeinde als neuer Bürgermeister führen? OSTHESSEN|NEWS hat den beiden Kandidaten jeweils drei Fragen gestellt. Hier die Antworten von Florian Fritzsch: 

Wie stehen Sie zu den aktuellen Ausbauplänen rund um die Firma Zement-Kalkwerke Otterbein?

"Als unabhängiger Bürgermeisterkandidat habe ich mich mit einem "Nein zur Erweiterung der Zement- und Kalkwerke Otterbein" klar positioniert. Vom Unternehmen wird vorgebracht, den Steinbruch zur Sicherung der Rohstoffgewinnung um etwa 6,5 Hektar in Richtung Müs erweitern zu müssen. Mit dem geplanten Vorhaben rückt die Grenze des Steinbruchs bis auf 135 Meter an die Ortsbebauung heran. Bereits heute fühlen sich die Menschen in Müs, in Teilen von Uffhausen und Großenlüder schon stark von den Beeinträchtigungen durch Lärm, Staub und Schadstoffemissionen des Werkbetriebs gestört. Aufgrund der Auswirkungen des Vorhabens auf Mensch, Natur und Umwelt sowie auf Grundwasser und Gebäude bekräftige ich daher meine Haltung, dass es ein "Weiter so" nicht geben darf. Ich werde mich mit Tatkraft dafür einsetzen, dass sich die Lebensbedingungen für die Menschen in Großenlüder nicht verschlechtern. Daher spreche ich mich in aller Entschiedenheit gegen die beabsichtigten Erweiterungspläne der Zement- und Kalkwerke aus. Das im Rahmen der Jugend- und Bürgerbefragung ermittelte Meinungsbild der Bevölkerung werde ich im weiteren Prozess als Richtschnur bei anstehenden Entscheidungen berücksichtigen.

Florian Fritzsch (rechts) mit Vertretern der Bürgerinitiative und der SPD bei einer ...Foto: Bensing & Reith

Mir ist die Komplexität des Vorhabens selbstverständlich bekannt. Beim Zusammenspiel von Regierungspräsidium Kassel und Regionalversammlung Nordhessen und einer ggf. erforderlichen Zielabweichung vom Regionalplan Nordhessen müssen die zuständigen Akteure im Vorfeld sensibilisiert und auf die Sorgen und Ängste der Menschen hingewiesen werden. Es gilt, die Belange der Gemeinde Großenlüder beständig vorzubringen und eine ausreichende Berücksichtigung zu erwirken. Fakt ist, dass die Zement- und Kalkwerke sowohl mit der geplanten Erweiterung und Tieferlegung, als auch ohne die Umsetzung dieser vorgetragenen Planungen noch über viele Jahre das Ortsbild von Müs prägen werden und den Betrieb weiterführen können. Bei der momentanen Auseinandersetzung ist neben dem Erweiterungsvorhaben auch der aktuelle Status quo mit der Zementherstellung durch den Einsatz von Sekundärbrennstoffen zu berücksichtigen. In einer Vielzahl an Gesprächen habe ich die überzeugenden Rückmeldungen erhalten, dass bereits der derzeitige Betrieb für viele "Nachbarn" eine Belastung durch hohe Schadstoffwerte, dauernde Sprengungen, Lärm und Staub sowie der Grundwasserabsenkung und der damit einhergehenden Gefahr von Setzrissen darstellt. Hier wären zeitnah und stetig Verbesserungen im Sinne der Menschen in Großenlüder umzusetzen, um die Situation für die Betroffenen zumindest erträglicher zu gestalten. Die Unternehmensleitung hat im persönlichen Gespräch zwar vorgebracht, dass durch die Analyse bestehender Prozesse sukzessive Fortschritte erzielt werden. Gerade im Zusammenhang mit vorhandenen Schallemissionen sehe ich aber auch kurzfristig weiteres Verbesserungspotenzial. Die Umsetzung dieser Verbesserungen könnte auch zur Steigerung der Glaubhaftigkeit des initiierten Nachbarschaftsdialogs beitragen.

Zu den Plänen, das Abbaugebiet um 6,5 Hektar in Richtung Nordwesten zu erweitern, gab es in der Sitzung der Gemeindevertretung am 22. Oktober 2020 eine erneute Aussprache, an deren Ende alle anwesenden Mitglieder von CDU, UBL und SPD beschlossen haben, dass eine Erweiterung, die bis auf 135 Meter an den Ort heranrücken wird, abgelehnt wird. Ich konnte erneut zum Ausdruck bringen, dass sich in dem Beschluss mein sich über viele Monate entwickelter Abwägungsprozess zwischen unternehmerischer Freiheit und Rohstoffbedarf auf der einen Seite und der Bewahrung des Lebensraums für Mensch und Natur sowie dem Emissionsschutz auf der anderen Seite wiederfindet. Ich vertrete die Auffassung, dass eine Verschlechterung der Lebensbedingungen für die Menschen in Großenlüder nicht hinnehmbar ist. Bei dieser Entscheidung waren nicht nur die Erfahrungen und Wahrnehmungen im Hier und Jetzt ausschlaggebend. Bereits im Zuge der geplanten Erweiterung im Jahr 1987 hatten sich die Mitglieder der Gemeindevertretung intensiv mit dem Abbau von Kalkstein auseinandergesetzt. Bereits damals wurden die vorgesehenen Abbauabschnitte sechs bis acht grundsätzlich abgelehnt – die damals im Gespräch befindlichen Abbauabschnitte sechs bis acht umfassen genau den Bereich, um den es in der heutigen Auseinandersetzung geht. Zur Begründung hieß es: "Die Versagung ist gerechtfertigt, weil öffentliche Belange vorliegen, denen Vorrang vor den unternehmerischen Belangen des Kalksteinabbaus eingeräumt werden muss." Zu den ins Feld geführten öffentlichen Belange waren insbesondere die zu erwartenden Auswirkungen auf die bebaute Ortslage zu zählen, die schädliche Umwelteinwirkungen herbeiführen. Darüber hinaus wurde die Gefährdung des Hochwasserbehälters und des Rohrleitungsnetzes angeführt, wie auch der Verlust des abschirmenden Grüngürtels zum Schutz der Bewohner (Sicht- und Schallschutz).

Am besten lassen sich die Dimensionen und Auswirkungen der geplanten Steinbrucherweiterung bei einer Ortsbegehung aufzeigen. Die Erweiterung wird einen unwiederbringlichen Eingriff in die Natur mit sich bringen. Am Ende bleibt ein ressourcenerschöpfter Berg zurück, bei dem die vollständige Renaturierung des "Kraters" ungewiss ist. Besonders kritisch sehe ich in diesem Zusammenhang auch die Gefährdung des Grundwassers durch die Tieferlegung des Steinbruchs wie auch die Auswirkungen der Sprengungen auf den in unmittelbarer Nähe gelegenen Trinkwasserhochbehälter. Ich befürchte, dass der Eingriff in den natürlichen Wasserhaushalt mit weitreichenden Folgen für die Umwelt und Natur wie auch für die Menschen in Großenlüder verbunden sein wird. Die Bewahrung der Lebensgrundlagen muss aber auch für die kommenden Generationen gesichert sein.

Abschließend möchte ich trotz des sehr intensiven und des teilweise auch verletzenden Meinungsaustausches rund um die Auseinandersetzungen mit der geplanten Steinbrucherweiterung hervorheben, dass die im November letzten Jahres vorgetragenen Planungen zu einem beispielhaften bürgerschaftlichen Engagement mit der Gründung einer Bürgerinitiative geführt haben. Auch und vor allem junge Menschen bringen sich und ihre Meinung ein und wollen auch weiterhin am Prozess der Willensbildung beteiligt werden. Insgesamt wird deutlich, dass sich die Menschen um die Zukunft ihrer unmittelbaren Umgebung und ihrer persönlichen Lebensumstände Gedanken machen und sie aktiv mitbestimmen möchten. Das ist sehr zu begrüßen.

Mir ist bewusst, dass ich mit dieser klaren Haltung nicht nur Zustimmung erfahren werde. Mir ist ebenfalls sehr wohl bewusst, dass gerade bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Zement- und Kalkwerke durch meine Aussage und den in der Gemeindevertretung gefassten Beschluss vom 22. Oktober 2020 Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes hervorgerufen werden kann. Es geht aber natürlich mitnichten darum, mit der Ablehnung der Erweiterungspläne eine Schließung des Werks herbeiführen zu wollen. Der Abbau ist aufgrund bestehender Genehmigungen und vorhandener Rohstoffe noch über viele Jahre gewährleistet. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben somit noch eine sehr weitreichende Arbeitsplatzperspektive vor sich und können eine verhältnismäßig große Arbeitsplatzsicherheit genießen. Gerade in den herausfordernden Zeiten der SARS-CoV-2-Pandemie und der mit ihr einhergehenden wirtschaftlichen Abkühlung, die sich u. a. in Kurzarbeit und Stellenabbau zeigt, ist das keine Selbstverständlichkeit. Vor allem darf aber auch nicht das Argument des drohenden Arbeitsplatzverlustes gegen die Bewahrung der ökologischen Lebensgrundlagen ins Spiel gebracht werden.

Im Rahmen einer Denkfabrik könnte die Unternehmensleitung der ZKW Otterbein vielmehr auf das beträchtliche und innovative Know-how der Menschen Großenlüders zurückgreifen, um eine wirtschaftliche und unternehmerische Konzeption zu entwickeln, die die Philosophie des Betriebs berücksichtigt, zukunftsgewandt und an den Belangen von Mensch und Natur ausgerichtet ist."

Worin sehen Sie Ihre persönlichen Ziele und Schwerpunkte für Ihre mögliche Amtszeit als Bürgermeister?

"Zunächst möchte ich zum Ausdruck bringen, dass ich das in den letzten Jahren Erreichte sehr zu schätzen weiß und Großenlüder als Heimat- und Lebensmittelpunkt bewahren und fortentwickeln möchte. Dabei müssen das Wohlbefinden und die Lebensqualität der Menschen in Großenlüder im Hier und Heute, wie auch in Zukunft an erster Stelle stehen. Daher will ich mich mit Nachdruck den zentralen Zukunftsthemen widmen. Aus meiner Sicht sind das vor allem der Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel. Sie müssen der Motor für die Verbesserung der Umwelt- und der Lebensqualität in Großenlüder sein. Die Herausforderungen des Umwelt- und des Klimaschutzes dürfen nicht als Bedrohung wahrgenommen werden. Sie sind als Chance zu begreifen.

Großenlüder ist mit seinem dörflichen Charakter im ländlichen Bereich ein idealer Lebensraum zum Wohnen und Arbeiten. Großenlüder ist als Wohnort beliebt und soll weiterhin für junge Familien anziehend bleiben. Die Lebensqualität in unserer Gemeinde ist zu einem großen Standortfaktor geworden – ein Pfund, mit dem wir wuchern können. Die gute Lebensqualität zeigt sich in der effizienten Infrastruktur und dem abwechslungsreichen Veranstaltungsangebot wie auch der ansprechenden Vielfalt an gepflegten Naherholungsflächen. Gemeinsam mit allen in Großenlüder lebenden Menschen, sowie unter Berücksichtigung der Interessen und der Vorstellungen des Gewerbes, des Tourismus, der Vereine und weiterer Institutionen möchte ich ein Leitbild erstellen, das Visionen aufzeigt, wie die Gemeinde Großenlüder in zehn, 15 Jahren aussehen kann und soll, welche zukunftsträchtigen Entwicklungen möglich sind, ohne die eigene Identität aufzugeben. Diese Zukunftswerkstatt sollte wissenschaftlich begleitet werden. Mögliche Themenfelder sind: Wohnraum/lebendige Quartiere, Beruf/Familie/Freizeit, Wohnen und Leben im Alter, Infrastruktur/Daseinsvorsorge, Mobilität, Nachhaltigkeit und die solidarische Bürgergesellschaft."

Wie schätzen Sie Ihren Gegenkandidaten Marco Herbert ein?

"Ich habe Marco Herbert als Mitglied der Gemeindevertretung von Großenlüder kennengelernt, in die er nach der Kommunalwahl im Jahr 2016 nachgerückt ist. Wir sind beide im Ausschuss für Sport und Kultur, Jugend und Familie aktiv. Ich schätze ihn als Mensch, sowie als kommunalpolitisch und ehrenamtlich Aktiven sehr. Wir pflegen ein überaus kollegiales Verhältnis, an dem sich auch aufgrund unseres derzeitigen Wahlkampfes und einer Wahlentscheidung am 15. November (hoffentlich) nichts ändern wird. Uns beiden war von Beginn an klar, dass wir auch am Wahlabend ein Bier miteinander trinken werden. Für den fairen und sachlichen Wahlkampf bedanke ich mich bei ihm."

Für wen sich die Bürger in Großenlüder entscheiden, wird sich am kommenden Sonntag zeigen. OSTHESSEN|NEWS berichtet aktuell über die Bürgermeisterwahl. (mi) +++


Über Osthessen News

Kontakt
Impressum

Apps

Osthessen News IOS
Osthessen News Android
Osthessen Blitzer IOS
Osthessen Blitzer Android

Mediadaten

Werbung
IVW Daten


Service

Blitzer / Verkehrsmeldungen Stellenangebote
Gastro
Mittagstisch
Veranstaltungskalender
Wetter Vorhersage

Social Media

Facebook
Twitter
Instagram

Nachrichten aus

Fulda
Hersfeld Rotenburg
Main Kinzig
Vogelsberg
Rhön