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Am Gießener Landgericht ging die Verhandlung am Mittwoch weiter. - Symbolbild: O|N / Luisa Diegel

GIESSEN / ALSFELD Fünfter Verhandlungstag im Mordprozess

Mit neun Schlägen auf den Kopf: "Er sagt, er kann sich an die Tat nicht erinnern"

03.12.20 - Mittwochmorgen am Gießener Landgericht: in seiner Winterjacke sitzt der Angeklagte I. neben seinem Dolmetscher und seinem Verteidiger. Wie auch bei den vier Prozesstagen zuvor zeigt er keine Regung, blickt nicht auf, um der Richterin oder den geladenen Zeugen ins Gesicht zu sehen. Vier Stunden sitzt er da, den Blick fest auf seinen Notizblock gerichtet. Dort schreibt er alles mit, was ihm sein Dolmetscher übersetzt.

Als erste Zeugin wurde am Mittwoch die Richterin am Alsfelder Amtsgericht geladen, die am 4. Mai, zwei Tage nach der Tat in der Alsfelder Obergasse, Haftbefehl gegen den Angeklagten erlassen hatte. Sie berichtete von Verständigungsschwierigkeiten zwischen ihr und dem Angeklagten bei der Vernehmung, da er sich an viele Sachen nicht erinnern könne - unter anderem an die Tat. "Er hat mir erzählt, dass er am Tattag von seiner Familie in Nürnberg nach Alsfeld gekommen sei, um seine Kinder zu sehen und Gegenstände aus der Wohnung seiner Frau zu holen. Dann hat er vor der Wohnungstür des späteren Opfers ein Telefonat mitangehört, in dem seine Frau sagte, dass sie sich von ihrem Mann trennen und einen neuen Mann heiraten will", erinnert sich die Richterin. 

Angeklagte habe keine Erinnerungen

An die Dinge, die danach passiert seien, habe sich der Angeklagte nicht erinnern können, deshalb habe er sich auch nicht zur Tat geäußert. Lediglich an einen Hammer auf dem Tisch der Nachbarin, bei der er für ein paar Tage unterkommen wollte, konnte er sich erinnern. "Er machte auf mich bei der Vernehmung einen ruhigen Eindruck, mir kam es so vor, als ob er gerne Angaben zur Sache machen wollte, um sich seelisch zu erleichtern, dennoch aber nicht alles sagen will."

Danach beschäftigte sich das Gericht mit verschiedenen Sprachnachrichten und Telefonaten, die auf dem Handy des Opfers sichergestellt werden konnten. In den Gesprächen ging es um den Angeklagten und die gemeinsamen drei Kinder.

"Sie konnten sich nicht mehr ertragen"

Dann schilderte Zeugin A., die Tante der Getöteten, dass sie am Tattag nachmittags noch normal mit ihrer Nichte telefoniert habe - erst zwei bis drei Tage später habe sie dann von der Mutter erfahren, dass sie getötet wurde. Die Mutter habe ihr am Telefon geschildert, dass der Angeklagte an diesem Abend zweimal zu seiner Frau gekommen sei. "Beim zweiten Mal hat er an die Tür geklopft und gesagt, sie solle aufmachen, er würde ihr nichts antun."

Die Tante berichtete von einer schlechten Beziehung der beiden, "sie haben sich einander nicht mehr ertragen". Deshalb wollte das Opfer die Scheidung, der Angeklagte wollte diese jedoch nur akzeptieren, wenn er die drei gemeinsamen Kinder bekäme. "Er hat angekündigt, ansonsten Probleme zu machen und sich nicht scheiden zu lassen." Doch Probleme habe es auch so schon gegeben, wie Zeugin A. schildert: "Sie hat mir erzählt, dass der Angeklagte sie schlägt, schon seitdem sie zusammen waren, hatte sie Angst vor ihm." Auch vor der Polizei habe der Angeklagte das spätere Opfer bedroht, mit Sätzen wie "ich werde dich mit einer Kugel treffen und werde dir wehtun." Auf die Frage des Verteidigers, warum die Tante dann die Familie samt Angeklagten Anfang des Jahres für ein paar Tage in ihrem Zuhause in Wien aufgenommen habe, wenn er doch jeden Tag ihre Nichte schlagen würde, erwiderte sie: "Ich muss sie doch aufnehmen, das ist unsere Tradition."

Zeugin A. beteuerte immer wieder auf Nachfrage des Gerichts, dass die Geschädigte keine Beziehung zu einem anderen Mann geführt habe. "Das hätte sie mir erzählt", erklärt sie ihr inniges Verhältnis zueinander. "Es gibt aber Belege, dass sie viele persönliche Sachen eben nicht erzählt hat", so der Verteidiger. Denn auf dem Handy der Getöteten fanden Ermittler eindeutige Nachrichten, die auf eine Liebesbeziehung zu einem anderen Mann hindeuten. "Ist das eine Entschuldigung für die Tat?", fragte Zeugin A. "Nein, ist es nicht", erwidert der Verteidiger. "Doch! Sonst hätten Sie ihn nicht verteidigt und würden nicht neben ihm sitzen", erwiderte die Zeugin.

Die Tante des Opfers verließ den Gerichtssaal mit den Worten: "Bitte machen Sie diesen Prozess zum Zeichen, dass keine Männer mehr ihre Frauen umbringen." (Luisa Diegel) +++


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