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Die Impfungen laufen noch nicht reibungslos. Auch bei der Einteilung von Priorisierungsgruppen gibt es verbesserungsbedarf. - Foto: picture alliance / M.i.S.-Sportpressefoto | MiS

REGION Probleme mit Priorisierungsgruppen

Menschen mit Behinderung in Stich gelassen? "Impfung bietet mehr Sicherheit"

03.03.21 - "Deutschland krempelt die Ärmel hoch" lautet das Motto der bundesweiten Impfkampagne gegen das Corona-Virus. So weit, so gut. Doch von Beginn an ruckelt es an einigen Stellen. Besonders Risikogruppen wie Menschen mit Behinderung, die in den eigenen vier Wänden leben oder betreut werden, wurden bei der Priorisierung schlichtweg vergessen. "Eine Impfung könnte schwere Krankheitsverläufe verhindern. Auch die Einzelfallentscheidung mit einem Nachweis einer ärztlichen Bescheinigung lief teilweise ins Leere. Dabei zählt jeder Tag", erklärt Gabriele Melchiors-Leskopf, Teilhabeberaterin EUTB Fulda und Hersfeld-Rotenburg. In ihrem Arbeitsalltag ist sie mit den Sorgen der Betroffenen konfrontiert, viele Unklarheiten und Fragen stehen im Weg. 

Die "Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung" (EUTB) berät Menschen mit Behinderungen. ...Fotos: privat

Gabriele Melchiors-Leskopf ist Teilhabeberaterin der EUTB Fulda und Hersfeld-Rotenburg. ...

Risikogruppen sind stark gefährdet, deren Schutz hat höchste Priorität. Doch die schwerstmehrfachbehinderten Menschen zu Hause bleiben größtenteils auf der Strecke. "Dabei werden manche 24 Stunden von mehreren Assistenzkräften betreut. In Heimen sieht es hingegen anders aus. Da werden Bewohner und Angestellte selbstverständlich geimpft." Das Vorgehen der politischen Entscheider ist nicht nachvollziehbar. "Es kann nicht sein, dass manche, die nicht Trisomie 21 haben oder nicht dement sind, durch jedes Raster fallen und von den Ämtern einfach im Stich gelassen werden. Anträge und persönliche Briefe bleiben unbeantwortet." Ein Beispiel: Die Mutter einer schwerbehinderten Tochter hatte sich bereits Anfang Januar über den Landkreis an das Gesundheitsamt gewandt, inzwischen erkrankten beide an dem Virus. Melchiors-Leskopf fordert klare Kommunikation und die Umsetzung der "CoronaImpfV" vom 8. Februar 2021, welche die Einzelfallprüfung für diese Personengruppen ermöglicht.

Familie Anders: "Haben Glück gehabt"

Familie Anders aus Hünfeld (Landkreis Fulda) ist froh, dass sich ihre 27-jährige Tochter in der Impfpriorisierungsgruppe 2 befindet. "Da sie Trisomie 21 hat, wird sie in diese Gruppe eingestuft. Sie hat noch andere Erkrankungen, welche beispielsweise die Atmung beeinträchtigen. Unsere Tochter kann zudem nicht lautsprachlich sprechen und hat eine hochgradige Schwerhörigkeit", erklärt Vater Manfred telefonisch gegenüber O|N. Das Worst-Case-Szenario für die Familie: Ein Krankenhausaufenthalt während der Pandemie. "Wenn keiner mit ihr auf die Intensivstation könnte, wäre sie ganz hilflos. Das ist auf jeden Fall eine erhöhte Sorge auch bei vielen anderen Eltern."

Das Impfzentrum in Fulda. Archivfoto: O|N/Carina Jirsch

Eins steht fest: 100 Prozent Sicherheit gibt es nicht. "Wir sind freilich vorsichtiger im Alltag, aber es kann natürlich schneller gehen als man denkt und man infiziert sich", sagt der 53-Jährige. Letzten Dienstag konnte sich die Familie endlich online für eine Impfung registrieren, darunter die Tochter und die Eltern als zwei Begleitpersonen. Die Erleichterung ist groß. "Jeden Tag, wo wir früher geimpft werden können, ist entlastend. Wir haben echt Glück gehabt mit der Priorisierung und sind jetzt einen Schritt weiter", konstatiert Manfred Anders. 

"Manche ziehen sich sehr zurück"

Impfungen können besonders Risikopatienten vor einem schweren Verlauf schützen. ...Symbolbild: Pixabay

Ehefrau Gabriele Anders ergänzt: "Bei schwerbehinderten Menschen sind momentan Ängste verstärkt vorhanden, es belastet den Alltag." Die Sehnsucht nach Normalität ist groß. "Manche haben sich sehr stark zurückgezogen zu Hause und vermeiden jegliche Kontakte." Psychisch eine Herausforderung. Aufgeben ist für viele jedoch keine Option. "Es gibt beispielsweise eine Petition, die auf die Fehler der Impfverordnung hinweist. Nach und nach wurden inzwischen Menschen höhergestuft - aber es gibt immer noch Probleme", berichtet die 54-Jährige. Auch die Einzelfallentscheidung sei problematisch. "Hier stehen Antragsteller vor großen Hürden."

Es ist allgemein ein Wettlauf gegen die Zeit. "Man muss immer auf dem Sprung bleiben und sich über aktuelle Entwicklungen informieren." Familie Anders ist gespannt, wann sie einen Impftermin erhält. Ihr Fazit: "Es ist keine leichte Situation für Menschen mit Behinderung - und das unabhängig vom Alter. Eine Impfung würde jedem mehr Sicherheit geben - auch den Bezugspersonen." (mkr) +++


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