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Dieter Teifke mit einem Kollegen beim Bundesgrenzschutz. Besonders der Mauerfall ist dem 72-Jährigen im Gedächtnis geblieben. - Fotos: privat

REGION 70 Jahre BGS / Bundespolizei

Zwischen Angst und Aufbruch: Grenzer erinnern sich an eine bewegende Zeit

20.03.21 - Die verschiedensten Episoden hatte die Bundespolizei in den vergangenen 70 Jahren zu bewältigen. Jahrzehntelang war der damalige Bundesgrenzschutz (BGS) für die Sicherung der innerdeutschen Grenze zuständig. Mit der Wiedervereinigung im Jahr 1990 begann eine neue Zeitrechnung in der polizeilich organisierten Behörde.

Dieter Teifke aus Edermünde-Besse (Schwalm-Eder-Kreis) hat die innerdeutsche Teilung beim Bundesgrenzschutz hautnah mitbekommen. Als Mitglied des Stabs des Grenzschutzpräsidiums in Kassel bekam der heute 72-Jährige täglich eine Übersicht von den Vorkommnissen an der hessisch-thüringischen Grenze, die von den Abteilungen aus Eschwege, Bad Hersfeld, Hünfeld und Fulda kontrolliert wurde: "Sobald es zu Unregelmäßigkeiten im Grenzgebiet gekommen ist, sind wir an die Grenze gefahren und haben uns ein Lagebild verschafft. Oftmals sind wir mit dem Hubschrauber über das Grenzgebiet geflogen, um eine bessere Übersicht zu haben", erklärt Teifke im exklusiven Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS.

Besondere Situation im direkten Aufeinandertreffen

Besonders war vor allem das Verhältnis zur DDR-Grenzkompanie: "Wir haben drei, vier Meter voneinander weggestanden und höflich 'Guten Tag' gesagt. Dies durfte von den DDR-Grenzern aber nicht erwidert werden - in der Nachbetrachtung eine unwirkliche Situation." Teifke führt aus, dass die Grenzer niemals als Feinde angesehen wurden, man hätte für deren Situation eher Mitgefühl gehabt.

Teifke in seinem Büro beim damaligen Bundesgrenzschutz in Kassel.

Der gesamte Grenzabschnitt war auch immer wieder Schauplatz tödlicher Zwischenfälle. An der hessisch-thüringischen Grenze kamen insgesamt 26 Menschen ums Leben. Teifke erlebte unter anderem einen Zwischenfall in Bad Soden-Allendorf (Werra-Meißner-Kreis) hautnah mit. Generell konnte er die Flucht der DDR-Bürger nachvollziehen: "Wir hatten absolutes Verständnis für jeden Flüchtling, der es probierte, in die Bundesrepublik zu kommen - obwohl sie sich einem großen Risiko aussetzten." 

Als dann im Winter 1989 die Grenzen geöffnet wurden, war dies ein sehr ergreifender Moment für den langjährigen Ausbilder des BGS-Kommandos: "Ich war bei der Öffnung an einigen Grenzabschnitten hautnah dabei - gerade für die Menschen im Grenzgebiet, war es eine enorme Befreiung. In meinem persönlichen Berufsleben war dies der absolut schönste Moment", erklärt Teifke zum Abschluss des Gespräches.

Unterschiede zwischen den Ost- und West-Einheiten

Auch für Andreas Rudolph war die Grenzöffnung der schönste Moment in seiner Laufbahn. ...

Andreas Rudolph aus Wüstheuterode hat die andere Seite kennengelernt. Der gebürtige Sachse war Kompaniechef der Grenzkompanie Wahlhausen (Thüringen) nahe Bad Soden-Allendorf und Angehöriger der Grenzschutzabteilung Ost 3. Nach dem Mauerfall und der Wiedervereinigung arbeitete er mehr als 20 Jahre für die Bundespolizeiinspektion Kassel. Im O|N-Gespräch erinnert sich der heute 68-Jährige vor allem an die Unterschiede zwischen der westdeutschen Bundespolizei und der ostdeutschen Grenzkompanie.

"In der DDR war alles straff militärisch organisiert, während die Bundespolizei eher als polizeiliche Einheit mit militärischen Zügen agiert hat. Im direkten Aufeinandertreffen an der ehemaligen innerdeutschen Grenze hat man die Unterschiede deutlich gemerkt", erinnert sich Rudolph.

Besonders die Zeit vor dem Mauerfall sind dem ehemaligen Beamten im Gedächtnis geblieben: "Gerade zu Beginn der 1980er-Jahre war an der Grenze eine militärische Anspannung zu spüren. Durch die Stationierung der sowjetischen Mittelstreckenrakete SS20 und den NATO-Doppelbeschluss (mit Atomsprengköpfen bestückte Raketen – der Pershing II und BGM-109 Tomahawk – in Westeuropa) hat sich die ohnehin angespannte Situation verschärft."

Der berufliche Neubeginn bei der Bundespolizei am 04. Oktober 1990.

Der Arbeitsalltag sei von Ungewissheit begleitet gewesen. Doch Ende des Jahrzehnts entspannte sich die politische Situation zusehends. Mit dem Beginn der Zeit Michail Gorbatschows und der veränderten Politik Glasnost und Perestroika (Offenheit und Umgestaltung) kam es zu einer Annäherung der Weltmächte, was auch Auswirkungen auf die Grenzbewachung hatte: "Es wirkte alles wie eine Schlaftablette, man spürte einen gewissen Stillstand. Jeder hat gemerkt, dass es zu einer großen Veränderung kommen wird. Dass im November 1989 die Mauer fällt, war indes noch nicht vorhersehbar."

Mit dem Mauerfall und der Wiedervereinigung kam es auch zu persönlichen Veränderungen für Rudolph: "Natürlich waren die Wendejahre 1989/90 die schönsten meiner Dienstzeit. Allerdings war unsere Zukunft völlig unklar - glücklicherweise hat der Übergang wunderbar funktioniert. Mit gegenseitigen Schulungen an den verschiedenen Standorten (Bad Hersfeld, Eschwege, Eisenach) wurde man immer mehr zu einer Einheit. In der Nachbetrachtung kann man sogar sagen, dass die Fusion in den gemeinsamen Bundesgrenzschutz besser funktioniert hat als die eigentliche Deutsche Einheit." Noch 23 weitere Jahre arbeitete Rudolph für den BGS bzw. für die Bundespolizei in Kassel. Eine unheimlich bewegende berufliche Laufbahn, wie Rudolph zugibt. (Kevin Kunze) +++


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