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Der vierköpfige Vorstand der Bickhardt Bau AG stand OSTHESSEN|NEWS Rede und Antwort (v.li.n.re.): Horst Müller, Ralf Schär (Vorsitzender), Frank Finster und Marco Auth. - Fotos: Hendrik Urbin

KIRCHHEIM BB-Vorstand im O|N-Gespräch (1)

Bickhardt Bau will Top-Marktposition festigen - Aber: Corona-Nachfragedelle

12.11.20 - "Die deutsche Bauindustrie ist krisensicher - und dazu leisten wir unseren Beitrag", sagt Ralf Schär (61), Vorstandsvorsitzender der Bickhardt Bau AG. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Kirchheim (Landkreis Hersfeld-Rotenburg) hat sich als Komplettanbieter im Verkehrswegebau über Jahrzehnte einen guten Ruf erarbeitet. "Wir sind zuverlässig und stehen bei unseren Partnern für Leistungsstärke und technische Kompetenz", erklärt Schär und sieht Bickhardt Bau für die Zukunft bestens aufgestellt.

OSTHESSEN|NEWS hat in einem 76 Minuten-Interview mit der BB-Chefetage, den vier Vorständen Ralf Schär (Vorsitzender), Marco Auth (46), Frank Finster (56) und Horst Müller (62), über die aktuelle Lage am Bau, die Herausforderungen der Branche sowie die Themen Digitalisierung und Nachwuchs gesprochen.

OSTHESSEN|NEWS-Chefredakteur Christian P. Stadtfeld.

Die BB-Vorstände (v.li.): Marco Auth (46), Horst Müller (62), Frank Finster (56) ...

Ralf Schär (61), Vorstandsvorsitzender der Bickhardt Bau AG im Interview. ...

Mit 2.500 Mitarbeitern und einer Gesamtleistung von 500 Mio. Euro Umsatz (2019) zählt die Bickhardt Bau Unternehmensgruppe zu den größten und bedeutendsten Arbeitgebern in der Region Osthessen. Bickhardt Bau steht nach eigenen Angaben für Tradition und Innovation.

Lesen Sie hier den ersten von zwei Teilen des O|N-Interviews.

O|N: Bickhardt Bau zählt zu den erfolgreichsten mittelständischen Unternehmen in der deutschen Bauindustrie, besonders im Verkehrswegebau. Wo steht das Unternehmen heute, so kurz vor dem 50-jährigen Jubiläum?

Ralf Schär: "Wir stehen mitten in Deutschland und wir stehen recht ordentlich da. In den letzten Jahren ist die Bickhardt Bau AG sehr stark gewachsen. Unsere Aufgabe ist es jetzt, uns zu konsolidieren und unsere Marktposition zu festigen. Wir kommen von einem mittelständischen Bauunternehmen, das 1971 von Peter Bickhardt gegründet wurde. Vor der Grenzöffnung 1990 hatten wir rund 300 Beschäftigte, innerhalb von fünf Jahren waren es dann mittlerweile 1.200. Wirtschaftlich ging es ebenfalls stetig nach oben. Im Jahr 1999 hat der Konzern 199 Mio. Euro Umsatz erwirtschaftet. Heute liegen wir bei einer halben Milliarde Euro, mit rund 2.500 Mitarbeitern.

Wir sind primär Verkehrswegebauer und haben zusätzlich den Brücken- und Spezialtiefbau im Portfolio. Seit ein paar Jahren gehört auch der Betonstraßen- und Gussasphaltbau dazu. Wir konzentrieren uns dabei vor allem auf die Mitte Deutschlands: von Bautzen in Sachsen bis Köln im Rheinland und von Hannover bis Nürnberg. Hier sind wir mit unseren Niederlassungen und Tochterunternehmen rund um den Hauptsitz gut aufgestellt."

Bickhardt Bau ist Verkehrswegebauer in der Mitte Deutschlands.

Ralf Schär hat das Unternehmen zu einem der erfolgreichsten mittelständischen ...

Der Bahnhof in Warnemünde wurde dieses Jahr von Bickhardt Bau umgebaut. ...

O|N: Wo sehen Sie sich im Markt positioniert?

Ralf Schär: "Wir gehören zu den größeren Mittelständlern, wissen aber genau, wo wir unseren Ursprung haben. Bickhardt Bau ist ein besonderes Unternehmen, denn wir bedienen Aufträge von 30.000 Euro bis hin zu 200 Mio. Euro. Demzufolge sind wir sehr breit aufgestellt und können ein breites Spektrum an Auftraggebern und somit verschiedenen Aufträgen abdecken."

O|N: Die Baubranche gilt eigentlich als krisenfest. Gilt das auch für Bickhardt Bau? Und welche Auswirkungen hat die Corona-Krise?

Ralf Schär: "Die Bauwirtschaft insgesamt hat sich bis jetzt in dieser Corona-Pandemie als sicherer Wirtschaftszweig bewiesen. Wir hatten bisher so gut wie keinen Ausfall und konnten mit den der Mitarbeitergesundheit geschuldeten Anpassungen nach Plan in kleinen Kolonnen dezentral weiterarbeiten. Die Kontaktnotwendigkeiten wurden ebenso reduziert, wie die Auslastung der Büroräume, Besprechungen finden vorwiegend mittels Videokonferenzen statt. Ein Großteil der Angestellten kann situationsbedingt mobil arbeiten. Der hohe Grad der Digitalisierung ermöglicht nahezu vollständig das mobile Arbeiten und die Aufstellung als Komplettanbieter im Verkehrswegebau begrenzt die Abhängigkeit von Fremdunternehmen deutlich. Wir sind also bisher gut durchgekommen. Die Bauwirtschaft, insbesondere der Bereich Verkehrswegebau, ist aktuell weitgehend losgelöst von den negativen konjunkturellen Einflüssen der Corona-Pandemie.

Insgesamt hatten wir im Konzern bis dato nur geringe Pandemie Auswirkungen. Mittlerweile – und das befürchteten wir schon frühzeitig – spüren wir so eine Art 'Nachfragedelle'. Das ist dem geschuldet, dass durch den Lockdown viele Planungen und Ausschreibungen der Bauverwaltungen nicht bearbeitet wurden."

Die Rastanlage Rimberg an der A5 wurde von Bickhardt Bau ausgebaut.

Vorstand Marco Auth rechnet mit Auswirkungen der Corona-Krise auf die Baubranche ...

Bickhardt Bau wurde 1971 von Peter Bickhardt gegründet.

O|N: Wie sieht die Prognose in Zahlen aus?

Marco Auth: "Unsere Auslastung liegt Stand jetzt bei etwa 90 Prozent. Wir sprechen damit aktuell von Vollauslastung und das bleibt auch in den kommenden elf Monaten so. Solange sind die Auftragsbücher voll. Das ist auch angesichts der möglicherweise sinkenden Investitionsmittel der Landesregierungen und der zu erwartenden Ausschreibungsdelle auch gut so. Dieses Jahr werden wir keine Einbußen zu spüren bekommen und erwarten einen Umsatz, mindestens auf Vorjahresniveau. Welche Folgen die Corona-Pandemie für uns am Ende hat, wissen wir aber nicht. Auswirkungen spüren wir frühestens Mitte 2021. Niemand kann in die Glaskugel schauen, aber vor den Jahren 2022 und den folgenden haben wir, wie hoffentlich jeder seriöse Unternehmer, großen Respekt."

O|N: Wo liegen jetzt genau die Herausforderungen?

Ralf Schär: "Wir sind zu 90 Prozent für die öffentliche Hand unterwegs. Wir merken, dass in Deutschland zu wenige Bauausschreibungen auf dem Markt sind. Ob es an ausgebliebenen Planungsarbeiten der Bauverwaltungen liegt, wissen wir im Moment nicht. Fakt ist aber: Wir leben noch in einem Investitionshochlauf. Der Verkehrshaushalt lag bis 2015/2016 bei 10 Milliarden Euro. Jetzt sind wir bei 16 Milliarden Euro. Es sind also viele Gelder in den letzten Jahren in die Verkehrsinfrastruktur geflossen. Nur das Geld kommt im Moment nicht spürbar bei den Bauunternehmen an.

Die Städte und Gemeinden sind auch vorsichtiger geworden, haben teilweise Investitionen aufgrund fehlender Steuereinnahmen durch die Pandemie gestoppt. Ein weiteres Problem ist die Umstrukturierung zur bundeseigenen neuen "Autobahn GmbH", die ab 2021 für den kompletten Bau, Betrieb und Erhalt aller Autobahnen verantwortlich sein wird.

Dieses Konglomerat aus finanzschwachen Kommunen, der Corona-Krise, die neue 'Autobahn GmbH' plus die fehlenden Planungen ist sicherlich mitverantwortlich für die zurückgehende Auftragslage. Die Bündelung aller Bau- und Bewirtschaftungskompetenzen der Fernstraßen Deutschlands in der 'Autobahn GmbH' eröffnet aber auch Chancen für innovative Vertragsformen und die Mittelbindung in der 'Autobahn GmbH' wird die zukünftigen Infrastrukturinvestitionen verstetigen."

Der Firmensitz am Autobahndreieck Kirchheim.

Vorstand Frank Finster setzt im Bereich Personal auf moderne Kommunikationswege. ...

Bickhardt war für den Gussasphalt auf der Hochmoselbrücke zuständig. ...

O|N: Fachkräftemangel ist nach wie vor das beherrschende Thema, vor allem im Handwerk. Und ohne Personal läuft aber nichts. Wie ist die Lage bei Ihnen? Findet man noch genug Ingenieure, Techniker, Facharbeiter und auch Nachwuchs?

Frank Finster: "Personal ist die größte Herausforderung der nächsten Jahre. Das ist bekannt, nicht erst seit gestern und wir beschäftigen uns sehr stark mit dieser Thematik. Um an passende Bewerber zu kommen, nutzen wir neben Ausbildungsmessen & Co. auch moderne Kommunikationsmedien. Im Bereich Recruiting haben wir schon viel investiert und werden es auch in Zukunft tun. Aber um auf Zahlen zu kommen: Im August 2020 haben 42 junge Menschen ihre Karriere bei Bickhardt Bau begonnen, im Konzern sind es aktuell insgesamt 150 Auszubildende. Das sind tolle Zahlen, aber sie liegen unter unseren Erwartungen. Gerne hätten wir noch mehr junge Menschen in unser Team aufgenommen. Bei den 150 Nachwuchs-Kräften sind allein 30 duale Studierende dabei, die bei ihrem Ingenieur-Studium Theorie und Praxis sinnvoll verbinden. All das ist zwar eine gute Basis und lässt uns positiv in die Zukunft blicken, aber im gewerblichen Bereich sind wir nicht zufrieden. Hier ist unser Selbstanspruch höher und noch Potential nach oben."

Ralf Schär: "Wenn es um Nachwuchs im Bau geht, sind wir in der Region ganz vorne mit dabei. Wir legen großen Wert auf die Osthessen. Die wollen wir gerne einstellen und ausbilden, denn sie sind Menschen mit großer Heimatverbundenheit. Unsere Erfahrung ist, dass sie gerne nach der Ausbildung oder dem Studium, das sie irgendwo in Deutschland absolvieren, wieder zurückkommen – in ihre Heimat. Menschen aus Hamburg oder aus Berlin können wir zwar keine Großstadt bieten, aber wir haben attraktive Lösungen geschaffen. So haben wir uns gerade deshalb in den letzten Jahren nochmal erweitert. Wir haben in Kassel beispielsweise ein Unternehmen gekauft und damit auch ein Stück weit den Standort. Kassel ist die Großstadt Nordhessens und auch mit Fulda, wo unsere größte Niederlassung ist, haben wir auch eine tolle Stadt mit ICE-Halt und jede Menge Freizeitaktivitäten. Um es kurz zu sagen: Die Region Nord-Osthessen hat viel zu bieten."

Die Baugrube für das neue Terminal 3 am Frankfurter Flughafen wurde von Bickhardt ...

Vorstand Horst Müller berichtet vom vielfältigen Engagement im Bereich Aus- und ...

Digitalisierung spielt auch in der Baubranche seit einigen Jahre eine sehr große ...

O|N: Sie unternehmen viel im Bereich der Aus- aber auch der Weiterbildung. Jüngstes Beispiel ist die Kooperation mit der Bauakademie Alsfeld. Warum ist Ihnen dieses Thema so wichtig?

Horst Müller: "Hier geht es um einen schnelleren Digitalisierungsprozess in der Baubranche. Das Schlagwort ist "Building Information Modeling" – kurz: BIM. Wir wollen Fachkräfte in dieser Thematik weiterbilden, denn damit werden künftig alle Baufirmen konfrontiert. Hier sind wir Vorreiter und haben einen Kooperationsvertrag mit der Staatlichen Technikerschule in Alsfeld, mit der wir seit vielen Jahren gute Verbindungen pflegen, geschlossen. Zusammen haben wir ein Curriculum erstellt. Den theoretischen Anteil deckt die Akademie in Alsfeld ab, wir übernehmen den praktischen Part. Am Ende steht dann ein international anerkanntes Zertifikat. Im November läuft die erste Schulung. Wir sind gespannt und freuen uns."

O|N: Das Wort Digitalisierung fällt immer wieder: Welche Rolle spielt sie mittlerweile im Bauwesen?

Horst Müller: "Ohne Digitalisierung geht es im Bau, wie wir ihn verstehen, nicht mehr. Wir sind da gefühlt schon immer vorne mit dabei, denn wir arbeiten schon viele Jahre komplett digital. Digitale Prozesse, die effizient und nachhaltig sind, haben wir umgesetzt. Gerade jetzt in der Corona-Krise hat sich gezeigt: Wir sind top aufgestellt. Der elektronische Datenverkehr schafft hier eine Basis, um von überall auf der Welt arbeiten zu können. Videokonferenzen vereinfachen uns auch jetzt, in Pandemie-Zeiten, die Kommunikation."

O|N: Der Bau hat leider in der öffentlichen Wahrnehmung noch immer ein Imageproblem. Und dass, obwohl man gute Aufstiegs- und Verdienstmöglichkeiten hat. Was tun Sie, um Ihre Branche attraktiv zu machen und ein besseres Image bei den Menschen zu erzeugen?

Unter Schär wurden zahlreiche neue Niederlassungen in ganz Deutschland gegründet. ...

Ralf Schär: "Die Ansprüche der jungen Generationen haben sich komplett verändert. Die Bereitschaft, die Woche über auf Montage und bloß wochenends bei der Familie zu sein, wird immer weniger. Deshalb haben und werden wir mit Gründungen von neuen Niederlassungen es den Mitarbeitern ermöglichen, mehrheitlich zu Hause zu schlafen.

Das ist von großer Bedeutung, wenn man im Bau attraktiv sein will. Zudem muss man sensibilisieren und verdeutlichen, dass man als Mitarbeiter am Bau nicht mehr ausschließlich mit Schaufel und Kreuzhacke agiert. Man ist oftmals schon ein halber Techniker, weil man digital Baumaschinen führen muss. Der Arbeitsplatz in den Baumaschinen ist mittlerweile komfortabel. So, und natürlich auch mit modernen Arbeitsmitteln, wollen wir das veraltete Image aus den Köpfen der Leute herausbekommen. Autonome Maschinen und auch beispielsweise Drohnenvermessung sind Themen, die transportiert werden müssen."

Marco Auth: "Auch die Wahrnehmung der Eltern vom Beruf auf der Baustelle helfen uns nicht unbedingt. Begriffe wie Schmutz, Dreck, Schippe und anstrengende Arbeit sind heute nicht mehr gleichbedeutend mit einer Tätigkeit am Bau. Wir brauchen einen Wandel. Und den können wir nur vollziehen, indem wir in Schulen gehen und vermitteln, mit welch moderner Technik wir heutzutage arbeiten. Außerdem achten wir besonders darauf, dass unsere Mitarbeiter draußen auf den Baustellen, qualitativ hochwertige Arbeitsschutzkleidung tragen, welche den Witterungsbedingungen angepasst sind."

O|N: Sie, im Vorstand, sind alle Vier erfahrene Manager im Baugeschäft. Was empfehlen Sie: Studium auf Biegen und Brechen oder doch eine Ausbildung?

Ralf Schär: "Bickhardt Bau ist ein gutes Beispiel dafür, dass man als junger Mensch die Frage Ausbildung oder Studium nicht übers Knie brechen muss. Eine Vielzahl von heutigen Mitarbeitern hat trotz Abitur erst nach einer Ausbildung zum Straßenbauer, Laborant oder Industriekaufmann in unserem Unternehmen ein Bachelor- oder Masterstudium erfolgreich abgeschlossen. Auch wenn man handwerklich orientiert ist, bietet gerade die Bauindustrie nach einer gewerblichen Lehre mit weiterführenden Techniker- und Meisterschulen gute Aufstiegschancen. Das Fundament der Bauindustrie und auch unseres Unternehmens sind aber die gut ausgebildeten Facharbeiter. Krisensicher bei gutem Verdienst. Die Antwort lautet also: Informiere dich intensiv und entscheide nach deinen Interessen."

Im zweiten Teil des Interviews äußert sich die Bickhardt Bau-Führungsriege unter anderem zu den Firmenübernahmen in Kassel und Naumburg, zur Expansions-Strategie und dem Jubiläum "50 Jahre Bickhardt Bau" im Jahr 2021. (Christian P. Stadtfeld) +++

Der Vorstand erläutert O|N-Chefredakteur Christian P. Stadtfeld die Entwicklungen am Hauptsitz ...

Bickhardt Bau ist auch am Umbau der Biathlon Arena in Oberhof im Thüringer Wald beteiligt. ...

Marco Auth berichtet von zahlreichen Großprojekten in ganz Deutschland.


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