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Der Rechnungshof hat am Freitag seinen Sonderbericht „Flüchtlingswesen“ veröffentlicht - Archivfotos: O|N

REGION Sonderbericht Flüchtlingswesen

Gehaltserhöhungen und Kosten von knapp 50 Millionen Euro für leere Betten

29.05.21 - Der hessische Rechnungshof hat am Freitag einen Sonderbericht "Flüchtlingswesen" veröffentlicht. Präsident Dr. Wallmann betont, dass es bei den Prüfungen um eine Versachlichung der teilweise sehr aufgeheizten politischen und gesellschaftlichen Diskussion gegangen wäre.

Gehaltserhöhungen, 900 neue Stellen und Kosten von knapp 50 Millionen Euro für leere Betten

Bei der Untersuchung kam heraus, dass das Land Hessen an vielen Stellen hätte sparen können. Beispielsweise wurden zahlreiche neue Arbeitsstellen geschaffen, obwohl diese nicht benötigt wurden. Außerdem zahlte man mehreren externen Dienstleistern ungeprüft Gelder aus passte die Besoldungsstufen der Landesbeamten an, obwohl es, nach Ansicht des Rechnungshofes, dafür keine Grundlage gab.

In einem zeitlich befristeten Sondersenat "Flüchtlingswesen" wurden alle Fragen des Flüchtlingswesens gebündelt und interdisziplinär untersucht. Insgesamt fanden acht Prüfungen zu den drei Themenkomplexen Personalausgaben, baufachliche Prüfungen und Leistungen an Flüchtlinge in Einrichtungen des Landes (Notunterkünfte) statt.

Entwicklung der Geflüchtetenzahlen und des Personaleinsatzes

Die Zahl der Geflüchteten hatte in Hessen im Jahr 2015 mit fast 80.000 Menschen ihren Höhepunkt; in 2016 belief sich deren Zahl auf rund 25.000. Zur Bewältigung dieser hohen Zahlen weitete das Land den Personaleinsatz im Bereich des Flüchtlingswesens deutlich aus.

Ein Großteil der zusätzlichen rund 600 Stellen sollte besetzt werden, als die Zahlen 2016 bereits absanken. So plante das Land für das Jahr 2016 ursprünglich rund 300 Stellen und stockte dieses Kontingent im parlamentarischen Verfahren im Herbst 2015 nochmals auf rund 900 Stellen auf (gegenüber 135 Stellen in 2015). Der Rechnungshof wies auf die inzwischen abflachende Zuwanderungskurve hin. Das Finanzministerium sperrte daraufhin zeitweise bis zu rund 490 Stellen dieser 900 Stellen und ordnete weitere personalwirtschaftliche Maßnahmen an. Die Ministerien kündigten an, den vom Rechnungshof für erforderlich gehaltenen Personalbedarf von 300 Stellen mittelfristig erreichen zu wollen. Damit werden Personalkosten in zweistelliger Millionenhöhe eingespart.

Das Land setzte zur Bewältigung des starken Zustroms nicht nur eigenes Personal, sondern auch externe Dienstleister (überwiegend ehemalige Landesbedienstete) ein. Die Prüfung des Rechnungshofs zeigte, dass das Land dabei von Dienstleistern selbst aufgeschriebene und selbst unterschriebene Stundennachweise von bis zu 325 Stunden monatlich akzeptierte. Das Land zahlte pensionierten Beamten Monatsvergütungen von bis zu 8.100 Euro. Auch nachdem die Zahl der aufzunehmenden Geflüchteten erheblich zurückgegangen war, vergütete es zum Beispiel im 2. Halbjahr 2016 noch mehr als 30 Dienstleistern teilweise mehrfach ungewöhnlich hohe monatliche Arbeitszeiten von bis zu 270 Stunden. Wallmann weist darauf hin: "Auch, wenn die Zeiten außergewöhnlich waren, sollten Stundennachweise – insbesondere bei einem Volumen von mehr als 300 Stunden pro Monat – nicht einfach ungeprüft akzeptiert werden. Es ist gut, dass das Land reagiert und die Prüfung der Stundennachweise mittlerweile gewährleistet hat."

Nur eine neue Stelle – aber 400.000 Euro Mehrausgaben

Im Zuge der Eingliederung der Erstaufnahmeeinrichtung in das Regierungspräsidium Gießen im November 2016 wurden Anzahl und Wertigkeit der Leitungsstellen deutlich angehoben: Im Ergebnis ist zwar nur eine Stelle neu geschaffen worden, aber gemeinsam mit der Erhöhung der Besoldungsstufen führte dies zu rund 400.000 Euro höheren Personalkosten jährlich. Der Rechnungshof bezweifelt die Notwendigkeit dieser personalwirtschaftlichen Maßnahmen, da sich die gesetzlichen Aufgaben dieses Bereichs nicht signifikant verändert haben.

Leere Betten kosteten 46 Millionen Euro

Landkreise und Großstädte errichteten im Auftrag des Landes Notunterkünfte für die Geflüchteten. Da der Zustrom an Geflüchteten für die Folgewochen bzw. -monate nicht wirklich kalkulierbar war, war die Steuerung des Aufbaus und der Belegung der Notunterkünfte erschwert. Dies führte zum Vorhalten von Überkapazitäten. Im Nachhinein ist festzustellen, dass rund 21.000 Plätze errichtet wurden, von denen 12.000 nie belegt wurden. Hätte man diese Überkapazität vermieden, hätten theoretisch rund 46 Millionen Euro eingespart werden können.

Leere Unterkunft in Eichenzell. Im Jahr 2015 wurde im Industriepark ein Containerdorf ...

Bei den untersuchten Notunterkünften wurden im Mittel 37 Prozent der Verpflegungsausgaben nicht für die eigentliche Verpflegung von Geflüchteten aufgewendet. Dieser Teil der Ausgaben war auf ungünstige vertragliche Gestaltungen (Vorhaltekosten, Laufzeiten und Kündigungsfristen oder garantierte Mindestabnahmemengen) sowie die Verpflegung von Mitarbeitern oder Fehlbestellungen zurückzuführen. Übertragen auf alle Notunterkünfte entspricht dies einem Einsparpotential von ca. neun Millionen Euro.

Kommunen kassierten Geld – erbrachten aber keine Leistung

Das Land zahlte den Kommunen monatliche Pauschalen nach dem Landesaufnahmegesetz, um die Ausgaben zu erstatten, die durch die ihnen zugewiesenen Geflüchteten entstanden waren. Teilweise haben Kommunen die zugewiesenen Geflüchteten aber nicht in eigenen Unterkünften, sondern in den zur Erstaufnahme vorgesehenen Notunterkünften des Landes untergebracht, ohne sich im Gegenzug finanziell zu beteiligen. Wallmann lobt: "Das Land hat unsere Hinweise aufgegriffen. Bisher haben die Kommunen dem Land rund fünf Millionen Euro zurücküberwiesen."

Der Rechnungshof hat die vom Land genutzten unterschiedlichen Unterbringungskonzepte untersucht. Ziel war es auch dabei, Empfehlungen für künftige Krisen zu generieren. Wallmann empfiehlt: "Es zeigt sich, dass die Unterbringung in ehemaligen Kasernen die günstigste Unterbringungsart darstellte. Dies ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass seinerzeit die Kasernen dem Land vom Bund kostenlos zur Nutzung überlassen wurden." (pm/mr) +++


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