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Stephan Ernst (Robin Sondermann) beobachtet die Terrasse von Lübckes Haus - Fotos: hr/Daniel Dornhoefer

REGION Emotional und faktenreich

Bewegendes Doku-Drama über den Lübcke-Mord "Schuss in der Nacht"

05.12.20 - Nur wenige Ereignisse haben in der öffentlichen Wahrnehmung einen solchen Niederschlag gefunden wie die grauenhafte Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Ungewöhnlich und mutig ist der Versuch, das dramatische Geschehen vom 1. Juni 2019 und dessen Hintergründe filmisch aufzubereiten, noch bevor gerichtlich abschließend geklärt ist, was sich in dieser Nacht in Wolfhagen-Istha wirklich abgespielt hat - vor allem vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte inzwischen mehrere unterschiedliche Tatversionen "gestanden" hat. Das am Freitagabend in der ARD gezeigte Dokudrama "Schuss in der Nacht" von Raymond Ley erzählt emotional und zugleich faktenreich, wie es zum tödlichen Angriff auf den Kasseler Regierungspräsidenten kam. Es geht um den ersten rechtsextremistisch motivierten Mord an einem Politiker seit der Zeit des Nationalsozialismus. Der Film basiert auf intensiven Recherchen und Gesprächen mit Beteiligten vor Ort.

Stephan Ernst (Robin Sondermann, ganz rechts) stellt bei der Tatortbegehung den Tathergang ...

Das Drehbuch basiert hauptsächlich auf den Protokollen des ersten Geständnisses von Stephan Ernst, das dieser später widerrufen und durch zwei neue Geständnisse ersetzt hat. Beklemmend deutlich wird durch diese Protokolle, wie Ernst sich zunehmend radikalisierte und wie Walter Lübcke als Vertreter einer fürsorglichen Haltung gegenüber Geflüchteten zur Hassfigur von Rechtsradikalen wurde. Am 1. Juni 2019 gegen 23:30 Uhr fällt der Schuss, der eine Zäsur in der Bundesrepublik bedeutet. In der hessischen Kleinstadt Wolfhagen-Istha wird in dieser Nacht der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke ermordet, während nur wenige Meter weiter die jährliche Weizenkirmes die Bewohner in Feierlaune versetzt.

Robin Sondermann spielt den Rechtsextremisten Stephan Ernst

Es ist eine DNA-Spur an der Kleidung von Walter Lübcke, die am 15. Juni 2019 die Ermittler zu dessen mutmaßlichem Mörder führt: Stephan Ernst. Der vorbestrafte Rechtsextremist Ernst wird von einer SEK-Einheit in Kassel verhaftet. Ein erster Hintergrund-Check offenbart: Stephan Ernst ist den Sicherheitsbehörden bekannt, sie haben ihn aber sechs Jahre lang nicht mehr auf dem Radar gehabt. Nun ist er wieder da. Und ein Mensch ist tot.

Der 90-minütige Film verbindet szenische Elemente mit dokumentarischem Material und rekonstruiert dabei auch die Bürgerversammlung im hessischen Lohfelden, auf der Walter Lübcke klar und kompromisslos für die Werte der Demokratie eintrat. Noch am selben Abend wurde er - zunächst im Netz - zum Feindbild der rechten Szene. Aus den hasserfüllten Worten wurden am Ende Taten und aus dem Schweigen der Zuschauer in Lohfelden wuchs für viele heute ein Gefühl der Scham, wie sie vor der Kamera berichten.

Norbert Bartels (Joachim Król, links) in der Vernehmung mit Stephan Ernst (Robin ...

Im Zentrum der Spielszenen steht die Vernehmung von Stephan Ernst (gespielt von Robin Sondermann), der den beiden Ermittlern Norbert Bartels (Joachim Król) und Petra Lischke (Katja Bürkle) einen Einblick in seine Gedankengänge liefert. Wie kam es zum Mord an Walter Lübcke? Was löste den Hass aus, der zu dessen sinnlosem Tod führte?

Die dichte und atmosphärische Inszenierung von Regisseur Raymond Ley ("Meine Tochter Anne Frank", "Tod einer Kadettin") liefert eine erschreckende Nahaufnahme der Gedankenwelt rechtsextremer Täter und verarbeitet auch die gesellschaftliche Stimmung, die über Jahre den Boden für immer gewaltsamere Taten nährte. Zu Wort kommen im Film außerdem Menschen aus dem innersten Zirkel um Walter Lübcke: Freunde aus seinem Heimatdorf, politische Wegbegleiter wie die hessische Justizministerin Eva Kühne-Hörmann oder auch der Kasseler Pfarrer Arno Wilke, der Lübcke als Letzter sah und mit ihm am Abend des 1. Juni noch auf der Terrasse saß, auf der der Regierungspräsident später erschossen werden sollte.

In der Montage aus Spielszenen, dokumentarischem Material und sehr persönlichen Interviews ist so ein eindrucksvolles Mosaik entstanden, das zeigt, was dieser politische Mord für Wolfhagen-Istha, aber auch für Deutschland bedeutet. Ein völlig neuer Blick auf die Ereignisse vom Juni 2019 - und auf das, was dann folgte.(ci/pm)+++


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