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Die Dritte Kleine Strafkammer des Landgerichts unter Vorsitz von Richter Dr. Jochen Müller - Fotos: Henrik Schmitt

FULDA Richter sieht "Schmutzeleien der AfD"

"Ich habe meine Frau erschossen!" - Angeklagter gesteht falsche Verdächtigung

08.05.21 - Im März 2019 hatte der Angeklagte Toni R. vor dem Amtsgericht Fulda noch vehement bestritten, dass er der Anrufer war, der am Telefon gegenüber der Polizei behauptet hatte, er sei Andreas Goerke (Vorsitzender des Vereins ''Fulda stellt sich quer") und habe soeben seine Frau erschossen. Verurteilt wurde er trotzdem. Bei der von seinem Anwalt angestrengten Berufungsverhandlung, die am heutigen Freitag im "Corona-Ausweichquartier" des Landgerichtes im Polizeipräsidium stattfand, packte der Angeklagte jetzt richtig aus und gestand die von politischem Hass motivierte Tat. Sein Ziel: die vom Amtsgericht verhängte Strafe von sechs Monaten auf Bewährung zu vermindern.

Der Angeklagte Toni R.

Andreas Goerke, Vorsitzender des Vereins 'Fulda stellt sich quer' trat als Nebenkläger ...

Staatsanwalt Gert-Holger Willanzheimer

Das, was der geständige 38-Jährige dem Gericht dann vom Blatt vortrug, erhellte auf bizarre Weise, was Gerichtspräsident Dr. Jochen Müller später "die Verrohung der politischen Sitten" und die beabsichtigte Vernichtung des Gegners nannte. Weil ihm die Aktivitäten des Vereins und seines Vorsitzenden Goerke nicht gefielen, hatte Toni R. beschlossen, etwas gegen ihn zu unternehmen, um ihm zu schaden. Als ihm der jetzige Fraktionsvorsitzende der Fuldaer AfD, Pierre Lamely, eine Liste aller Vereinsmitglieder von "Fulda stellt sich quer" mit Privatadressen und Telefonnummern gezeigt habe, notierte er sich Goerkes Adresse, um bereits wenige Tage danach sein falsches Mordgeständnis aus einer Telefonzelle abzusetzen.

Große Abstände waren im Saal des Polizeipräsidiums möglich

Toni R. mit seinem Verteidiger Michael Euler

Wie bereits mehrfach berichtet, hatte die anonyme Verdächtigung einen größeren Polizeieinsatz bei Goerke zur Folge, der nach Aussagen seiner Anwältin noch lange danach unter Schlafstörungen und Alpträumen gelitten hatte. Das war aber nicht die einzige Attacke auf ihn gewesen. Ihm wurden in dieser Zeit auch nicht bestellte Pizzen, Sexspielzeug und NDP-Aufnahmeanträge frei Haus geliefert. Ein gefakter Anruf, auf seinem Grundstück brenne eine Gartenhütte, hatte einen Feuerwehreinsatz ausgelöst und es gab Morddrohungen gegen Frau und Sohn. Den Verdacht, auch Urheber all dieser Angriffe zum Schaden von Andreas Goerke gewesen zu sein, wies Toni R. am Freitag aber ausdrücklich von sich. Obwohl er sich selbst als "rechte Hand" von Pierre Lamely bezeichnete, wisse er nicht, wer für diese Straftaten verantwortlich gewesen sei, behauptete Toni R. In seinen weitschweifigen Ausführungen kamen auch Verbindungen der hiesigen AfD zu Mitgliedern des rechtsextremen "III. Wegs" und der Identitären Bewegung zur Sprache. Dem hiesigen Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann habe er selbst von seinem falschen telefonischen Mordgeständnis zu Lasten von Andreas Goerke erzählt, dieser habe dazu gegrinst, versicherte R. 

"AfD zu rechtslastig!"

Aus Zorn darüber, dass Lamely ihm später die Unterstützung verweigert habe, sei er auch aus der Partei ausgetreten und habe mit seiner politischen Vergangenheit gebrochen. "Die AfD wurde mir zu rechtslastig", begründete der 38-Jährige, der gerade eine Umschulung als Lagerhelfer absolviert. Die geringen finanziellen Mittel seines Mandanten thematisierte sein Verteidiger Michael Eulen in seinem Plädoyer. Toni R. könne die ihm auferlegte Zahlung von 1.000 Euro Schmerzensgeld an Andreas Goerke nicht leisten. Sein ausführliches Geständnis und seine Entschuldigung beim Opfer sowie der Bruch mit seiner politischen Vergangenheit sollten sich strafmildernd auswirken. 

"Die inneren Grabenkämpfe der AfD interessieren nicht", befand dagegen der Staatsanwalt. Jeder habe doch gewusst, dass Andreas Goerke deren politisches Feindbild gewesen sei. Dennoch sei das Geständnis, die Entschuldigung und günstige Prognose positiv zu bewerten. Die Anwältin von Andreas Goerke als Nebenkläger sah das anders: "Diese Entschuldigung war taktisch, nicht echt", befand sie und betonte, dass es sich keinesfalls um einen "Scherzanruf" oder Dummen-Jungen-Streich gehandelt habe. Die erhebliche psychische Belastung der Opferfamilie machten die Zahlung des Schmerzensgeldes erforderlich.

Schließlich wurde Toni R. wegen falscher Verdächtigung in Tateinheit mit Missbrauch von Notrufen zu einer Haftstrafe von vier Monaten auf Bewährung und der Zahlung eines Schmerzensgeldes von 600 Euro verurteilt. Auch muss er  zwei Drittel der Prozesskosten übernehmen. Weil beide Seiten auf Rechtsmittel verzichteten, hat das Urteil bereits Rechtskraft. (Carla Ihle-Becker) +++


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